Die Carlonegasse in Passau verbindet nicht nur Altstadt und Dom, an den Wänden gibt es auch einiges zu lesen: "Antifa", "war hier", "Milf", "Kill me", dazwischen Herzchen, Smileys, aber auch zwei kunstvoll gestaltete Gesichter mit hängenden Backen. Die Gasse ist voll von Schmierereien und Graffitis - wie so viele Orte in Passaus Altstadt.
Was kann man tun, um Sprayer abzuschrecken?
Laut Polizeistatistik gehen die Zahlen zwar zurück: von 178 Ermittlungsverfahren im Jahr 2017 auf 60 Anzeigen im Jahr 2021. Doch die Stadtverwaltung will jetzt eingreifen. Noch bis Ende Juli wird eine Bestandsaufnahme gemacht und ausgewertet, wo wie viel gesprüht wird. Danach will man dem Stadtrat Vorschläge machen, was man tun könnte, um Sprayer abzuschrecken.
Konkret geht es um mehr Beleuchtung in dunklen und verwinkelten Gassen und um Videoüberwachung. "Bei der Videoüberwachung sind die rechtlichen Hürden hoch. Aber wir prüfen Festinstallationen für bestimmte Bereiche und mobile Systeme zur temporären Nutzung", sagt Ordnungsamtschefin Karin Schmeller.
Forderung nach mehr legalen Flächen
Doch sind harte Maßnahmen der richtige Weg? Kunstlehrer und Fassadenkünstler Fabian Edenharder kennt die Sprayer-Szene. Er findet, die Stadt könnte dem Problem zumindest ein bisschen entgegenwirken, in dem sie in der Innenstadt mehr legale Flächen zum Sprühen anbietet. "So kann man nicht nur die Illegalität verhindern, sondern auch noch Kunst und Kultur im städtischen Raum fördern", sagt er.
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Die Wand, die die Stadt zur Verfügung stellt, liegt im Ortsteil Haibach, ein gutes Stück vom Zentrum entfernt. "Den Graffiti-Sprühern geht es darum, gesehen zu werden. Also warum nicht eine fünf mal zwei Meter große Wand im Bschüttpark oder an der Innpromenade aufstellen?", meint Edenharder.
Kunstlehrer und Fassadenkünstler Fabian Edenharder kennt die Sprayer-Szene in Passau.
Stadt: Problem sind die Schmierereien
Die Stadt hingegen kontert, dass das Problem woanders liegt: bei den politisch motivierten Botschaften und Schmierereien. "Ich glaube nicht, dass die Leute, die da dahinterstecken, ein Angebot der Stadt Passau annehmen würden", sagt Ordnungsamtschefin Schmeller.
"Illegal bleibt illegal, da gibt es keine Diskussion", betont Edenharder. Dennoch hofft er, dass die Stadt die beiden Gruppen nicht einen Topf wirft.
"Man muss die Waage finden zwischen: Man erstellt ein Sicherheitskonzept und man bietet Alternativen, um das Problem von zwei Fronten anzugehen." Kunstlehrer und Fassadenkünstler Fabian Edenharder
Brief an den Sprayer
Kunst oder Gekritzel - der Straftatbestand ist derselbe. Es geht um Sachbeschädigung. Wie viel das Entfernen der Motive kostet, ist schwer zu sagen. Die Stadt Passau spannt dafür keine externen Firmen ein, sondern lässt Graffitis regelmäßig von Bauhofmitarbeitern entfernen. Privatleute hingegen lassen die Schriftzüge oft einfach stehen. So auch Walter Waldeck. Nach dem verheerenden Hochwasser 2013 hat er sein Haus komplett hergerichtet. Kurz darauf sprühte ein Unbekannter "THC" auf die Fassade – das Kürzel einer Sprayer-Gruppe.
Waldeck reagierte nicht mit einer Anzeige, sondern mit einem öffentlichen Brief, den er neben den Schriftzug klebte. Er beginnt mit den Zeilen "An die Damen und Herren Sprayer". Waldeck lädt die Unbekannten zum Dialog ein und schreibt: "Ich kann und will mir nicht alle paar Wochen einen neuen Anstrich leisten und hoffe, dass dies eine einmalige Aktion Ihrerseits war. Ich bedanke mich für Ihr Verständnis und bin mir sicher, dass Sie im nüchternen Zustand gut zwischen Dein und Mein unterscheiden können." Ob der Brief etwas gebracht hat? "Ich konnte meinem Ärger Luft machen auf eine Art und Weise, die mir entspricht", sagt er. Und zumindest kam kein weiterer Schriftzug hinzu.

Graffiti an einer Wand in der Passauer Carlonegasse
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