Nathalia Mieth vor dem Eingang zum Hort.
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Nathalia Mieth ist verzweifelt. 21 Familien stehen in Krailling auf der Warteliste für einen Hortplatz.

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Verzweifelte Eltern: Plätze für die Ganztagsbetreuung fehlen

In vielen bayerischen Familien herrscht derzeit Verzweiflung: Ihr Grundschulkind hat keinen Platz bekommen für die Ganztagsbetreuung. Es fehlt an Geld, Räumen und Fachkräften. Viele Eltern wissen nicht, wie es ab September weitergehen soll.

Über dieses Thema berichtet: Mittags in Oberbayern am .

Viele Eltern warten in Bayern auf einen Platz in der Ganztagesbetreuung – und wissen nicht weiter, wenn im September das neue Schuljahr anfangen soll. Dabei soll es ab 2026 in Bayern einen Rechtsanspruch geben für die Ganztagesbetreuung. Doch wie soll das funktionieren? Es fehlt schon jetzt an Geld, Räumen und Fachkräften.

Mutter spricht von "Vollkatastrophe"

Auch Nathalia Mieth ist verzweifelt. Die junge Mutter aus Krailling im Landkreis Starnberg spricht von einer "Vollkatastrophe", die ganze Familie hänge in der Schwebe. Denn sie ist eine der insgesamt 21 Familien, die allein in Krailling auf der Warteliste stehen für einen Platz im Hort oder in der Mittagsbetreuung.

Und bei Familie Mieth hängt viel an diesem Ganztagsplatz. Der jüngere Sohn hat nach langem Bangen und Hoffen einen Platz in der Krippe gekriegt. "Das ist ein Integrationsplatz, er bekommt da Frühförderung durch die Heilpädagogin", erzählt Mieth. Auch um diesen Platz mussten sie zittern. Und um ihn finanzieren zu können, muss auch die Mutter arbeiten. Das Gehalt des Vaters allein reicht nicht aus.

Zwei Stunden Arbeit am Vormittag – zu wenig

Doch das wird nicht möglich sein. Denn der Erstklässler, ihr älterer Sohn, kommt jeden Tag zwischen 11 und 12 Uhr nach Hause. Nur zwei Stunden am Vormittag kann Nathalia Mieth ihren Job in der Apotheke nicht ausüben.

Familie Mieth steht auf der Warteliste für die Mittagsbetreuung und den Hort, doch "uns wurde wenig Hoffnung gemacht, dass da jemand abspringen wird", erzählt die verzweifelte Mutter. "Ich bin auch eine Fachkraft, ich fehle ja auch in meiner Branche, wenn ich nicht arbeiten gehe. Viele Frauen haben gut bezahlte Posten und möchten die nicht einfach aufgeben." Andere Familien bräuchten dringend zwei Einkommen, um das Haus oder die Wohnung abbezahlen zu können.

130.000 Plätze für die Ganztagsbetreuung fehlen

Bayerns Sozialministerium weiß: Die Nachfrage nach Ganztagesbetreuung steigt kontinuierlich, sowohl prozentual als auch in absoluten Zahlen. Im Schuljahr 2021/22 hatten rund 54 Prozent der Grundschulkinder einen Platz in der Ganztagesbetreuung. Bis 2028 rechnet das Sozialministerium mit einem Bedarf von 80 Prozent. Das bedeutet: Rund 130.000 neue Plätze müssten in den nächsten fünf Jahren geschaffen werden. Wie soll das gehen?

"Schwer realisierbar", "extreme Mangelverwaltung"

"Eine enorme Herausforderung", finden die Verantwortlichen im Landkreis Schwandorf, "schwer realisierbar", heißt es aus Weiden in der Oberpfalz, "ein großer Kraftakt für die Kommunen" aus Traunstein. Personal, Räume, Geld fehle ja jetzt schon an allen Ecken und Enden.

Jan Lang ist Geschäftsführer des BRK Starnberg, das unter anderem den Hort in Krailling betreibt. Er blicke mit Schrecken auf die nächsten fünf bis zehn Jahre, sagt er. In der derzeitigen Situation mit Personalmangel und fehlendem Geld gebe es schon jetzt eine "extreme Mangelverwaltung".

Ausweichende Antworten von Ministerin Scharf

Die bayerische Sozialministerin Ulrike Scharf (CSU) ist sich des Problems bewusst. Sie spricht davon, dass "alle sensibilisiert sind", "jeder seinen Beitrag leisten muss" und es "einen engen Schulterschluss zwischen allen Playern" braucht. Die Fachkräftegewinnung sei das Entscheidende und alle Hebel sollen in Bewegung gesetzt werden. Konkrete Ideen? Dazu gibt es nur ausweichende Antworten der Ministerin.

Selbsthilfe vor Ort?

Nicht nur in Krailling fühlen sich derzeit viele allein gelassen: die Eltern von der Gemeinde, der Bürgermeister vom Freistaat und auch dem Bund. Jan Lang vom BRK arbeitet eng mit der Gemeinde zusammen. Er hat durchaus konkrete Ideen, was so bald wie möglich passieren muss, damit das Ruder doch noch herumgerissen werden kann.

Lang zählt Ansätze auf: Pilotprojekte wie Mini-Kitas oder Akademien, mehr Aus- und Weiterbildung, eine Verbesserung der Finanzierung und eine Erleichterung der Anerkennung von Quereinsteigern oder ausländisch Qualifizierten.

Wie geht's im September weiter?

Bis September wird das aber alles nicht umzusetzen sein. Nathalia Mieth sagt, für sie gibt es derzeit gar keine Lösung. Ihre und die 20 anderen Familien, die keinen Platz für die Ganztagesbetreuung bekommen haben, warten. Und sie hoffen, dass sich vielleicht doch noch zwei Erzieherinnen finden. Dann könnte im Kraillinger Hort nämlich eine neue Gruppe aufgemacht werden. Das würde bedeuten: Alle 21 Kinder von der Warteliste hätten dann doch noch einen Platz. Denn die Räumlichkeiten sind – zumindest in Krailling – vorhanden.

Viele Eltern in Bayern sind verzweifelt, weil sie keinen Platz für ihre Grundschulkinder in der Ganztagesbetreuung bekommen haben.
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Viele Eltern in Bayern sind verzweifelt, weil sie keinen Platz für ihre Grundschulkinder in der Ganztagesbetreuung bekommen haben.

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