Symbolbild: Photovoltaik- und Windkraftanlagen
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Eine BR24-Datenanalyse zeigt: In Bayern ist sowohl bei Windkraft als auch bei Solarenergie noch einiges an Potenzial da.

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Daten-Analyse: Wieviel erneuerbare Energie steckt in Bayern?

Wer hat mehr Windräder oder Solarparks? In der Energiekrise ist dieser Wettkampf voll entbrannt. Vergessen wird oft etwas viel Entscheidenderes: Wieviel Potential gibt es – in Bayern beispielsweise? Wir haben die Daten analysiert.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im BR Fernsehen am .

In Niederbayern stammen rund 91 Prozent des Gesamtstromverbrauchs aus erneuerbaren Energien – dieser Anteil ist größer als in allen anderen bayerischen Regierungsbezirken. "In Niederbayern ist insbesondere die Photovoltaik sehr weit ausgebaut. Die Landwirte haben das schon früh als Möglichkeit erkannt und große Freiflächen-Photovoltaikanlagen und Anlagen auf Gebäuden und Scheunen errichtet", erklärt Tobias Schmid von der Forschungsstelle für Energiewirtschaft (FfE).

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Auf Landkreisebene ist Rottal-Inn Spitzenreiter. Dieser Landkreis verzeichnet einen Anteil der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energiequellen von 261 Prozent am Gesamtstromverbrauch des Landkreises. Ein Anteil von über 100 Prozent bedeutet, dass der Landkreis mehr Strom aus erneuerbaren Energien erzeugt, als er eigentlich verbraucht.

Das lässt sich in Rottal-Inn so erklären: Dort befinden sich insgesamt 83 Wasserkraftwerke. Hinzu kommt auch hier der hohe Anteil an Solarstrom durch Photovoltaikanlagen. Den meisten Strom aus erneuerbaren Energien - unabhängig vom Verbrauch - produziert Altötting in Oberbayern. Oberbayern ist der Regierungsbezirk, der absolut den meisten Strom gewinnt. Allerdings ist es auch der mit Abstand größte Regierungsbezirk.

Grafik: Stromproduktion aus erneuerbaren Energien in Bayern

In dieser interaktiven Grafik können Sie sich die absolute Stromproduktion je Regierungsbezirk und die Stromproduktion pro Quadratmeter-Fläche ansehen.

Städte decken nur geringen Anteil durch erneuerbare Energien ab

Deutlich schlechter schneiden Bayerns Städte ab. In München beispielsweise liegt der Anteil der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energiequellen am Gesamtstromverbrauch bei zwei Prozent. In Nürnberg sind es vier. Die Städte verbrauchen also deutlich mehr Strom, als sie aus erneuerbaren Energien produzieren.

Die Daten stammen aus dem Energie-Atlas Bayern und dem darin veröffentlichtem "Mischpult – Energiemix Bayern vor Ort". Das Mischpult soll es Kommunen ermöglichen, herauszufinden, wie weit sie bei der Umsetzung der Energiewende bereits sind. Es soll auch Aufschluss darüber geben, wie eine interkommunale Zusammenarbeit aussehen könnte.

Bayernkarte: Wieviel des gesamten Stromverbrauchs könnte bereits jetzt durch eigene erneuerbare Energie gedeckt werden?

Entdecken Sie in dieser interaktiven Karte, welchen Anteil an ihrem gesamten Stromverbrauch die Landkreise und Regierungsbezirke durch erneuerbare Energien aus dem eigenen Gebiet bereits jetzt abdecken könnten:

Ländlicher Raum sollte Potenzial laut Experten voll ausschöpfen

Insgesamt kommen 21 von 96 Landkreisen und kreisfreien Städten in Bayern auf einen Wert von über 100 Prozent erneuerbare Energien am Gesamtstromverbrauch. Sie können also Strom in benachbarte Gebiete exportieren. "Gerade der ländliche Raum darf nicht bei 100 Prozent aufhören – sonst haben wir zum Beispiel in München ein Problem. Im ländlichen Raum muss das Ziel sein, das Vierfache, Fünffache, Sechsfache an Strom zu erzeugen, das man selbst braucht", sagt Schmid, der sich für die FfE mit den Potenzialen der erneuerbaren Energien beschäftigt. "In den Städten muss alles genutzt werden, was geht. Vor allem die Dachflächen müssen aktiviert werden."

