Ein Sicherheitsberater der landwirtschaftlichen Sozialberatung demonstriert einen Personenschlupf als Fluchtweg im Kuhstall
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Ein Sicherheitsberater der landwirtschaftlichen Sozialberatung demonstriert einen Personenschlupf als Fluchtweg im Kuhstall

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Arbeitsplatz Kuhstall: Warum dort viele Unfälle passieren

Fast 1.500 meldepflichtige Unfälle mit Rindern gab es 2021 in Bayern, davon zwei tödliche. Zwar sinkt die Zahl der Unfälle von Jahr zu Jahr, dennoch bleibt ein Stall ein gefährlicher Arbeitsplatz. Besonders riskant ist der Umgang mit Bullen.

Solche Meldungen gibt es immer wieder: In einem Stall im Landkreis Cham hat im Juli 2022 eine Kuh eine Betriebshelferin an eine Metallstange gedrückt. Die Frau wurde schwer verletzt - mit Milzriss, Leberriss und Lungenquetschung. Im Oktober schlug im Landkreis Tirschenreuth eine Kuh mit dem Bein im Melkstand der Bäuerin aufs Brustbein. Der Vorgang wiederholte sich ein paar Tage später, als der Mann die Kuh gemolken hat. Deshalb steht in den Unfallverhütungsvorschriften: "Bösartige Tiere müssen aus dem Bestand entfernt werden."

Bullen sind gefährlicher als Kühe

Rinder sehen friedfertig aus, dennoch ist die Arbeit im Stall nicht ungefährlich. Michael Simon hat im Unterallgäu einen Laufstall mit 85 Milchkühen. Zwar werden die Tiere künstlich besamt, trotzdem gibt es auch einen Deckbullen im Stall. Zum einen zur Brunsterkennung, also um am Verhalten des Bullen zu sehen, wann eine Kuh brünstig ist und besamt werden kann. Zum Zweiten, um Kühe zu decken, die durch künstliche Besamung nicht trächtig werden.

Um die Unfallgefahr zu minimieren, hat der Allgäuer Landwirt im Stall eine Bullenbox gebaut, mit stabilen Stangen aus Metall, in der der sogenannte Natursprung gefahrlos erfolgen kann. Die brünstige Kuh wird zum Stier geführt und nicht wie früher umgekehrt.

Bulle oder Bauer: Wer ist der Ranghöhere?

Landwirt Simon hat diese Bullenbox bereits vor vier Jahren gebaut, freiwillig, ab 2024 ist sie laut Unfallverhütungsvorschriften in jedem Kuhstall Pflicht. Doch warum sind Bullen gefährlicher als Kühe? Zum einen sind sie größer, schwerer und aggressiver. Den zweiten Grund erklärt Fritz Allinger von der Landwirtschaftlichen Sozialversicherung (Berufsgenossenschaft): "Ein Stier hat aus Sicht des Tieres nur zwei Aufgaben: Kühe zu beglücken und Rivalen zu bekämpfen. Der Landwirt wird meist als der Ranghöhere akzeptiert, aber wenn er im Stall Arbeiten verrichtet, bei denen er den Kopf unten hat, ist er der Rangniedrigere und wird angegriffen."

Mehr Unfälle im Laufstall?

Früher waren die Kühe im Stall angebunden, in modernen Ställen laufen sie frei herum - zum Fressen, zum Melkstand, zum Melkroboter oder in einen Auslauf ins Freie.

"Theoretisch gibt es in Betrieben mit Laufstall nicht mehr Unfälle als bei Anbindehaltung", sagt Fritz Allinger. Fragt man allerdings Landwirte, heißt es, mit freilaufenden Tieren gebe es durchaus mehr brenzlige Situationen als mit angebundenen. Bei der Datenauswertung der gemeldeten Unfälle in Bayern jedenfalls zeigt sich: Die meisten Unfälle passieren beim Melken. In Laufställen gibt es mehr Verletzungen vom Gürtel aufwärts, im Anbindestall vom Gürtel abwärts.

Die Erklärung: Im Laufstall stehen die Kühe in einem Melkstand, der Landwirt ist in einer Grube, damit das Euter auf optimaler Arbeitshöhe ist. Schlägt die Kuh mit den Beinen aus, trifft sie den Melker am Oberkörper. Im Anbindestall bewegt man sich zwischen den Kühen, schlägt hier eine Kuh aus, trifft sie den Bauer oder die Bäuerin meist am unteren Teil des Rumpfs oder an den Beinen. Grundsätzlich gilt: In Laufställen darf man sich erst ab einem Alter von 18 Jahren aufhalten, unter Aufsicht ab 15 Jahren.

Gefährliche Situation: Rinderverladen

Zu den gefährlichsten Situationen gehört das Verladen von Rindern in einen Viehtransporter. Hier steigt die Zahl der Unfälle mit Rindern aus Laufställen. Im Anbindestall ist jede Kuh sozusagen ein Einzeltier, im Laufstall fühlen sich die Tiere als Teil der Herde. Beim Verladen in einen Transporter werden die Tiere oft panisch und wollen unbedingt zur Herde zurück. Deshalb gilt - nicht nur beim Verladen, sondern überall im Stall: keine hektischen Bewegungen und ein ruhiger Umgang mit den Tieren.

Bayern Spitzenreiter trotz rückläufiger Zahlen

Knapp 4.800 Unfälle in der Rinderhaltung wurden 2021 deutschlandweit gemeldet, sieben davon waren tödlich. 2017 waren es noch fast 7.400 gemeldete Unfälle mit neun Toten. Bayern ist in dieser Statistik nach wie vor trauriger Spitzenreiter, was aber daran liegt, dass es in Bayern die meisten Rinder in Deutschland gibt. Wichtig ist, sagt Fritz Allinger von der Berufsgenossenschaft: "Die persönliche Bindung zwischen Mensch und Tier darf nicht verloren geht. Deshalb sollten Landwirte, die einen Melkroboter haben, trotzdem regelmäßig im Stall sein, damit sie den Tieren vertraut sind."

Video: Unfälle im Kuhstall – Unterschätze Gefahr?

Video: Unfälle im Kuhstall – Unterschätze Gefahr?
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Video: Unfälle im Kuhstall – Unterschätze Gefahr?

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