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Wenn sich Friedrich Mülln auf seinem Laptop Bilder aus Schlachthöfen ansieht, spricht er von Arbeitssklaverei. Vor den Schlachthöfen stehen heruntergekommene Wohnwägen. Dort schlafen die Mitarbeiter, nachdem sie einen Zwölfstundentag hinter sich haben. "Ich habe gesehen, wie die Leute in völlig heruntergekommenen Häusern ohne fließend Wasser und oft nur mit einem Klo regelrecht gehalten werden“, erzählt Mülln, der bei der Tierschutzorganisation und Aktivisten der "Soko Tierschutz" arbeitet.
Auf den Aufnahmen, die alle heimlich gemacht wurden, ist auch zu sehen, wie Mitarbeiter Schweine und Rinder mit Elektroschockern und Starkstromzangen malträtieren.
"Die Arbeiter sind unter Druck und unter Stress und sie geben den Stress an die Tiere weiter. Die machen die Drecksarbeit für die deutsche Fleischindustrie und ich habe Zweifel, ob sich das ändern wird", sagt Mülln. Er verstärkt das mit einem Vergleich: "Die Fleischindustrie ist von diesen Billigarbeitern abhängig wie ein Junkie von seinem Heroin."
Faktisch gehören Werkverträge in Fleischfabriken seit Jahresbeginn der Vergangenheit an. Mit strengeren Kontrollen und höheren Bußgeldern will man Zuständen, wie sie Corona in mehreren Schlachtbetrieben zutage gefördert hat, einen Riegel vorschieben. Die Verschärfung des Arbeitsschutzgesetzes gilt für das Schlachten und Zerlegen in Großbetrieben.
Grund für die Verschärfung waren die vielen Corona-Fälle in der Branche im vergangenen Jahr. Bußgelder wurden nun auf bis zu 30.000 Euro verdoppelt, auch Subunternehmen sind seit diesem Jahr verboten. Zudem sollen die Arbeitsschutzbehörden häufiger und mehr Betriebe kontrollieren, in jedem Bundesland mindestens fünf Prozent der Fabriken. Die Arbeitszeiten müssen künftig elektronisch erfasst werden.
Sechzehnstunden-Tage und beengtes Wohnen in Gemeinschaftsunterkünften würden nicht länger akzeptiert, hatte Bundesarbeitsminister Hubertus Heil im Juli 2020 versprochen. "Wir beenden vor allen die organisierte Verantwortungslosigkeit in dieser Branche", so Heil.
Allerdings bleiben Leiharbeiter übergangsweise erlaubt, um beispielsweise Produktionsspitzen während der Grillsaison abzufedern. Außerdem dürfen sie in kleineren Handwerksbetrieben, die weniger als fünfzig Beschäftige haben, weiterarbeiten.
Der Bayerische Metzgerei-Innungsmeister Konrad Ammon sagt, Handwerksbetriebe seien nicht vergleichbar mit der großen Schlachtindustrie. Ammon ist selbst Besitzer eines Metzgerschlachthofs in Fürth. Dort würden ausschließlich ausgebildete deutsche Metzgergesellen und Metzgermeister an den Fließbändern stehen. "Wir in Bayern sind da etwas auf der Insel der Glückseeligen. Bei uns gibt es noch die kurzen Wege zwischen Landwirt und Schlachter."
Zudem sei Bayern kleiner strukturiert: "Wir haben die meisten selbst schlachtenden Handwerksmetzger im ganzen Bundesgebiet", so Ammon. Ausprägungen wie bei der Großschlachterei Tönnies gebe es im bayerischen Metzgereihandwerk nicht: "Mir ist nicht bekannt, dass ein Handwerksmetzger aufgrund von diesen Missständen seine Schlachtung einstellen musste."
Während industrielle Betriebe wie Tönnies beispielsweise bis zu 30.000 Schweine am Tag schlachten, seien es in seinem Betriebe 1.000 in der Woche. Natürlich gebe es auch in Bayern große Schlachtbetriebe, so Ammon, aber mehr als die Hälfte der Metzgereien in Bayern würde noch selber schlachten.
Die Aktivisten der SOKO Tierschutz, hinter der keine öffentliche Behörde steht, hingegen ist sich sicher, dass die Probleme der großen industriellen Schlachtfabriken nicht bei kleineren Betrieben enden. "Eine der schlimmsten Aufdeckungen hatten wir genau in solchen Betrieben, beim Metzger um die Ecke, beim Schlachtbetrieb des Vertrauens", so Friedrich Mülln.
Mülln kritisiert die Ausnahmeregelung für kleine Betriebe. Ihm zufolge "lasse es tief blicken", dass die kleineren Schlachthöfe mit der Politik verhandelt hätten und nun von der Regelung ausgenommen seien. "Es muss klar sein, wenn jemand Arbeitssklaven hält, dann muss diese Person nicht über Los, sondern direkt ins Gefängnis."
Auch die Höhe der Bußgelder findet Friedrich Mölln nicht angemessen. Ein Maximalsatz von 30.000 Euro würde manchen Großschlachter "nicht mal jucken, wenn man bedenkt, dass mancher acht Milliarden Euro Umsatz macht", so Mölln.
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Rundschau vom 03.01.2021 - 16:00 Uhr
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