Einsatzübung der Freiwilligen Feuerwehr im mittelfränkischen Herzogenaurach. Acht Männer und eine Frau bereiten alles für die Rettung einer eingeklemmten Person in einem Unfallauto vor. Es geht schnell, die Handgriffe sitzen. Der Einsatzleiter ist zufrieden. Doch eines können die Feuerwehleute an diesem Abend nicht üben: Wie sie darauf reagieren, wenn sie im Einsatz beschimpft und angepöbelt werden. Dazu bietet der Landesfeuerwehrverband jetzt Schulungen an. Dabei geht es um Strategien, wie Einsatzkräfte mit derartigen Situationen umgehen und sich wehren können.
Fehlendes Verständnis für Arbeit der Feuerwehr
Jede Woche trainieren die 124 Aktiven der Freiwilligen Feuerwehr in Herzogenaurach. 340 Einsätze hatten sie im vergangenen Jahr – von der Storchenrettung über die technische Hilfeleistung bis zum Großbrand, sagt Kommandant Rainer Weber. Besonders belastend seien jedoch vor allem kleine und an sich unspektakuläre Einsätze. Bei einem Großbrand beschwert sich keiner. "Aber wenn wir bei einer Sportveranstaltung den Verkehr absperren, da schaut die Welt ganz anders aus", sagt er. Da werden er und seine Kolleginnen und Kollegen übel beschimpft. "Die Menschen haben einfach kein Verständnis für unsere Arbeit und sagen, dass sie hier jetzt sofort durchmüssen."
💡 Neben fehlendem Verständnis für notwendige Straßensperren bei Rettungseinsätzen berichten Einsatzkräfte auch von Anfeindungen, wenn sie Ordnung schaffen wollen - also zum Beispiel Konflikte schlichten oder Platz für Einsatzgerät machen wollen. "Gaffer" stellen Feuerwehrleute immer wieder vor Herausforderungen – von Schmähgesängen und abwertenden Rufen ist in Berichten zu lesen. Laut Gewerkschaftsvertretern kam es in der Vergangenheit auch schon dazu, dass Personen Türen der Rettungswagen aufgerissen hätten, um Einsatzkräfte aufzufordern, Fahrzeuge wegzufahren. Ist Alkohol im Spiel, kann die Hemmschwelle von Angreifern gesenkt sein. Oder die betrunkene Person nimmt Hilfeleistungen nicht als solche wahr. Gute Kommunikation und das Abwehren von "Gaffern" erfordert dann Personal, das eh schon knapp vorhanden ist.
Diese Passage haben wir aufgrund eines Kommentares unseres Nutzers "UdoV" im Rahmen des BR24 Projekts "Dein Argument" ergänzt. 💡
Belastung ist vielen Ehrenamtlichen zu hoch
Das ist belastend für die Retter. Zusätzlich zum Stress des Einsatzes kommt der Ärger über die verletzenden Kommentare. Nicht jeder der Ehrenamtlichen hat ein ausreichend dickes Fell, um das zu ertragen, sagt Weber. "Ich habe einige Kameraden, die sagen, da stelle ich mich nicht mehr hin und lasse mich beschimpfen." Fairerweise müsse er sagen, dass es auch andere Fälle gebe, in denen die Feuerwehrler auch mal gelobt werden. "Aber man muss schon viel schlucken können", sagt Weber.
- Zum Artikel: "Droht ein Kollaps? Viele Notfallretter werfen hin"
Landesfeuerwehrverband erkennt Handlungsbedarf in Bayern
So schlimm wie bei den Angriffen auf Sicherheitskräfte in Berlin an Silvester ist die Lage in Bayern zwar nicht. Aber der Landesfeuerwehrverband Bayern erkennt Handlungsbedarf. Er hört immer wieder Klagen über die zunehmende Gewalt gegen Einsatzkräfte. Deshalb bietet er Schulungen an, wie Retter auf Anfeindungen richtig reagieren können, sagt Marius Rabe, der Bildungsreferent beim Verband ist.
Klare Kommunikation: Freundlich und bestimmt, solange es geht
Klare Kommunikation ist wichtig, um sich als Retter an einem Einsatzort behaupten zu können. "Es kann schon helfen, die Maßnahme zu erklären. Wir müssen jetzt hier absperren, weil da vorne gerade ein Unfall passiert ist und Leute gerettet werden müssen", sagt Rabe. Freundlich und bestimmt auftreten - so lange es eben geht. Das ist eine Möglichkeit, wie sich die Retter wehren und durchsetzen können. Wenn dann immer noch keine Ruhe ist, muss die Polizei alarmiert werden, gibt Rabe vor. "Eigensicherung geht in solchen Fällen immer vor."
Trotzdem Freude am Ehrenamt behalten
Ziel ist es, den Feuerwehrlern Strategien an die Hand zu geben, mit denen sie es schaffen können, trotzdem die Freude am ehrenamtlichen Einsatz nicht zu verlieren. Denn die pöbelnden Störer können die Helfer schnell an ihre Grenzen bringen, sagt Rabe. "Das ist sehr belastend. Und man fragt sich dann auch, warum mache ich das, warum opfere ich meine Freizeit für die Gemeinschaft, wenn es einem die Gemeinschaft nicht dankt."
💡 Angesichts der Situation fordert etwa der Deutsche Feuerwehrverband schon seit längerer Zeit eine konsequentere Durchsetzung von Strafen. Das Strafgesetzbuch sieht neben Geldstrafen auch Freiheitsstrafen bis zu drei Jahren vor, wenn jemand Hilfeleistende der Feuerwehr durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt behindert. Bei schweren Fällen kann die Strafe höher ausfallen (Paragraf 113 bis 115 Strafgesetzbuch). Auch tätliche Angriffe und Beleidigungen stehen unter Strafe. Im Zuge der Silvester-Angriffe kochte die Diskussion über höhere Strafen wieder hoch.
Diese Passage haben wir aufgrund eines Kommentares unseres Nutzers "veganwonder" im Rahmen des BR24 Projekts "Dein Argument" ergänzt. 💡
Die Übung in Herzogenaurach ist beendet. Die Retter hoffen, dass die Akzeptanz für ihre wichtige Arbeit steigt. Nicht nur wenn es brennt.
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