Nach aktuellen Schätzungen des Bayerischen Landesamts für Statistik betrug der Anteil der erneuerbaren Energien an der Bruttostromerzeugung in Bayern 2021 rund 50 Prozent. Den mit 35 Prozent größten Anteil machte Photovoltaik-Strom aus. Die durchschnittliche Sonneneinstrahlung ist in Bayern höher als im Rest Deutschlands. Deshalb erzielen Photovoltaikanlagen entsprechend hohe Erträge. Andere Faktoren, wie ein zu niedriges Windaufkommen, schränken dagegen das Potenzial der Windenergie ein.

Windkraft in Bayern noch stark ausbaufähig

Die gute Nachricht: Das Potenzial in Bayern für den Ausbau erneuerbarer Energien ist noch lange nicht ausgeschöpft – vor allem im Bereich Windenergie. Ein Extrembeispiel: In der Gemeinde Pfaffenhofen an der Glonn im oberbayerischen Landkreis Dachau gibt es derzeit kein Windrad. Eines soll 2025 errichtet werden. Ein stärkerer Ausbau wäre aber durchaus möglich.

Der Energie-Atlas zeigt, dass Pfaffenhofen an der Glonn statt aktuell null Prozent ihres Stromverbrauchs sogar 1.332 Prozent aus Windkraftanlagen gewinnen könnte. Das bedeutet, Pfaffenhofen an der Glonn könnte nicht nur sich selbst, sondern auch die umliegenden Gemeinden mit Strom aus Windkraft versorgen. Das "technische Potenzial" - also die theoretisch mögliche Menge an produziertem Strom - liegt bei 75.446 Megawattstunden pro Jahr. Dafür wären 13 Windräder auf einer Fläche von 183 Hektar notwendig. Insgesamt umfasst die Gemeinde knapp 2.090 Hektar.

Beim "technischen Potenzial" handelt es sich um einen theoretischen Rechenwert aus dem Energie-Atlas Bayern. Um das Potenzial nicht zu überschätzen, werden auch wirtschaftliche Faktoren in die Berechnungen mit einbezogen. Fachleute gehen davon aus, dass das tatsächlich umsetzbare Potenzial deutlich niedriger liegt.

Anhand der technischen Potenziale können Gemeinden und Landkreise aber ihre Chancen und Möglichkeiten bei ihnen vor der Haustür abschätzen und Szenarien entwickeln, die die Gegebenheiten vor Ort, präferierte Technologien, Wirtschaftlichkeit und weitere subjektive Einschätzungen berücksichtigen. "Es muss immer eine Einzelfallprüfung geben", bestätigt Tobias Schmid. Und da kommen viele andere Aspekte ins Spiel: "Es kann immer sein, dass in den Gebieten der Naturschutz greift oder geographische Gegebenheiten den Schall so fokussieren, dass die Anlagen zu laut wären."

Die Oberpfalz könnte sich selbst mit erneuerbaren Energien versorgen

Auf Basis der Daten des Energie-Atlas hat Schwaben das höchste technische Potenzial bei der Energiegewinnung durch Windenergieanlagen. Die Berechnungen des Windpotenzials stammen aus Erhebungen von 2016.

Das höchste technische Potenzial gemessen am Stromverbrauch hat die Oberpfalz. "Die Oberpfalz hat im Vergleich mit den anderen Regierungsbezirken die höchsten Windgeschwindigkeiten und damit den besten Ertrag für die Windenergieanlagen", sagt Schmid. "Außerdem ist die Oberpfalz nicht sehr dicht besiedelt." Dadurch können Abstände zu Gemeinden besser eingehalten werden. Gleichzeitig liegt so der Stromverbrauch pro Quadratmeter Fläche niedriger als im Rest Bayerns.

Bayernkarte: Technisches Erzeugungspotenzial von Windkraftanlagen

Entdecken Sie in dieser interaktiven Karte, wie viel Strom die Landkreise und Regierungsbezirke durch Windkraftanlagen potenziell erzeugen könnten:

In der Oberpfalz betrug der Anteil der Windkraft am Stromverbrauch 2020 zehn Prozent. Würde das komplette technische Potenzial ausgeschöpft werden, könnte dieser Beitrag der Windkraft auf 144 Prozent des oberpfälzischen Stromverbrauchs steigen. Dafür wären statt 129 großen Windkraftanlagen 1.315 notwendig, also mehr als es derzeit in ganz Bayern gibt. Bisher schlägt jedoch niemand einen so weitgehenden Ausbau vor.

