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Direkte Demokratie im Netz Was bringen Petitionen gegen Kreuz-Beschluss, PAG und Co.?

Von Psychiatriegesetz bis Kruzifixbeschluss: In Bayern stehen Petitionen gegen Regierungsvorhaben gerade hoch im Kurs, Hunderttausende unterzeichnen im Netz. Aber was bewirken diese Klicks wirklich?

Author: Christoph Fuchs

Published at: 15-5-2018 | Archiv

Demonstranten mit Transparent gegen das PAG | Bild: pa/dpa/Sachelle Babbar

Vom Regensburger Psychologie-Studenten zum Anführer einer mittelgroßen politischen Protestwelle - für Tarek Carls, 23 Jahre alt, hat das gerade mal eine gute Woche gedauert. Begonnen hat es damit, dass sich Tarek wahnsinnig geärgert hat über den Kruzifix-Beschluss von Ministerpräsident Markus Söder. Weil der Beschluss für Carls nicht zu einem modernen und weltoffenen Bayern passt. Also hat Tarek Carls eine Petition gestartet. Unter dem Titel "Kein #Kreuzzwang in öffentlichen Institutionen" fordert er Söder dazu auf, den Beschluss zurückzuziehen.

Fast 50.000 Leute haben inzwischen unterschrieben. Doch kann man mit Online Petitionen überhaupt etwas erreichen?

Laut Bayerischer Verfassung kann sich jeder Einzelne beschweren

Carls, der sowohl Vorsitzender der Regensburger Jungen Liberalen als auch studentischer Sprecher der Uni Regensburg ist, hält eine Petition vor allem deshalb für sinnvoll, weil sie ihm die Möglichkeit gibt, zu sagen: "Ich stehe nicht alleine da. Ich kann immer sagen: Hey, über 43.000 Bürgerinnen und Bürger sehen das ähnlich wie ich.“ Das, so sagt er, verleiht seiner Aussage mehr Gewicht: "Mit einer Petition habe ich schneller einen Fuß in der Tür. Ich kann die betreffenden Stellen in den Diskurs zwingen. Als Einzelmeinung ist das oftmals schwer.“

Laut der Bayerischen Verfassung würde unter Umständen auch eine Einzelmeinung für eine Petition beim Landtag ausreichen.

"Alle Bewohner Bayerns haben das Recht, sich schriftlich mit Bitten und Beschwerden an die zuständigen Behörden oder an den Landtag zu wenden."

Artikel 115 Absatz 1 der Bayerischen Verfassung

Doch wer als Einzelner einen Beschwerdebrief beim Landtag abgibt, hat in der Praxis keine allzu große Erfolgsaussichten. Die Standard-Reaktion lautet: "Erledigt durch Erklärung der Staatsregierung - negativ.“ So ging das zwei Drittel der 4.500 Petitionen , die zwischen 2013 und 2016 beim Landtag angekommen sind. Dass eine Petition wirklich etwas ändert, ist selten.

Gesetz gestoppt - aber: "Die Petition allein hat’s nicht geschafft“

Und dennoch: Petitionen stehen in Bayern gerade hoch im Kurs: Über 131.000 Menschen haben unterschrieben, um das neue Polizeiaufgabengesetz zu verhindern. Gegen das Psychiatriegesetz sind es sogar 111.000. Und die konnten laut Organisator Uwe Hauck ziemlich schnell einen Erfolg verbuchen. "Wir haben die Petition abgegeben und eine halbe Stunde später wurde das Gesetz in der Form gestoppt. Das war natürlich sehr schön.“ Aber Hauck ist Realist "Die Petition allein hat‘s nicht geschafft. Aber in Summe mit dem restlichen öffentlichen Druck und der Menge an Personen, die unterschrieben haben, hat sie auf jeden Fall Eindruck hinterlassen.“

Kritiker sagen, mit Petitionen gewinnt die Faulheit gegen die Demokratie, weil nur noch geklickt wird, anstatt auf der Straße zu demonstrieren oder wählen zu gehen. Studentensprecher Carls widerspricht. Mit einer Petition ließen sich eben auch diejenigen erreichen, die sich sonst nicht am demokratischen Prozess beteiligen würden, obwohl sie eigentlich eine ganz klare Meinung zum Gesetzentwurf haben.

Erst Medien und Oppositions-Politiker geben einer Petition ihre Wucht

Carls und Hauck sind sich einig: Jeder Klick hat ihnen geholfen - aber die Klicks allein reichen nicht. Man muss auch die Medien involvieren und Polit-Profis aus der Opposition dazu holen, sagt Hauck: "Diese Kombination hat uns geholfen, eine relativ medienwirksame Übergabe machen zu dürfen. Sonst hätten wir die Petition wohl irgendwo am Empfang abgegeben und keiner hätte es wirklich mitbekommen.“

Mit Unterstützung von Opposition und Medien fand die Übergabe letztlich in einem Saal im Landtag statt - das Gesetz wurde, vorerst, gestoppt. Sieben Tage nach dem ersten Klick.

Im Fall des Polizeiaufgabengesetzes in Bayern ist der Protest, online wie offline, weniger erfolgreich. Zwar wurde der Entwurf Ende April an einigen Stellen leicht entschärft, dennoch wäre das Bayerische Gesetz nach wie vor das schärfste in ganz Deutschland. Trotz 133.000 Unterschriften online und zigtausenden Demonstranten auf den Straßen Bayerns will die Staatsregierung das neue Gesetz am Dienstagabend verabschieden.


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