7.11.2022: Protest in München
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7.11.2022: Protest in München

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Bundestag diskutiert über härtere Strafen für Klimaaktivisten

Sie kleben sich auf Straßen fest und übergießen Kunstwerke mit Brei: Sollen extreme Protestierer härter bestraft werden? Die Unionsfraktion ist dafür und brachte einen Antrag im Bundestag ein. Regierungsparteien kritisieren dies als Populismus.

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Sollen Straßenblockierer wie von der Gruppe "Letzte Generation" härter bestraft werden? Die CDU/CSU-Fraktion im Bundestag findet: ja. Nun befasste sich das Parlament erstmals mit einem von der Fraktion eingebrachten Antrag mit dem Titel "Straßenblockierer und Museumsrandalierer härter bestrafen – Menschen und Kulturgüter vor radikalem Protest schützen". Die Vorlage soll nach der Ersten Lesung in den Ausschüssen beraten werden.

Dobrindt spricht von Klima-RAF

CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt hatte in den vergangenen Tagen gar vor einer Klima-RAF gewarnt – und wurde für die Aussagen scharf kritisiert. Irene Mihalic, parlamentarische Geschäftsführerin der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen, warf dem Politiker nun eine Verharmlosung von Terrorismus-Opfern vor.

CDU/CSU fordert höhere Strafen

Die Aktivistinnen und Aktivisten hatten in den vergangenen Wochen unter anderem Straßen blockiert und in Museen Kunstwerke attackiert. Die CDU/CSU-Fraktion fordert in ihrem Antrag die Bundesregierung unter anderem dazu auf, den Strafrahmen des Gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr (Paragraf 315 StGB) von drei Monaten bis zu fünf Jahren anzuheben, "um die besondere Gefährlichkeit der Straßenblockaden angemessen zu ahnden".

Zudem solle unter anderem der Tatbestand so ausgestaltet werden, "dass die Täter bereits dann bestraft werden, wenn die Blockade dazu geeignet ist, Leib und Leben eines Menschen zu gefährden, und die Täter nur billigend in Kauf nehmen, dass Rettungsdienste nicht zu Unfallopfern durchkommen".

In Bayern sitzen mehrere Aktivisten der Klimagruppe "Letzte Generation" nach Straßenblockaden für 30 Tage in Präventionsgewahrsam - "zur Verhinderung weiterer angekündigter Blockadeaktionen und Straftaten". Das ist die maximale Dauer des vorbeugenden Freiheitsentzugs, die das bayerische Polizeiaufgabengesetz vorsieht.

  • Zum Artikel: Sitzblockaden fürs Klima: Freiheit und Grenzen im Rechtsstaat

Museen sollen keine "Hochsicherheitstrakte" werden

Günter Krings (CDU), rechtspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag, betonte, man sehe eine "neue Dimension" strafwürdiger Aktionen. Die Demonstrationsfreiheit sei ein hohes Gut, aber "kein Freibrief, um andere in Geiselhaft" zu nehmen. Museen sollten zudem offene Orte bleiben und nicht "in Hochsicherheitstrakte" umgewandelt werden müssen, sagte er mit Verweis auf Attacken auf Kunstwerke.

Die AfD sprach von "Klimaterrorismus in seiner reinsten Form". Clara Bünger von dem Linken forderte die Bundesregierung auf, statt alle Klima-Proteste in Frage zu stellen, endlich Maßnahmen zu ergreifen, um den Klimawandel zu stoppen.

SPD: Keine Notwendigkeit für Strafverschärfungen

Politiker der Ampel-Koalition wiesen auf die dringenden Fragen des Klimawandels hin, verurteilten aber extreme Proteste scharf. Sonja Eichwede, rechtspolitische Sprecherin der SPD, kritisierte die Aktionen der "Letzten Generation". Dies habe nichts mit Klimaschutz zu tun. Dennoch sieht die frühere Strafrichterin keine Notwendigkeit für eine Strafverschärfungen. Es sei bereits lange wissenschaftlich belegt, dass härtere Strafen nicht abschreckten. Dies sei ein populistischer Ruf, der keine weiteren Straftaten verhindere, sondern lediglich den Eindruck vermittle, dass der Rechtsstaat nicht handeln könne. Das sei falsch und fahrlässig.

