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Konsequenzen aus Doping-Bericht Russland droht Ausschluss von Olympischen Spielen

Das IOC hat auf die WADA-Untersuchung mit der Ankündigung "härtest möglicher Sanktionen" gegen den russichen Sport reagiert. Das Exekutiv-Komitee des IOC will in einer Telefonkonferenz erste Entscheidungen treffen. Russland wird jahrelanges, vom Staat gelenktes Doping zur Last gelegt.

Stand: 19.07.2016

IOC-Präsident Thomas Bach | Bild: picture-alliance/dpa

Das Internationale Olympische Komitee will nach den Enthüllungen über staatlich gelenktes Doping in Russland schnellstmöglich über Konsequenzen entscheiden. Noch am Dienstag soll die IOC-Exekutive zu einer Telefonkonferenz einberufen und vorläufige Maßnahmen und Sanktionen im Hinblick auf die Olympischen Spiele in Rio besprochen werden.

"Die Ergebnisse des Berichts zeigen einen schockierenden und beispiellosen Angriff auf die Integrität des Sports und die Olympischen Spiele. Daher wird das IOC nicht zögern, die härtest möglichen Sanktionen gegen jede beteiligte Person oder Organisation zu ergreifen."

Thomas Bach, IOC-Präsident

Bislang hat Bach einen kompletten Ausschluss Russlands von Olympia abgelehnt.

WADA fordert Ausschluss

Viel Zeit bleibt dem IOC in der Tat nicht: In zweieinhalb Wochen beginnen die Olympischen Spiele in Rio. Die unmissverständliche WADA-Forderung: der Ausschluss Russlands von den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro (5. bis 21. August).

"Die WADA ruft die Sportbewegung auf, den russischen Sportlern die Teilnahme an internationalen Sportereignissen inklusive Rio zu verwehren, bis sich ein Kulturwandel vollzogen hat."

WADA-Sprecher Ben Nichols auf Twitter

Die Ermittler der Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) werfen Russland staatlich gesteuertes Doping vor. Der in Toronto vorgelegte, 97-seitige Untersuchungsbericht führe zahlreiche gravierende Belege für die Verwicklung von staatlichen Stellen in den Sportbetrug auf, sagte WADA-Chefermittler Richard McLaren.

Über Jahre Doping-Proben verschwunden

So seien im Moskauer Anti-Dopinglabor über Jahre hinweg positive Proben verschwunden, um gedopte russische Athleten zu schützen. Insgesamt seien wischen 2012 und 2015 643 positive Doping-Proben russischer Athleten in rund 30 Sportarten verschwunden - und sind damit negativ geworden. Die Ermittlungen hätten zudem gravierende Beweise für die Verwicklung staatlicher Stellen in den Sportbetrug erbracht, sagte WADA-Chefermittler McLaren.

Reaktionen auf den WADA-Bericht

Thomas Bach, Präsident des Internationalen Olympischen Komitees (IOC)

"Die Ergebnisse des Berichts zeigen einen erschreckenden und beispiellosen Angriff auf die Integrität des Sports und der Olympischen Spiele", wurde Bach in einer Stellungnahme zitiert. "Daher wird das IOC nicht zögern, die härtesten Sanktionen gegen jede beteiligte Person oder Organisation zu treffen."

Jewgeni Pluschenko, Eiskunstlauf-Olympiasieger aus Russland

Der russische Eiskunstlauf-Olympiasieger Jewgeni Pluschenko hat die Vorwürfe über staatlich gesteuertes Doping in Sotschi als unwahr kritisiert. "Ich habe niemals gedopt und bin immer fair angetreten", sagte er der Agentur Tass am Montag. Er habe niemals etwa irgendwelche Zweitlabors gesehen, beteuerte Pluschenko. Immer habe eine weitere Person überwacht, wenn er Dopingproben abgegeben habe, sagte er.

Nationale Anti-Doping-Agentur NADA

"Jede Person und jede Institution, die die Anti-Doping-Regeln der WADA missachtet, muss mit einschneidenden Konsequenzen rechnen, sonst machen international vereinbarte Regelwerke keinen Sinn", erklärte die NADA-Vorstandsvorsitzende Andrea Gotzmann. "Die NADA fordert das Internationale Olympische Komitee auf, dafür zu sorgen, dass russische Sportlerinnen und Sportler nicht zu den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro zugelassen werden."
So hart ein Ausschluss auch sei, es gehe um die fundamentalen Werte und letztendlich um die Glaubwürdigkeit des Sports insgesamt. "Der Schutz der ehrlich agierenden Athletinnen und Athleten muss oberste Priorität haben, sonst werden alle Anstrengungen hierzu ad absurdum geführt", heißt es in der NADA-Mitteilung.

Christian Baumgartner, Präsident des Bundesverbandes Deutscher Gewichtheber (BDVG)

"Wir kritisieren die Politik des IOC. Entweder ist es höchst unprofessionell, oder es geht mit Absicht so vor", sagte Baumgartner. "Wenn man nicht jetzt klare Kante zeigt, wann dann?" Baumgartner befürchtet, dass das IOC nach dem WADA-Bericht über staatlich gesteuertes Doping in Russland keine Sanktionen treffen und diese höchstens einzelnen Fachverbänden überlassen wird.

