China startete Ende April 2021 eine Rakete mit dem Kernmodul für den Bau seiner Raumstation Tianhe.
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Start einer chinesischen Rakete vom Typ Langer Marsch 5B am 29. April 2021

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Chinesische Rakete könnte am Wochenende Trümmer regnen lassen

Ende April hat eine chinesische Rakete das erste Bauteil für eine neue Raumstation ins All gebracht. Jetzt sinkt sie als rasender Weltraumschrott der Erde entgegen. Wann sie in die Erdatmosphäre eintritt und wo ihre Trümmer abregnen, ist ungewiss.

Über dieses Thema berichtet: IQ - Wissenschaft und Forschung am .

Sie ist vermutlich der ganze Stolz moderner chinesischer Raumfahrt: die riesige Trägerrakete vom Typ Langer Marsch 5B, die neueste Rakete Chinas. Bis zu 20 Tonnen Last kann sie tragen - und genau dafür ist sie auch konstruiert worden: Sie brachte am 29. April 2021 das erste Modul der zukünftigen chinesischen Raumstation Tianhe ins Weltall.

Große Antriebsstufe mit hoher Geschwindigkeit unterwegs

Doch außer seiner Größe und Kraft hat dieser neue Raketentypus noch eine Besonderheit: Die etwa 30 Meter lange und 20 Tonnen schwere Antriebsstufe von Langer Marsch 5B wird nicht, wie sonst bei Raketen üblich, frühzeitig abgetrennt, sondern bringt ihre Fracht bis in den Erdorbit und ist dort dann selbst mit hoher Geschwindigkeit unterwegs.

Wiedereintritt nicht berechenbar

Das Problem: Diese große Raketenstufe bleibt nicht dort, sondern kehrt wieder zur Erde zurück, angezogen von der Erdanziehung (Gravitationskraft). Und das leider völlig unkontrolliert. Zwar wird das Stück Weltraumschrott jetzt unter dem Namen 2021-035B getrackt und seine Flugbahn genau verfolgt, doch wann und wo der Eintritt in die Erdatmosphäre genau erfolgen wird, weiß niemand.

Deutschland nicht im Risikogebiet

Raumfahrtexperten schätzen, dass die Raketenreste schon am Wochenende oder am Montag in die Erdatmosphäre eintreten werden. Deutschland ist dabei aus der Schusslinie: Berechnungen zufolge erfolgt der Wiedereintritt irgendwo über dem Gebiet zwischen dem 41. Breitengrad Nord und dem 41. Breitengrad Süd.

Der harte Ritt durch die Erdatmosphäre

Der Wiedereintritt in die Erdatmosphäre ist heftig: Wenn so schnelle Objekte wie Raketenreste auf die Erdatmosphäre treffen, zerbersten sie in unzählige Teile. Die meisten davon verglühen durch die enorme Reibungshitze einfach - wie eine Sternschnuppe. Doch einzelne Trümmer - 20 bis 40 Prozent einer Rakete, schätzt ein Experte der Europäischen Raumfahrtagentur ESA, verglühen nicht, sondern gehen als Trümmerregen nieder.

Auch das ist meist kein Problem, denn mit hoher Wahrscheinlichkeit treffen die Trümmer auf Wasser oder unbewohntes Land, schlicht, weil das den größten Teil der Erdoberfläche ausmacht. Mit diesen Argumenten versucht auch das chinesische Staatsfernsehen gerade zu beschwichtigen, nachdem aus den USA Warnungen vor der herabstürzenden Rakete kamen.

Langer Marsch 5B - Nur eine von vielen Raketen?

Regnen nicht häufig die übrig gebliebenen Bruchteile von Raketenstufen auf die Erdoberfläche nieder? Ja, tun sie. Rund 100 Tonnen Raketenreste im Jahr, schätzt Holger Krag von der ESA in einem Interview mit spacenews.com. Wo ist dann das Problem beim Raketenrest vom Langen Marsch 5B?

Kontrollierter Wiedereintritt der Raketenstufe? Fehlanzeige!

Raketen sind üblicherweise aus verschiedenen Stufen aufgebaut, die nach einem Start nacheinander abgetrennt werden. Die Antriebsstufe, der Teil mit den Düsen und Tanks, löst sich normalerweise lange vor Erreichen des Erdorbits und kehrt dann auf einer gut berechenbaren Flugbahn zum Erdboden zurück und zwar möglichst in die vorher definierte Wiedereintrittszone. Die weiteren Stufen, die den Erdorbit erreichen, sind weitaus kleiner. Und auch bei diesen versucht man, unkontrollierte Wiedereintritte in die Erdatmosphäre zu verhindern, indem diese Stufen mit eigenen Antriebsdüsen ausgerüstet sind und der Wiedereintritt möglichst gezielt verläuft.

Die Antriebsstufe beim neuen chinesischen Raketentyp Langer Marsch 5B dagegen stürzt völlig unkontrolliert der Erde entgegen. Sie hat kein Antriebssystem zur Steuerung mehr, so dass es dem Zufall überlassen bleibt, wo ihre Trümmer am Ende landen. Und es könnten weitaus massivere Trümmer darunter sein als üblich, da gerade Antriebsdüsen und Tank ja dafür gemacht sind, hitzebeständig zu sein. Sie werden nicht so leicht verglühen.

Schlechte Erfahrungen beim ersten Testflug von Langer Marsch 5B

Das hat leider auch der erste Testflug einer Rakete vom Typ Langer Marsch 5B gezeigt: Nach ihrem Start im Mai 2020 regneten die Trümmer nach dem Wiedereintritt in die Erdatmosphäre zwar - ganz der Wahrscheinlichkeit entsprechend - größtenteils über Wasser ab, doch nicht alle: Sie beschädigten Häuser im afrikanischen Staat Elfenbeinküste.

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