Drei Kinderkrankenschwestern stehen am Bett eines 13-jährigen Jungen, der an einem RS-Virus erkrankt ist und beatmet wird.
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In der Kinderklinik in Traunstein war am Freitag, 12.11., nur noch ein Beatmungsplatz frei.

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Atemwegsinfekte: Kinderkliniken an der Belastungsgrenze

Wegen der Corona-Pandemie kamen die meisten Kinder in den vergangenen anderthalb Jahren mit Erkältungs-Viren nicht in Kontakt. Jetzt setzt der Nachholeffekt ein, Kinder werden teils schwer krank. Das wirkt sich nun heftig auf die Kinderkliniken aus.

Über dieses Thema berichtet: Mittags in Oberbayern am .

Zwei Ärzte und drei Kinderkrankenpflegerinnen kümmern sich um einen 13-jährigen Jungen. Er wird auf der Kinderintensivstation beatmet, er leidet an einer RSV-Atemwegsinfektion, die besonders kleine Kinder sehr schwer krank machen kann. Die Kinder-Intensivstation in Traunstein ist Mitte November bis auf einen Beatmungsplatz belegt, bestätigt der Chefarzt Gerhard Wolf.

Es sei ein "eklatanter" Unterschied zum vergangenen Winter, in dem kaum Kinder stationär behandelt werden mussten. Nicht die Corona-Welle, sondern das ganze Spektrum viraler Atemwegsinfekte macht den Kindern und Medizinern gerade zu schaffen. Insgesamt betreut die Kinderklinik Traunstein 60 Betten auf drei Stationen, inklusive der Kinder-Intensivstation.

Kinder häufig nicht mehr in Wunschklinik behandelbar

Gerhard Wolf klickt sich jeden Tag online durch die Bettenkapazitäten der Kinderkliniken in Oberbayern. In der Neonatologie, also im Versorgungsbereich der Frühchen, seien sehr viele Krankenhäuser im Moment rot markiert, also abgemeldet. Das heißt: Sie sollten von Rettungsdiensten nicht mehr angefahren werden.

Wegen der Corona-Pandemie waren die meisten Kinder in den vergangenen anderthalb Jahren Erkältungsviren nicht ausgesetzt. Kitas waren geschlossen, ältere Geschwister trugen in der Schule Mundschutz, wenn sie denn überhaupt in der Schule waren. Jetzt setzt der Nachholeffekt ein und Kinder werden teils schwer krank.

Nur wenige Kinderkliniken von München über Garmisch, Rosenheim, Mühldorf oder Salzburg hätten Betten zur Verfügung. "Wenn man auf die pädiatrischen Intensivstationen klickt, sind derzeit von fünf Kliniken in München drei abgemeldet." Ähnlich sei es auch in vielen anderen oberbayerischen und Nachbar-Landkreisen von Traunstein.

Schwer kranke Kinder aus Starnberg, Garmisch, Salzburg

Deshalb hat die Kinderklinik in Traunstein in den vergangenen Tagen und Wochen schwer kranke Kinder aus Garmisch, Starnberg, München, Rosenheim und Umgebung aufgenommen. Die Belegschaft arbeitet am Limit. "Die Infektwelle trifft nicht nur die Kinder, die trifft auch das Personal", sagt die Kinderkrankenschwester Regina Niederbuchner.

Sie hat gerade mal drei Minuten Zeit für ein paar Fragen. "Wir sind momentan noch weniger besetzt, weil auch wir krank werden." Die kranken Kinder und ihre Eltern aufzufangen, sei im Moment sehr belastend.

Denn für eine Kinderkrankenpflegekraft sind die Aufgaben umfangreicher. "Kinder sind keine kleinen Erwachsenen, sie müssen viel intensiver betreut werden", ergänzt Gerhard Wolf. Hinzu kämen die Eltern, die auch rund um die Uhr auf der Station betreut werden müssten.

Aussterbender Beruf: Kinderkrankenpfleger

Regina Niederbuchner arbeitet zudem in einem aussterbenden Beruf. Die auf Kinder spezialisierte Pflegeausbildung gibt es inzwischen nicht mehr. Die Situation in den Kinderkliniken spitze sich schon seit Jahren zu. Die Infektwelle wird nun zur Ausnahmebelastung.

Das liege weniger an den fehlenden Betten als am Personalmangel. Es sei selten so, dass tatsächlich kein Beatmungsgerät mehr da ist, "oder dass kein Bett oder kein Arzt oder keine Ärztin mehr da ist, um das Kind zu versorgen", sagt Gerhard Wolf. In mehr als der Hälfte der Fälle fehle das Pflegepersonal.

Das bestätige auch der Erfahrungsaustausch mit seinen Kolleginnen und Kollegen in anderen Krankenhäusern, die alle händeringend nach Kinderkrankenpflegern und Krankenschwestern suchten.

Doch die kalte Jahreszeit hat gerade erst begonnen. Eltern schwer kranker Kinder werden diesen Winter womöglich nur weit vom Wohnort entfernt auf einen Behandlungsplatz für ihr Kind hoffen können.

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