Özcan Mutlu, Sportpolitischer Sprecher der Fraktionen Grüne/Bündnis 90 im Bundestag

"Der heute veröffentlichte Bericht zur Rolle des russischen Geheimdienstes bei der Vertuschung von Doping während der Olympischen Winterspiele in Sotschi bestätigt, was klang wie ein fiktiver Agentenkrimi. Russland verhöhnte durch eine Aktivitäten in Sotschi nicht nur das weltweite Antidopingsystem, sondern tritt die Idee fairer Spiele mit Füßen", so Mutu. "Es stellt sich die Frage, ob ein solches Land durch derartige Aktivitäten seine Teilnahme an und das Recht der Austragung von sportlichen Großveranstaltungen nicht verwirkt hat."

Auch Inlandsgeheimdienst war involviert

Betroffen seien neben den Olympischen Winterspielen in Sotschi 2014 auch die Leichtathletik-WM 2013 in Moskau und die Schwimm-WM 2015 in Kasan. Das russische Sportministerium habe die Manipulationen "geleitet, kontrolliert und überwacht", sagte McLaren. Auch der russische Inlandsgeheimdienst FSB und das Trainingszentrum der russischen Top-Athleten, CSP, seien an den Betrügereien aktiv beteiligt gewesen. McLaren betonte, dass die Untersuchung unabhängig und transparent abgelaufen sei. Der Kanadier war von der WADA mit der Untersuchung betraut worden.

Putin sperrt Offizielle - und kritisiert Einmischung

Der russische Staatspräsident Putin veranlasste als Reaktion auf die Veröffentlichung des McLaren-Reports die vorläufige Suspendierung von Offiziellen, die laut des Berichts an der umfassenden Manipulation beteiligt waren. So wurde der stellvertretende Sportminister Juri Nagornich suspendiert. Der 44-Jährige werde von seinen Aufgaben entbunden, bis die WADA-Vorwürfe geklärt seien, so Regierungssprecherin Natalja Timakowa. Spekulationen, nach denen auch Sportminister Witali Mutko möglicherweise von Maßnahmen betroffen sein könnte, wies Kremlsprecher Dmitri Peskow dagegen zurück. Mutko werde im Bericht nicht als unmittelbar Beteiligter eingestuft.

Putin beklagte aber mit Verweis auf den Olympia-Boykott 1980 in Moskau, dass die aktuelle Situation ein gefährlicher Rückfall von politischer Einmischung in den Sport sei. Die Anschuldigungen gegen russische Athleten basierten aus seiner Sicht zudem auf Beweisen, die von einer Person mit miserabler Reputation stammten - dem Whistleblower Grigori Rodschenkow.

Russland will sich wehren

Russland hatte bereits vor der Vorstellung des WADA-Berichts angekündigt, sich mit allen Mitteln für eine Teilnahme seiner Sportler an den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro einzusetzen. "Es gibt ein ganzes Arsenal an legalen Mitteln für die Verteidigung der Interessen der Sportler, und Russland wird dieses Arsenal bis zum Letzten ausschöpfen", sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow am Montag in Moskau.

Russische Leichtathleten sind wegen massiver Dopingvorwürfe bereits von den Sommerspielen ausgeschlossen. Die Bekämpfung des Dopings sei eine Priorität für Russland, bekräftigte Peskow. Zugleich dürften aber nicht unschuldige Sportler für die Taten anderer bestraft werden.

Tausende Daten ausgewertet

McLaren und sein Team hatten für ihren Bericht tausende Daten und Dokumente ausgewertet, auch gelöschte Dateien seien wiederhergestellt worden, sagte McLaren. Zudem seien Interviews mit Zeugen geführt worden, auch mit Grigori Rodschenkow, dem ehemalige Chef des russischen Doping-Kontrolllabors. Er gilt als Kronzeuge und hatte die Untersuchung der WADA erst ins Rollen gebracht.

Rodschenkow, der sich inzwischen in die USA abgesetzt hat, habe sich als glaubwürdiger Zeuge erwiesen, sagte McLaren. Der Russe hatte behauptet, dass er in Sotschi positive Dopingproben russischer Athleten zusammen mit der Anti-Doping-Agentur Rusada sowie dem Geheimdienst auf Anordnung des Staates vertuscht habe. 15 der russischen Medaillengewinner in Sotschi seien gedopt gewesen.


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meinspatz, Dienstag, 19.Juli 2016, 10:46 Uhr

2. Doping UdSSR

So ganz trauen viele dem Herrn Bach nicht.

Sportler, Dienstag, 19.Juli 2016, 10:04 Uhr

1. Meinung:

Riesiges Getöse um den russischen Dopingskandal, was ist eigentlich mit dem deutschen Dopingskandal _ Uni Freiburg _.
Wo bleiben dort die Konsequenzen?
Klar, der russische Skandal passt besser in den Mainstream.