Wo ist eigentlich Platz für Windräder?

Für die Standortsuche werden alle Flächen abgezogen, die mit Sicherheit nicht in Frage kommen, also zum Beispiel Siedlungen, Straßen, Vogelschutzgebiete, Gewässer oder Gelände mit einer zu starken Hangneigung.

Bisher schränkte auch die 10H-Regelung den Ausbau ein. Das bedeutet: Windkraftanlagen mussten mindestens einen Abstand von zehn Mal der eigenen Höhe zu Wohngebäuden aufweisen, sofern Kommunen und Bürger vor Ort nichts Anderes beschließen. Bei modernen Anlagen sind das meist über 2.000 Meter Entfernung.

Im Oktober beschloss der Bayerische Landtag allerdings eine Teillockerung der Regel beispielsweise für Waldflächen. Durch das im Bundestag verabschiedete Wind-an-Land-Gesetz werden künftig jedoch in Windkraft-Vorranggebieten die pauschalen bayerischen Abstandsregeln außer Kraft gesetzt. Solche Vorranggebiete müssen innerhalb des nächsten Jahrzehnts auf mindestens 1,8 Prozent der Landesfläche Bayerns ausgewiesen werden.

Ende der 10H-Regel macht mehr Waldflächen nutzbar

Bayerns Potenzial im Bereich Windkraft würde sich ohne 10H-Regel deutlich erhöhen. Dazu ein Gedankenexperiment der Denkfabrik Agora Energiewende und des Forschungsinstituts Reiner Lemoine: In ihrem Web-Tool "Photovoltaik- und Windflächenrechner" können sich Interessierte, die theoretisch für Windenergieanlagen geeigneten Freiflächen - also Potenzialflächen - anzeigen lassen, unabhängig von der Wirtschaftlichkeit der Anlagen. Die Forschenden errechneten eine Potenzialfläche für Windenergie in Bayern von 1.864 Quadratkilometern, wenn der Mindestabstand zu Siedlungen auf 1.000 Meter begrenzt wird. Addiert man nun noch Wälder und Landschaftsschutzgebiete, erhöht sich diese Fläche in Bayern auf 7.086 Quadratkilometer.

Demnach wären zehn Prozent der Gesamtfläche des Freistaats für den Ausbau von Windenergie geeignet. In Bayern hätten also Windräder mit einer installierten Leistung von rund 150 Gigawatt Platz, bei einer durchschnittlichen Leistung von drei Megawatt pro neugebautem Windrad also 50.000.

Aktuell gibt es in ganz Bayern rund 1.100 große Windenergieanlagen mit einer installierten Leistung von gut 2,5 Gigawatt. Die installierte Leistung ist die maximale Leistung der Kraftwerke. "Bayern ist ein Flächenstaat. Dementsprechend haben wir viele Möglichkeiten, diese Flächen für den Ausbau erneuerbarer Energien zu nutzen", sagt Tobias Schmid, schränkt aber die utopischen Annahmen der Denkfabrik ein: "Nicht alle Flächen kommen nach einer Einzelfallprüfung wirklich in Frage. Eine installierte Leistung von zehn Gigawatt ist realistisch."

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Potenzialflächen für Windenergieanlagen

Sonnenenergie: Für Bayern die beste Chance

Ein weiterer wichtiger Energielieferant ist die Sonne. Um zu analysieren, was im Bereich der Sonnenenergie möglich ist, berechnet auch hier der Energie-Atlas, was "in Bayern" steckt. Zunächst muss zwischen Photovoltaikanlagen auf Frei- und Dachflächen unterschieden werden. Deshalb betrachtet auch das darin veröffentlichte "Mischpult – Energiemix Bayern vor Ort" die Potenziale einzeln. Schwaben weist das höchste technische Potenzial für Strom aus Photovoltaikanlagen auf Freiflächen auf, gefolgt von Oberbayern.

Das höchste technische Potenzial für Strom aus Photovoltaikanlagen auf Dachflächen hat Oberbayern. Würden alle Regierungsbezirke ihre theoretischen Möglichkeiten für Solaranlagen auf Frei- und Dachflächen ausschöpfen, könnte in Bayern der Anteil der erneuerbaren Energien am Stromverbrauch um 66 Prozentpunkte auf 121 Prozent steigen. Wie auch bei der Windenergie ist davon auszugehen, dass das tatsächlich umsetzbare Potenzial niedriger liegt.