Auch Grünen-Rechtsexperte Helge Limburg betonte: "Vertrauen wir doch auf den Rechtsstaat." Grünen-Fraktionsgeschäftsführerin Mihalic sagte: "Sie haben ja geradezu nach einer Gelegenheit gesucht, von Ihrem eigenen Scheitern in der Klimapolitik ablenken zu können, indem Sie jetzt nicht nur die Letzte Generation, sondern gleich die gesamte Klimaschutzbewegung diffamieren." Konstantin Kuhle (FDP), beklagte zudem, dass extreme Klimaprotest-Formen dazu führten, dass sich die gesellschaftliche Mitte vom Klimaschutz abwende.

Buschmann will nicht mit Aktivisten der "Letzten Generation" sprechen

Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) wies unterdessen die Forderung von Klimaaktivisten nach Gesprächen mit der Bundesregierung zurück. "Die 'Letzte Generation' demonstriert, das ist ihr gutes Recht", sagte er im Inforadio des Rundfunks Berlin-Brandenburg (RBB). Gleichzeitig verletze die Bewegung aber Rechte Dritter und das Strafrecht. Das sei "keine Grundlage für ein Gespräch", betonte Buschmann. Die Bundesregierung könne Rechtsverstöße nicht im Nachhinein legitimieren, indem sie auf derartige Gesprächseinladungen eingehe.

Buschmann sprach sich zugleich gegen schärfere Strafen für Klimaaktivisten aus. Zunächst müssten Gerichte prüfen, ob sich aus der Blockade der A100, durch die ein Bergungsfahrzeug der Berliner Feuerwehr auf seiner Einsatzfahrt zu einem schweren Unfall im Ortsteil Wilmersdorf im Stau stand, ein strafbarer Vorwurf herleiten lasse. Es müsse insbesondere geklärt werden, ob ein "Fahrlässigkeitszusammenhang" vorliege. Bei dem Unfall war am 31. Oktober eine Radfahrerin von einem Betonmischer überfahren worden. Die 44-Jährige starb wenige Tage später im Krankenhaus. Im Abschlussbericht der Feuerwehr wurden gegen die Klimaaktivisten übereinstimmenden Medienberichten zufolge schwere Vorwürfe erhoben.

Die "Letzte Generation" hatte Mitglieder der Bundesregierung für Donnerstag zu einem Gespräch in Berlin eingeladen. Die Klimaaktivisten verlangen Verhandlungen über ein Tempolimit auf Autobahnen sowie ein 9-Euro-Ticket im Nahverkehr. Für diesen Fall stellten sie eine Beendigung der Proteste in Aussicht.

Auch Kirchen diskutieren Proteste

Auch außerhalb des Bundestags geht die Diskussion über die Proteste weiter: Der Münchner Kardinal Reinhard Marx erklärte, dass er bestimmte Formen des Protests gegen die Klimaerwärmung missbillige. Zum Abschluss des Herbsttreffens der bayerischen Bischöfe hob Marx hervor, dass Demonstrationen gewaltfrei sein müssten und andere nicht an ihrer Bewegungsfreiheit hindern sollten. Nicht in Ordnung sei, wenn dabei andere gefährdet oder undemokratische Parolen geäußert würden. "Keinerlei Verständnis" habe er für die Zerstörung von Kunstwerken, betonte Marx.

Der zum Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) gehörende CDU-Politiker Thomas Rachel warnte seine Kirche davor, die Methoden der "Letzten Generation" zu legitimieren. "Kirche kann Gesprächsraum für unterschiedliche Meinungen schaffen", erklärte Rachel nach Ende der EKD-Synodentagung, zu der eine Vertreterin der umstrittenen Bewegung eingeladen war, in einer am Mittwochabend verbreiteten Stellungnahme.

Die EKD dürfe aber nicht Straßenblockaden legitimieren. "Es ist eben nicht akzeptierbar, wenn durch Straßenblockaden in die Freiheit von anderen Menschen eingriffen wird", erklärte der Bundestagsabgeordnete. Die Diskussion und die Entscheidung über auch strittige politische Themen müssten im Rahmen des Grundgesetzes und der geltenden Gesetze stattfinden.

Mit Material von epd, dpa, KNA.

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