Wenn Paul, 17 Jahre, morgens im Büro im Friedberger Industriegebiet ankommt, dann hat er schon eineinhalb Stunden Fahrzeit hinter sich. Von Altenmünster ganz im Westen von Augsburg kommt er mit Zug und Bus in den Nachbarlandkreis in die Arbeit. Hier hat er eine Lehrstelle als Technischer Zeichner gefunden. Jetzt entwirft er am Rechner bereits erste Skizzen für den Bau einer Brücke, trägt die Fahrbahnbezeichnungen für eine Straße bei Rosenheim ein.
Besser Lehrstelle als Schulbank?
Paul war erst auf der Fachoberschule, hat dann aber gemerkt, dass das nichts für ihn ist. Da stand aber der reguläre Ausbildungstermin Anfang September schon vor der Tür, für "normale" Bewerbungen war es eigentlich bereits zu spät. Deshalb ging er zur Last-Minute-Lehrstellenbörse bei der IHK Schwaben, unterhielt sich mit den Beratern von der Arbeitsagentur über seine Stärken und Schwächen, dass er etwa für sein Leben gern zeichne - und bekam dort noch am gleichen Tag Kontakt zur Firma Hyna und Weiß nach Friedberg. Ganz schnell sei das gegangen, erzählt Paul im Gespräch, und ein bisschen Verwunderung schwingt da immer noch mit: "Weil ich direkt danach zum Praktikum kam für drei Tage - und dann direkt übernommen wurde".
Es hat "gematcht"
Bereut hat Paul seine Entscheidung bisher nicht, im Gegenteil: "Mir gefällt es sehr gut, ich hab sehr viel Spaß dabei, es sind alles total nette Leute, das Verhältnis ist fast schon familiär." Chef Robert Hyna schaut ihm immer wieder über die Schulter, erklärt und gibt Tipps. Der Leiter des Planungsbüros ist hochzufrieden mit Paul: "Also wir sind wirklich happy und es zeichnet sich ab, dass wir da echt einen Glückgriff getan haben. Es passt wirklich gut, er kommt auch in der Berufsschule klar und zum Glück stört ihn auch nicht der Arbeitsweg, er steht natürlich mit Abstand am frühesten auf von uns," sagt der Chef anerkennend.
Mitarbeiter werden händeringend gesucht
Pauls Stelle war eigentlich schon mit einer jungen Frau besetzt gewesen, die aber war kurzfristig nach wenigen Wochen abgesprungen. Generell hat die Branche ein Personalproblem, erfahrene Mitarbeiter, aber auch junge Leute sind schwer zu bekommen, weiß der Chef: "In der Baubranche finden wir weder Ingenieure, noch Zeichner, noch Techniker. Das liegt daran, dass die Verdiensttabelle der Baubranche extrem weit unter E-Technik oder Maschinenbau liegt, wir haben 40 Stunden, verdienen 30 Prozent weniger." Deshalb fehle es komplett an Personal, und das wirke sich auch auf die Azubis aus.
Lob vom Chef? Gern!
Drei Jahre Ausbildung liegen jetzt vor Paul, solche wie den 17-Jährigen hätte er gern mehr, gesteht Chef Robert Hyna. Auf ihn könne er sich schon jetzt verlassen und das sei wichtig in diesem Planungsjob: "Das muss alles zu 100 Prozent stimmen, weil wenn eine Zahl falsch ist, dann baut die Firma das falsch. Deshalb muss man sich auf die Leute verlassen. Das macht der Paul bislang sehr, sehr gut."
Anfänger - und Abbrecher
Achteinhalbtausend Lehrlinge haben heuer schwabenweit eine Lehrstelle angetreten, das sei "eine tolle Zahl", meint Wolfgang Haschner, Ausbildungsexperte der IHK - und ein Zuwachs von knapp fünf Prozent im Vergleich zum vergangenen Jahr. Allerdings hätten sich seit September bereits 500 junge Menschen schon wieder gegen die Ausbildung entschieden und noch in der Probezeit ihre Lehre abgebrochen. Oder aber die Betriebe haben laut Haschner ihrerseits den Vertrag aufgekündigt. "Das ist eine Zahl, die wir so kennen. Die ist tatsächlich auch geringer, als sie im Vorjahr war." Oft seien es falsche Erwartungen der Schulabgänger, mangelnde Pünktlichkeit oder zu lange Anfahrtswege, manchmal stimme auch einfach die Chemie zwischen Ausbilder und Azubi nicht, sagt der Ausbildungsexperte.
Neue Wege in den Traumjob?
Die IHK wolle nun den jungen Leuten helfen, in einem anderen Beruf eine Ausbildung zu finden. Geplant sei auch, die Betriebe zu unterstützen, offene Plätze schnellstmöglich wieder zu besetzen. Verstärkt werden auch Nachvermittlungsbörsen dafür sorgen, dass Nachzügler noch eine Lehrstelle finden. Darüber hätten 200 junge Menschen alleine im Wirtschaftsraum Augsburg im Oktober noch Ausbildungsverträge unterzeichnen können, erklärt der IHK-Fachmann.
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