Bayernkarte: Technisches Erzeugungspotenzial von Photovoltaikanlagen

Entdecken Sie in dieser interaktiven Karte, wie viel Strom die Landkreise und Regierungsbezirke durch Photovoltaikanlagen auf Dach- oder Freiflächen potenziell erzeugen könnten:

Photovoltaikanlagen: Genug Platz in Bayern

Wie viel Platz für Photovoltaikanlagen auf Freiflächen sein könnte, lässt sich ebenfalls aus dem Potenzialflächen-Rechner des Reiner Lemoine Institut entnehmen.

Für die Berechnungen der Fläche, auf denen solche Anlagen aufgestellt werden können, gelten in erster Linie die gleichen Ausschlusskriterien wie auch bei der Windenergie. Ausgeschlossen sind Siedlungen und Infrastruktur oder Gewässer. Um Wälder wurde zusätzlich ein Mindestabstand von 100 Metern eingehalten, da der Schatten der Bäume die Stromproduktion einschränken kann. Anders als bei Windkraftanlagen muss bei Freiflächen-Photovoltaikanlagen aber kein Mindestabstand zu Gemeinden eingehalten werden.

Im Rechner können zudem die Gebiete ausgeschlossen werden, die durch das EEG 2021 nicht förderungsfähig waren, um die derzeitigen Bedingungen des EEG widerzuspiegeln.

Werden nun all diese Flächen, unabhängig von der tatsächlichen Sonneneinstrahlung, ausgeschlossen, bleibt eine Fläche von 1.819,5 Quadratkilometern übrig, auf der Sonnenenergie auf Freiflächen gewonnen werden kann – 2,6 Prozent der Gesamtfläche des Freistaats. 186 Terawattstunden Strom sollen so nach Angaben der Forschenden jährlich erzeugt werden können – mehr als doppelt so viel, wie Bayern aktuell verbraucht. Werden die Begrenzungen durch das EEG aufgehoben, erhöht sich die Menge sogar auf 205,6 Terawattstunden.

Studie zeigt: 100 Prozent erneuerbare Energie in Bayern ist möglich

Mit dem Potenzial der erneuerbaren Energien beschäftigt sich auch die Studie "100 % erneuerbare Energien für Bayern" des Lehrstuhls für Energiesysteme der Technischen Universität München, des Bayerischen Zentrums für Angewandte Energieforschung und des BUND Naturschutz in Bayern.

In ihrem Basisszenario gehen die Autoren der Studie davon aus, dass die Hälfte der bisher verbrauchten Primärenergie eingespart werden kann - zum Beispiel durch effizientere Geräte oder bessere Dämmung. Trotzdem erhöhe sich der Strombedarf aufgrund von strombetriebenen Wärmepumpen und Elektromobilität. Um diesen Strombedarf zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energien zu decken, kommen die Forscher auf eine benötigte installierte Photovoltaikleistung von 66,6 Gigawatt.

Dafür sei eine Freifläche von 133 und eine Dachfläche von 266 Quadratkilometern notwendig. Bei Freiflächenmodulen wird generell mehr Platz benötigt, damit sich die Module durch Schattenwurf nicht selbst drosseln. Zum Vergleich: Der Agora Photovoltaikrechner geht von 1.819,5 Quadratkilometer potenziell verwendbarer Freifläche aus – Platz wäre somit genügend.

Dächer richten sich meist nicht nach der Sonneneinstrahlung. Zur Berechnung der benötigten Dachflächen gewichteten die Forscher der Studie "100 Prozent erneuerbare Energien für Bayern" deshalb Ausrichtungen und Neigungen unterschiedlich stark. Die verfügbare Gebäudegrundrissfläche in Bayern sei aber mehr als dreimal so groß wie die benötigte Dachfläche. "Technisch gesehen, ist nahezu jedes Dach geeignet", erklärt Tobias Schmid von der Forschungsstelle für Energiewirtschaft. Es gebe nur kleine Einschränkungen wie zum Beispiel den Denkmalschutz. Außerdem seien einige Flachdächer großer Lager- oder Industriehallen statisch nicht für Photovoltaikanlagen ausgelegt und könnten in Kombination mit einer Schneelast dem Gewicht nicht standhalten.

