Nach insgesamt 24 Jahren Planung, Kostendiskussionen und Bauarbeiten fahren Züge ab dem Fahrplanwechsel am Sonntag elektrisch zwischen München und Lindau. Damit ist Bayern auf dem Weg zur Elektrifizierung des gesamten Streckennetzes einen wichtigen, aber mühsamen Schritt weiter. Denn die Deutsche Bahn hat sich schwer getan mit dem Projekt.
Schweiz verspricht 50 Millionen Euro
Die Schweiz hat als Bahnland seit jeher großes Interesse an der schnellen Verbindung nach München. Dort fahren alle Züge elektrisch. Schon 1996 vereinbarten die Schweiz und Deutschland, die Fahrzeit zwischen München und Zürich auf drei Stunden und 15 Minuten zu reduzieren.
Weil sich jahrelang nichts getan hatte, bot die Schweiz 2005 Deutschland an, sich mit einem zinslosen Darlehen von 50 Millionen Euro am Ausbau zu beteiligen. Bedingung: die Arbeiten sollten spätestens 2010 beginnen und die Strecke bis 2015 fertig sein.
Schweiz macht Druck
2008 unterzeichneten der Bund, der Freistaat Bayern und die Deutsche Bahn eine Finanzierungsvereinbarung über mehr als 210 Millionen Euro zur Elektrifizierung der Strecke mit Neigetechnik. Bayern zahlte 55 Millionen Euro, die Schweiz beteiligte sich mit den versprochenen 50 Millionen – ein absolutes Novum in der Politik. Den Rest übernahmen Bund und Deutsche Bahn.
Danach geschah wieder nichts. Wegen der absehbaren Verzögerung verschob der Schweizer Bundesrat die gesetzten Fristen um fünf Jahre. Der neue Plan: Baubeginn 2015, Inbetriebnahme 2020, verbunden mit der Botschaft nach Berlin, nur dann halte man das Angebot aufrecht, sich an den Kosten zu beteiligen.
Verzögerung und Kostensteigerung
Ein Jahr später, im November 2011 stellte die Deutsche Bahn eine Fertigstellung der Strecke für 2017 in Aussicht, kassierte das Ziel aber schon ein Jahr später. Damals hieß es, vor 2017 kein Baubeginn, Inbetriebnahme nicht vor 2020. Und die Kosten erhöhten sich um knapp 100 Millionen auf mehr als 300 Millionen Euro.
Nach einem monatelangen Streit zwischen der Bahn, Bayern und dem Bund, wer für das Debakel aus Verzögerung und Kostensteigerung verantwortlich ist, erhöhte schließlich der Bund seinen Zuschuss. Dann konnte es losgehen.
Gleisarbeiten in Lindau
Neuer Bahnhof für Lindau - Arbeiten an der Strecke begannen 2018
Um die anvisierten 3,5 Stunden Fahrzeit von München nach Zürich zu erreichen, wurde ab Ende 2016 in Lindau ein neuer, fernverkehrstauglicher Bahnhof im Stadtteil Reutin gebaut. Der historische Inselbahnhof, an dem die Fernverkehrszüge bisher wenden mussten, blieb für den Nahverkehr erhalten.
Zweieinhalb Jahre lang wurden 155 Kilometer Gleisstrecke von Geltendorf im Westen Münchens bis nach Lindau mit Oberleitungen versehen. Züge können so statt mit durchschnittlich 90 Stundenkilometer mit bis zu 160 Stundenkilometer durchs Allgäu fahren. Das ist lauter, weshalb 100 Millionen Euro in den Lärmschutz fließen. Und für die Oberleitungen braucht es Platz in der Höhe: Spektakulär und genauso umstritten war auch der Bau einer neuen Brücke in Wangen und der Abriss des "Eisernen Stegs" in Memmingen, der durch eine neue Überführung ersetzt wurde.
500 Millionen Euro für 75 Minuten Zeitersparnis
Nach dem Fahrplanwechsel am Sonntag sollen Reisende ab München in knapp zwei Stunden in Lindau sein, also 30 Minuten schneller. Von München nach Zürich dauert es ab kommendem Jahr dreieinhalb Stunden, 75 Minuten schneller. Befahren wird die Strecke mit dem neuen Schweizer Eurocity-Zug "Astoro". Die Strecke München - Lindau - Zürich zählt zum von der EU definierten Transeuropäischen Netz (TEN). Ziel ist es, mit einheitlicher Technologie über Grenzen hinweg Metropolen schneller über die Schiene zu verbinden.
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