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Abschiebung gescheitert: Landtag entscheidet über Schicksal

Es ist ein außergewöhnlicher Fall: Deutsche Behörden wollten Ebrahim J. in den Iran abschieben. Doch in Istanbul verweigerten türkische Beamte plötzlich den Weiterflug. Heute entscheidet der bayerische Landtag über das Schicksal des Mannes.

Über dieses Thema berichtet: Mittags in Oberbayern am .

Freitagmorgen vor eineinhalb Wochen: Polizeibeamte holen den Iraner Ebrahim J. aus der Abschiebehaftanstalt Eichstätt ab. Sie bringen ihn zum Frankfurter Flughafen und besteigen mit ihm gemeinsam das Flugzeug. Das Abschiebeziel: Iran. Dort kommt er aber nie an. Beim Zwischenstopp in Istanbul erklärt der Mann den türkischen Polizisten verzweifelt seine Lage: Seine Familie sei im Iran politisch verfolgt. Er selbst sei dort mit dem Tod bedroht.

Die Polizisten entscheiden: Humanitäre Gründe sprechen gegen Ebrahims Abschiebung in den Iran. Sie schicken ihn und die Bundespolizisten zurück nach Deutschland. Nun sitzt er wieder in Eichstätt in der Abschiebehaft. Heute Vormittag befasst sich der Petitionsausschuss des bayerischen Landtags mit dem Fall. Wird Ebrahim wieder abgeschoben?

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Türkische Beamte verweigerten Abschiebung

Was genau war in der Türkei passiert? Dem BR liegen unter anderem das Gedächtnisprotokoll Ebrahims, ein Dokument der türkischen Bundespolizei und die Aussagen seines Anwalts Necdal Disli vor. Demnach habe Ebrahim J. bei der Ankunft in Istanbul die Zeit genutzt, den türkischen Beamten seine Situation zu erklären: Er sei im Iran mit dem Tod bedroht. Er komme aus einer politisch verfolgten Familie. Große Teile seiner Verwandtschaft seien getötet, gefoltert oder ins Gefängnis gesteckt worden. Bei einer Recherche im Internet hätten die türkischen Beamten seine Erzählungen als glaubhaft eingestuft.

Selten: Türkei stuft Menschenrechte höher ein als Deutschland

Anhaltspunkt lieferten laut Anwalt Disli etwa mehrere iranische Zeitungsartikel und ein iranischer Fernsehbeitrag, in denen über Ebrahim J.s Familie berichtet wurde. Weil auch die türkischen Polizisten eine ernsthafte Bedrohung für Ebrahim im Iran erkannten, verweigerten sie seine Weiterreise. Kenner, unter anderem vom Bayerischen Flüchtlingsrat und vom "Bündnis gegen Abschiebehaft" in Eichstätt, sagen: dass die Türkei eine Abschiebung verhindert, das sei schon selten. Bemerkenswert sei auch, dass die Türkei die Menschenrechte in diesem Fall höher hänge als Deutschland.

Ibrahim: Seit zehn Jahren "gut integrierter" Maurer

Ebrahim J. ist 33 Jahre alt und lebt seit zehn Jahren in Deutschland. Er ist ausgebildeter Maurer, sein Bekanntenkreis nennt ihn "gut integriert". Das ist aber nicht ausschlaggebend für die Behörden – für sie zählt die Verfolgungssituation im Herkunftsland. Ob jemand wie Ebrahim J. in Deutschland bleiben darf oder nicht, das entscheidet das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF). Die Bundesländer sind dann für die Umsetzung, also gegebenenfalls die Abschiebung, zuständig.

Das BAMF teilt auf BR-Anfrage mit, dass es sich "aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht zu Einzelfällen im Asylverfahren äußern kann". Auf BR-Anfrage verweist das Bayerische Landesamt für Asyl und Rückführungen (LfAR) auf die Bundeszuständigkeit: "Die bayerischen Ausländerbehörden haben auf die Entscheidungspraxis des BAMF keinen Einfluss und sind gesetzlich an dessen Entscheidung gebunden."

Eine konkrete Antwort darauf, warum die deutschen Behörden die Situation Ebrahim J.s so grundlegend anders einschätzten als die türkischen, gibt es also nicht.

Bayerischer Flüchtlingsrat: "Eine ziemliche Katastrophe"

Stephan Dünnwald vom Bayerischen Flüchtlingsrat sagt im BR-Interview dazu: "Hier muss noch mal seriös und ernsthaft geprüft werden." Im Falle von Ebrahim J. sei bereits bei der ersten Anhörung durch das Bundesamt "eine ziemliche Katastrophe" passiert. Sachen seien nicht aufgenommen worden. Eine sehr erfahrene Kollegin von Dünnwald habe gesagt: Ein so "grottenschlechtes Anhörungsprotokoll" wie das von Ebrahim J. hätte sie "noch nie" gesehen.

Bedford-Strohm und Politiker bekunden Solidarität

Mittlerweile setzen sich immer mehr Menschen in Bayern für Ebrahim ein. Der evangelische Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm zum Beispiel, der Landtagsabgeordnete Cemal Bozoglu (Grüne) und Jens Meyer (SPD), der Bürgermeister von Weiden. Dort lebt der 33-jährige Ebrahim J. Zwei Arbeitgeber haben bereits versichert, dass sie dem Maurer eine Stelle geben, wenn er hier bleiben dürfe und eine Arbeitserlaubnis bekomme. Und das ist die spannende Frage: Darf Ebrahim J. in Deutschland bleiben?

Landtag entscheidet über Ebrahims Schicksal

Ob Ebrahim in Deutschland bleiben kann oder wieder abgeschoben wird – darüber entscheidet nun der Petitionsausschuss im Bayerischen Landtag. Die Abgeordneten Karl Straub (CSU) und Cemal Bozoglu (Grüne) haben sich mit Ebrahims Schicksal befasst und tragen dem Petitionsausschuss die Fakten vor. Und dann liegt es an der Mehrheitsentscheidung der 14 Ausschuss-Mitglieder, ob Ebrahim eine Zukunft in Deutschland hat oder der nächste Abschiebeversuch droht.

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