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Nach den Bluttaten Krisenteams an den Schulen

Nach dem Amoklauf von München mit zehn Toten benötigen vor allem Jugendliche psychologische Betreuung. Deshalb unterstützen Kriseninterventionsteams die betroffenen Schulen bei der Verarbeitung des Anschlags.

Stand: 25.07.2016

	Blumen und Kerzen liegen am 24.07.2016 vor dem Olympia-Einkaufszentrums, zwei Tage nach einer Schießerei mit Toten und Verletzten. | Bild: BR/Birgit Grundner

Auch drei Tage nach dem Amoklauf von München sind Kriseninterventionsteams weiter gefragt. Heute gingen sie in Schulen in der Nähe des Tatorts am Olympia-Einkaufszentrum. Die zuständigen Teams übernehmen die notfallpsychologische Versorgung, die nach solchen Unglücken nötig ist. Sie richtet sich gezielt an betroffene Schüler, Lehrer und Eltern. Auch die Beratung schulischer Krisenteams und die Einbindung der Schulpsychologen vor Ort gehört zu den Aufgaben, die nun angegangen werden. Zudem vermitteln die Kriseninterventionsteams fachärztliche und psychotraumatherapeutische Behandlungen.

Das bayerische Kultusministerium habe allen Schulen in Bayern umfangreiche Informationen geschickt, wie Lehrerinnen und Lehrer im Schulalltag in den kommenden Tagen die Taten von München und Ansbach aufarbeiten könnten, so Kultusminister Ludwig Spaenle (CSU).

Prävention an Schulen

Um einen Amoklauf wie in München zu verhindern, ist laut dem Kriminalpsychologen Rudolf Egg auch eine verstärkte Prävention an Schulen wichtig. Man müsse sich um diejenigen kümmern, "die so isoliert sind, die keiner kennt, die vielleicht auch keiner mag, die man ausgrenzt", sagte der Nürnberger Kriminalpsychologe. Man müsse überlegen, wie man diese Menschen besser integrieren könne. Dabei gehe es nicht um Schläger oder auffällige Schüler, die ohnehin im Blick stünden, sondern um die, "die neben der Spur laufen". In vielen Schulen habe man sich zusammengesetzt, um dafür Strategien zu entwickeln, erklärte der Kriminalpsychologe.

"Ich bin der festen Überzeugung, dass wir durch diese Präventionsarbeit sehr viele Amoktaten und auch Suizide verhindert haben."

Kriminalpsychologe Rudolf Egg

"Mehr Schulpsychologen"

Schulpsychologen und Sozialarbeiter an jeder Schule - das fordert Martin Güll (SPD), der Bildungsausschussvorsitzende im Bayerischen Landtag, nach dem Amoklauf eines psychisch kranken Schülers in München. Von der Bayerischen Staatsregierung fordert er mehr Einsatz für Prävention und Früherkennung:

"Das Kabinett sollte bei der Klausurtagung in St. Quirin nicht nur über mehr Polizei reden, sondern auch über die Einführung von Schulsozialarbeit. Es ist kein Luxus, wenn Lehrerinnen und Lehrer an jeder Schule Schulpsychologen und Schulsozialarbeiter an ihrer Seite haben. Jeder Euro, der in die Prävention gesteckt wird, hilft."

Martin Güll (SPD)

7.700 Schüler sind sozial auffällig

In Bayern gebe es derzeit in allen Jahrgangsstufen zusammen rund 7.700 Schülerinnen und Schüler, die als sozial auffällig identifiziert wurden und entsprechend betreut werden, sagte Güll. Die Zahlen stammen aus dem Kultusministerium, die er angefordert hatte. Doch die Dunkelziffer sei sicherlich noch viel höher, warnt der Dachauer SPD-Abgeordnete und frühere Mittelschulrektor.

Allein an den Mittelschulen hat sich die Zahl der Betroffenen binnen vier Jahren auf fast 3800 Kinder verdoppelt. "Wir brauchen Unterstützungssysteme an den Schulen, um Fehlentwicklungen frühzeitig zu erkennen.", so Güll. Eine Schulsozialarbeit sensibilisiere zudem auch Mitschüler, stärker auf Veränderungen ihrer Klassenkameraden zu achten. Die Radikalisierung bis hin zu einem Amoklauf sei ja nichts, was von heute auf morgen passiere. Das gehe oft über Jahre.

Bayern hat die Anzahl der Schulpsychologen – bei abnehmenden Schülerzahlen – in den vergangenen Jahren kontinuierlich erhöht, teilt das Kultusministerium mit. Waren es im Schuljahr 2010/11 rund 730 staatliche Schulpsychologen in Bayern, gab es 2014/15 bereits rund 880.

Praktische Tipps - Wie man Kindern und Jugendlichen das Geschehen nahe bringt

  • Sicherheitsgefühl vermitteln: Verdeutlichen Sie, dass die Gewalt beendet worden ist und im Augenblick keine akute Gefahr mehr droht.
  • Sprechen und Zuhören: Zeigen Sie sich gesprächsbereit und hören Sie aufmerksam zu.
  • Auf Hilfe hinweisen: Machen Sie deutlich, dass und wie den betroffenen Menschen geholfen wird.
  • Eigene Betroffenheit verständlich machen: Verheimlichen Sie Ihre eigene Betroffenheit nicht.
  • Medienberichte auswählen und dosieren: Der Medienkonsum sollte begrenzt werden.
  • Eigene Aktivität motivieren: Überlegen Sie gemeinsam, ob es etwas gibt, was die Kinder und Jugendlichen selbst tun könnten, z. B. symbolisch eine Kerze anzünden.

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