Wind im Winter, Sonne im Sommer

In einem vollständig erneuerbaren Energiesystem sind Sonnenenergie, Wind- und Wasserkraft für einen Großteil der Stromerzeugung verantwortlich. Dabei darf nicht vergessen werden, dass diese Anlagen wetterabhängig sind. Je nach Sonneneinstrahlung, Windgeschwindigkeit und Wassermenge können sie nicht zu jeder Jahres- und Tageszeit gleichviel Energie ins Netz einspeisen. Um Tagesüberschuss in die Nacht zu verschieben, muss Strom gespeichert werden. Photovoltaikanlagen sind im Sommer der größte Stromerzeuger. Im Winter übernimmt die Windkraft diese Rolle.

Als Beispiel sind in der folgenden interaktiven Grafik vier Sommer- und Wintertage visualisiert. Die Autoren der Studie "100 Prozent erneuerbare Energien für Bayern" griffen für die Analyse auf Daten des Deutschen Wetterdienstes aus dem Jahr 2018 zurück. Das Szenario geht von etwa dem Sechsfachen der aktuell in Bayern installierten Photovoltaikleistung und der zwölffachen Leistung an Windkraftanlagen aus.

Grafik: Stromerzeugung im Sommer und Winter

In dieser interaktiven Grafik können Sie sich das Zusammenspiel der verschiedenen Energieträger an vier typischen Winter- und Sommertagen ansehen.

Charakteristisch für den Sommer ist die große Menge an Strom, die durch Photovoltaikanlagen bereitgestellt werden kann. Windkraftanlagen produzieren im Sommer vergleichsweise wenig Strom. Wasserkraftwerke könnten weitestgehend konstant einen kleinen Teil des Strombedarfs decken.

In der Studie spielen auch weitere Stromquellen eine Rolle: Gasturbinen und Anlagen zur Kraft-Wärme-Kopplung (KWK), die aus synthetischem also künstlich hergestelltem Erdgas sowie Biomasse Strom und Wärme produzieren, werden im Sommer aber nicht benötigt. Um das Potenzial vollständig zu nutzen, sind Batteriespeicher notwendig. Tagsüber, vor allem während der Mittagszeit, speichern sie den gewonnenen Strom und können ihn am Abend und in der Nacht wieder abgeben.

Im Winter können Photovoltaikanlagen nicht mehr so viel Strom generieren. Deshalb übernimmt die Windkraft den größten Teil der Stromerzeugung. An den ersten beiden Beispieltagen im Winter ist viel Wind- und Photovoltaikstrom verfügbar. Schwieriger wird es an Tag drei und vier. An diesen Tagen folgt eine sogenannte Dunkelflaute. Diese Wetterlage bezeichnet das gleichzeitige Auftreten von Dunkelheit und einer Windflaute: Weder Windkraft noch Photovoltaik speisen große Strommengen ein.

Diese Verhältnisse treten etwa fünfmal pro Jahr auf und können bis zu zehn Tage andauern. Um solche Situationen auszugleichen, müssten nach Einschätzung der Wissenschaftler KWK-Anlagen und Gasturbinen genutzt werden, um die Stromlast zu decken. "Das europäische Verbundnetz ist unser größter Freund", sagt Schmid. "Wir können Preise oder unterschiedliche Last- und Erzeugungssituationen ausgleichen. Der Wind weht aber nicht immer in Deutschland, sondern manchmal auch bei den Nachbarn."

Die voraussichtlich größten Herausforderungen beim Übergang zu einem vollständig erneuerbaren Energiesystem sind daher nicht nur der Ausbau der Erzeugungstechnologien, sondern auch ein Netz- und Speicherausbau. "Deutschland ist keine stromleitende Kupferplatte", sagt Tobias Schmid. "Wir haben in Deutschland das Problem, dass wir im Norden die Windkraft haben und im Süden die Industriestandorte." Das führe dazu, dass Deutschland sehr viel Strom von Norden nach Süden schicken muss. Das geht aber nur, wenn das Stromnetz ausreichend ausgebaut ist. "Neben dem Ausbau der erneuerbaren Energien müssen wir versuchen, möglichst nah an diese metaphorische Kupferplatte zu kommen."

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