Kühlturm des Atomkraftwerks Isar 2
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Kühlturm des Atomkraftwerks Isar 2

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Lemke beklagt fehlende Hinweise aus Bayern zu Isar-2-Leck

Wenn das Atomkraftwerk Isar 2 über 2022 hinaus in Betrieb sein soll, braucht es laut Bundesumweltministerium eine Reparatur im Oktober. Ministerin Lemke zeigt sich irritiert über das Verhalten der Staatsregierung. Die CSU wiederum zeigt auf den Bund.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im Radio am .

Harsche Worte aus der Bundesregierung in Richtung Bayern: Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Die Grünen) beklagt, von der Staatsregierung keine früheren Hinweise zum Ventil-Leck im Atomkraftwerk Isar 2 in der Nähe von Landshut bekommen zu haben.

Die Ministerin verwies darauf, dass sich der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) und CDU-Chef Friedrich Merz vor einigen Wochen den Reaktor angeschaut und mit dem Betreiber gesprochen hätten. "Ich frage mich schon, ob sie über die Leckage nicht informiert wurden, oder ob sie das Problem in ihrer Pressekonferenz am 4. August vor dem Reaktor einfach verschwiegen haben", sagte Lemke dazu der Nachrichtenagentur dpa.

Lemke kritisiert Glauber: "Das ist einfach unseriös"

Kritik äußerte die Grünen-Politikerin auch am bayerischen Umweltminister Thorsten Glauber (Freie Wähler): "Es stellt sich auch die Frage, warum Minister Glauber, immerhin Chef der bayerischen Atomaufsicht, nicht auf das Problem hingewiesen hat. Das ist einfach unseriös."

Nach Angaben des Bundesumweltministeriums hatte Lemke in der vergangenen Woche von der Leckage erfahren. Söder und Merz waren Anfang August am AKW. Seit wann PreussenElektra von dem Problem weiß, ist bisher unklar.

Die bayerische Staatskanzlei weiß nach eigenen Angaben erst seit Montag von dem defekten Ventil. Man habe aus der Berichterstattung davon erfahren, sagte ein Sprecher am Dienstag auf Anfrage der Nachrichtenagentur dpa. Ministerpräsident Markus Söder (CSU) selbst wollte sich zunächst nicht äußern.

Glauber: "Braucht jetzt Entscheidung des Bundes"

"Es ist schon bezeichnend, dass das Bundesumweltministerium den Sachverhalt nicht einmal richtig einschätzen kann", sagte hingegen Glauber zu BR24, angesprochen auf die Vorwürfe. Er verwies darauf, dass der Ventiltausch nicht meldepflichtig sei. Man versuche "jetzt ein politisches Spielchen innerhalb der Bundesregierung und das ist wirklich völlig unseriös". Er forderte: "Wir brauchen jetzt diese Isar-2-Entscheidung und nicht immer dieses Klein-Klein auf der Bundesebene, dass die nicht wissen, wie sie am Ende des Tages dieses Kraftwerk betreiben wollen."

Der für die Atomaufsicht in Bayern zuständige Minister deutet die Reparaturentscheidung nicht als Frage der Sicherheit des 1988 erbauten Meilers in Essenbach bei Landshut, sondern nur als politische Weichenstellung: Es zeige sich, dass die Idee einer Kaltreserve der Kraftwerke Isar 2 und Neckarwestheim in Baden-Württemberg von Januar bis April keine gute Lösung sei, sagte er in München. "Ein Kernkraftwerk ist kein Notstromaggregat. Jetzt zeigt sich, welche Hürden diese Idee in sich trägt."

Bundesumweltministerium: Neue Sachlage zu Isar 2

Durch das Ventil-Leck ergibt sich laut Mitteilung des Bundesumweltministeriums eine neue Sachlage für den geplanten Reservebetrieb für Isar 2. "Das Energieunternehmen PreussenElektra hat das Bundesumweltministerium im Zuge der Fachgespräche über Vorbereitungen einer Bereitschaftsreserve in der vergangenen Woche über eine interne Ventilleckage im Atomkraftwerk Isar 2 informiert", hieß es am Montag aus dem Ministerium. Die Sicherheit der Anlage sei dadurch nicht beeinträchtigt.

Auch könne das Kraftwerk - wie ursprünglich geplant - bis Ende 2022 weiterlaufen, doch für einen anschließenden Reservebetrieb sei im Oktober eine Reparatur nötig. Das Ventil müsse gewechselt werden. Dies würde mit einem etwa einwöchigen Stillstand des Meilers einhergehen.

