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Kommentar zu AfD Maske des bürgerlichen Anstands ist gefallen

Darf man an der Grenze auf Flüchtlinge schießen? Ja klar, nur vielleicht nicht auf Kinder. So simpel, so brachial sind sie, die Antworten der AfD. Ein Kommentar von Ivo Marusczyk.

Von: Ivo Marusczyk

Stand: 01.02.2016 | Archiv

Frauke Petry, Bundesvorsitzende der Partei Alternative für Deutschland (AfD) | Bild: picture-alliance/dpa

Was die Vorzeigefrauen der Protestpartei zum besten geben, offenbart einen Grad an Menschenverachtung, den man erst viel weiter rechts außen gesucht hätte. Im Wettbewerb um die schrillsten Töne in der aufgeheizten Debatte hat die AfD selbst wieder mal eine Grenze überrannt - die Grenze des politischen Anstands.

Die Partei, die als bürgerlichen Protestbewegung der Professoren gegen den Euro startete, fischt inzwischen ohne Scham in den allertrübsten Gewässern und ist am rechten Ufer angekommen. Solche Ideen und Forderungen sind nicht mehr rechtspopulistisch, sie sind radikal.

Außerhalb des Konsenses aller Demokraten

Das wird man ja wohl noch sagen dürfen, ereifern sich AfD-Anhänger gerne. Nein, darf man nicht. Der Vergleich zum unmenschlichen DDR-Schießbefehl an der Mauer ist angebracht. Wer schwadroniert, gegen welchen Grenzverletzter der Schusswaffengebrauch angebracht ist, der stellt sich weit außerhalb des Konsenses aller Demokraten. Und der Verweis, das stehe doch so im Gesetz, ist ein arg billiges Argument. Zum einen stammt das Gesetz aus der Zeit des Mauerbaus, war also bestimmt nicht auf Flüchtlinge gemünzt. Zum anderen ist selbst in diesem Gesetz aus der Zeit des Kalten Krieges zuerst von der Verhältnismäßigkeit der Mittel die Rede - erst dann, viel weiter unten, von der Möglichkeit des Schusswaffengebrauchs.

Entsprechend haben auch Gerichte über solche Fälle geurteilt. Selbst die Mauerschützen konnten trotz des DDR-Schießbefehls verurteilt werden. Die Rechtslage ist also klar: Nein, man darf nicht schießen.

Wie umgehen mit der AfD?

Für die anderen Parteien stellt sich damit die Frage, wie man mit der AfD umgehen soll, wieder neu. Die SPD neigt zum Boykott: Ihre Spitzenkandidaten wollten sich nicht zu Fernseh-Duellen und Talkshows mit den AfD-Demagogen herablassen. Man darf ihnen kein Forum bieten. Denn so gibt man ihnen nur die Chance, ihre billige Polemik zu verbreiten und immer wieder einen draufzulegen. Gebt ihnen kein Forum, sonst gewöhnt die Gesellschaft sich an diese politische Obszönität, heißt es heute in Leitartikeln.

Nur: Im Internet-Zeitalter sind Ausgrenzen, Totschweigen und Ausladen keine Lösung. Auch wenn sie nicht über öffentlich-rechtliche Bildschirme flimmern, erreichen die Schreihälse immer noch ihre Öffentlichkeit. Das ist dann allerdings eine Parallel-Öffentlichkeit von Verleumdungen, unbewiesenen Facebook-Gerüchten und radikalem Geraune vorkommen. Und die Demokraten haben dort gar keine Chance mehr, der Infamie mit Argumenten entgegenzutreten.

Anstands-Maske selbst vom Gesicht gerissen

Der Schießbefehl an der Grenze, schon die bloße Diskussion darüber ist eine furchtbare Entgleisung. Aber genau damit beantworten Petry und von Storch selbst die Frage, wie man mit der AfD umgehen soll. Sie reißen sich die Maske des bürgerlichen Anstands  selbst vom Gesicht. Also: Lasst sie reden - und stellt Euch der Diskussion, statt ihr auszuweichen. Lasst sie reden, auch wenn das Zuhören weh tut. Lasst sie reden - die Wähler sollen genau wissen, wes Geistes Kinder sie sind.


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