Demonstration von Reformgruppen in Altötting
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Anti-Missbrauchs-Initiative demonstriert bei Gänswein-Lesung

Nicht nur mehr als 400 zahlende Zuhörer sind zur Lesung von Georg Gänsweins Buch "Nichts als die Wahrheit" erschienen: Bei der Buchpräsentation des ehemaligen Privatsekretärs Papst Benedikts kam es vor der Lesung auch zu einer Demonstration.

Über dieses Thema berichtet: Bayern 2 am Samstagvormittag am .

Samstagabend, kurz vor 6 Uhr vor dem Kongresszentrum in Altötting. Katholisches Kernland. Nur wenige Meter entfernt befindet sich einer der wichtigsten Marien-Wallfahrtsorte Deutschlands. Rund vierhundert Menschen sind an diesem Abend hierher gepilgert – nicht zur Wallfahrtskapelle, sondern um den ehemaligen Privatsekretär des verstorbenen Papst Benedikt, zu sehen. Er liest aus seinem kürzlich erschienen Buch "Nichts als die Wahrheit".

Demonstration bei Buchvorstellung Gänsweins

Doch nicht alle Anwesenden an diesem Samstag sind überzeugt davon, dass das Buch Gänsweins die ganze Wahrheit erzählt. Vor den Toren des Kongresszentrums, wo die Lesung stattfand, hat sich eine Gruppe Demonstranten versammelt. Eine oberbayerische Initiative gegen sexuellen Missbrauch in der Kirche hat vor einer Lesung des langjährigen päpstlichen Privatsekretärs Georg Gänswein im Wallfahrtsort Altötting demonstriert.

Laut dem Veranstalter musste aus präventiven Zwecken der Sicherheitsdienst aufgestockt werden. Kurzzeitig war auch ein Streifenwagen der Polizei bei den Demonstranten auf dem Vorplatz des Kongresszentrums zu sehen. Die Demonstranten verhielten sich friedlich, es kam zu keinen Ausschreitungen. Es kam allerdings vereinzelt zu Streitgesprächen zwischen den Demonstranten mit Besuchern der Lesung. Einer von ihnen nannte die Demonstration eine "Unverschämtheit" und rief: "Schämt Euch!"

Initiative "Sauerteig" dringt auf Missbrauchs-Aufklärung

Mitglieder der Initiative "Sauerteig" verteilen Flugblätter und halten Banner in die Höhe. Die Gruppe fordert eine bessere Aufarbeitung von Fällen sexuellen Missbrauchs in der Kirche und höhere Entschädigung für die Betroffenen. "Als gläubige Katholiken würden wir uns erwarten, dass auch der Vatikan, auch der Papst, da mit gutem Beispiel vorangeht - auch sein Privatsekretär - und die ganze Wahrheit vorbehaltlos sagt", fordert die Sprecherin der Initiative, Rosi Mittermeier. "Dass kirchlicher Kindesmissbrauch mit Wissen und Duldung der obersten Verantwortlichen bis hin zum Altpapst Benedikt geschah, ist inzwischen unzweifelhaft belegt und erschütternder Teil der Wahrheit", so Mittermeier weiter.

Fall Peter H. beschäftigt das Landgericht Traunstein

Der oberbayerische Ort Garching an der Alz, aus dem die Initiative "Sauerteig" kommt, ist in der Debatte um sexuellen Missbrauch in der katholischen Kirche besonders in den Fokus geraten, weil das Erzbistum einen verurteilten Wiederholungstäter dorthin versetzt hatte - und der Priester dort erneut Kinder missbrauchte.

Gänswein selbst entgegnete auf Nachfrage des BR bezüglich der Vorwürfe der Demonstranten, dass seiner Meinung nach bereits gründlich Aufklärung betrieben werde. "Mir ging es nicht darum, Aufklärung in einer bestimmten Sache zu machen. Das wird schon längst getan. Das wird meines Erachtens gründlich getan. Das braucht etwas Zeit, aber es wird gründlich getan."

Gänswein wolle "keine Gräben schaffen"

"Das, was ich mit diesem Buch wollte, ist: Niemanden anklagen, keine Gräben zu schaffen und auch gar nicht irgendwie Gegensätze zu produzieren, sondern ganz einfach: Berichten, was ich selbst erlebt habe. Natürlich ist das subjektiv von meiner Seite aus, aber ich habe versucht, der Wahrheit den Vorrang zu geben."

Wegen Verjährung hat die Staatsanwaltschaft alle Ermittlungen in den Missbrauchsfällen - auch die, die den verstorbenen Kardinal Ratzinger betreffen - im März eingestellt. Die Zivilklage eines der Opfer von Peter H. läuft jedoch noch. Im Rahmen dieser will sich das Landgericht Traunstein mit dem Fall Peter H. beschäftigen. Das Verfahren am Landgericht Traunstein wurde verschoben, weil noch nicht geklärt ist, wer nach Ratzingers Tod dessen Rechtsnachfolge antritt. Nun soll wohl im Juni darüber verhandelt werden.

Gänswein plaudert aus dem Nähkästchen

Während seiner Buchpräsentation nannte der langjährige Privatsekretär des verstorbenen Papstes das Leben im Vatikan "ganz normal". Es sei ein Ort, an dem - wie überall sonst auch - "gearbeitet, gelacht wird, gegessen wird, Fehler gemacht werden".

"Der Vatikan ist eine Welt wie überall", sagte Gänswein, nur die Kleidung sei anders ("Je höher man steigt, desto länger wird sie") - und "die Mauern nicht so dick, wie man meint". Allerdings sei jahrzehntelang um 22 Uhr und inzwischen um Mitternacht der letzte mit dem Auto befahrbare Eingang von der Schweizer Garde geschlossen worden. Wer später gekommen sei, habe klingeln müssen. "Dann wurde aufgeschlossen und das Nummernschild aufgeschrieben."

Der Vatikan sei "uralt", sagte Gänswein. "Also nicht nur die Mauern, auch die Leute." Und die dort sehr verbreitete "Freundlichkeit" sei das, was er dort am meisten schätze. "Man ist auf kleinem Gebiet international besetzt."

Mit Informationen von dpa

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Georg Gänswein, ehemaliger Privatsekretär von Papst Benedikt XVI., stellt während einer Lesung sein Buch "Nichts als die Wahrheit" vor.

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