PreussenElektra bestätigt Leckage an Ventil

Nach Angaben des Betreibers gibt es eine Leckage an einem Druckhalter-Sicherheitsventil im nuklearen Bereich des Reaktors. Eine solche Leckage könne im Normalbetrieb auftreten, heißt es in einer Erklärung von PreussenElektra. Die Leckage sei nicht meldepflichtig und sicherheitstechnisch nicht bedeutsam. Erst wenn bestimmte Grenzwerte erreicht wären, müsste das Atomkraftwerk Isar 2 heruntergefahren werden. Das sei derzeit nicht der Fall.

Lemke: "Sind dabei, Schlussfolgerungen zu ziehen"

"Wir sind gerade dabei, die veränderte Situation zu bewerten und Schlussfolgerungen zu ziehen", sagte Lemke der dpa. Für einen Notfallreservebetrieb ab Januar brauche es noch "mehrere Gesetzesänderungen". Um die Frage einer Reparatur von Isar 2 zu klären, stünden nun Gespräche mit dem Betreiber an. "Richtig ist, dass jetzt sehr zeitnah vom Betreiber entschieden werden muss, ob er diese Reparaturen durchführt", sagte Lemke.

Das bayerische Umweltministerium hielt am Montag am Weiterbetrieb des Kernkraftwerks Isar 2 fest. Der vom Energieunternehmen PreussenElektra gemeldete "betriebsbedingte Sachverhalt" sei "sicherheitstechnisch unbedenklich" und der Aufsichtsbehörde bekannt, teilte das Ministerium dem BR mit. Es handele sich um kein meldepflichtiges Ereignis, hieß es auch hier. Das bayerische Umweltministerium bleibe daher bei der durch ein Gutachten des TÜV Süd bestätigten Haltung: "Ein Weiterbetrieb des Kernkraftwerks Isar 2 wäre sicherheitstechnisch möglich."

Kreuzer zu Isar 2: "Bundesregierung muss entscheiden"

Der bayerische CSU-Fraktionschef Thomas Kreuzer forderte unterdessen die Bundesregierung auf, eine klare Entscheidung über die Zukunft des Kraftwerks zu fällen. Den von der Ampel-Regierung im neuen Jahr im Fall einer Stromnotlage vorgesehenen Reservebetrieb nannte Kreuzer am Rande der CSU-Fraktionsklausur im oberfränkischen Kloster Banz eine "völlig idiotische Idee": Er sei "unsicher, nicht erprobt, und wir bekommen keine Energie".

Berlin müsse deshalb entscheiden, ob das Atomkraftwerk wie ursprünglich geplant am 31. Dezember 2022 abgeschaltet werden oder ob es regulär weiterlaufen soll: Im letzteren Fall "muss die Reparatur vorgenommen werden", betonte der CSU-Politiker.

Grüne "irritiert" über Kommunikation von PreussenElektra

Ludwig Hartmann, Fraktionsvorsitzender der Grünen im Bayerischen Landtag, bezeichnete die Kommunikation von PreussenElektra laut als "irritierend". Die Aussage, die Reparatur müsse bereits im Oktober erfolgen, weil im November die Reaktivität nicht mehr ausreiche, um wieder anzufahren, stehe im Gegensatz zu früheren Aussagen, der Reaktor würde bis zum 31. Dezember volle Leistung fahren.

Aiwanger geht Grüne verbal an

Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) will von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Die Grünen) "jetzt endlich hopp oder top" zur Laufzeitverlängerung hören. Die "monatelange Hinhaltetaktik" sei "unzumutbar". Zudem kritisierte Aiwanger den "politischen Missbrauch der Debatte um das Ventil" etwa von den Grünen.

Lemke weiter gegen Laufzeitverlängerung

Nachdem Wirtschaftsminister Habeck seinen Reservebetriebsplan Anfang September präsentiert hatte, sprach Lemke von einer "verantwortlichen Lösung". Einer Laufzeitverlängerung der drei noch verbliebenen Atomkraftwerke in Deutschland erteilte sie mehrfach eine klare Absage. Die bayerische Regierungskoalition aus CSU und Freien Wählern fordert dagegen einen Weiterbetrieb bis mindestens 2024. Auch die FDP dringt auf längere Laufzeiten.

Lemke warf der Union vor, Fragen der Sicherheitsanforderungen in der AKW-Debatte systematisch zu ignorieren. Durch die "neue Wendung" sehe sie sich in ihrem Nein zu längeren Laufzeiten bestätigt.

Mit Material von dpa und AFP.

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