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Zeitstrahl Der Zentralrat und seine Vorsitzenden

Seit 1950 gibt es den Zentralrat der Juden in Deutschland - acht Vorsitzende haben ihn bislang vertreten. Acht sehr unterschiedliche Charaktere, die es mit sehr unterschiedlichen Problemen zu tun hatten. Eine Chronologie.

Stand: 28.11.2014

  • 1954
    Galerie: Die Vorsitzenden des Zentralrats der Juden | Bild: picture-alliance/dpa

    1954

    Heinz Galinski

    Neubeginn nach Krieg, Vertreibung und Vernichtung: Am 19. Juli 1950 gründet sich in Frankfurt der wenig später nach Düsseldorf wechselnde Zentralrat der Juden in Deutschland. Seine Aufgaben: Festszustellen, ob und wie jüdisches Leben nach dem Holocaust überhaupt wieder möglich ist. Es geht um Wiederaufbau, Wiedergutmachung, das Verhältnis der jungen Staaten Bundesrepublik und Israel. Erster Vorsitzender ist ab 1954 der Berliner Heinz Galinski, Überlebender der Konzentrationslager Auschwitz und Bergen-Belsen. Unser Foto zeigt ihn vor einem Foto der 1938 niedergebrannten Berliner Synagoge.

  • 1963
    Galerie: Die Vorsitzenden des Zentralrats der Juden | Bild: picture-alliance/dpa

    1963

    Herbert Lewin

    Wie Galinski hat auch Lewin (2.v.r) ein jüdisch-deutsches Schicksal des 20. Jahrhunderts. Als junger Mann Soldat im Ersten Weltkrieg, wurde der Sozialdemokrat Lewin 1924 Arzt in der Jüdischen Poliklinik Berlin. Die Habilitationsschrift des Juden wird 1932 mit dubioser Begründung abgelehnt. Ab 1941 wird er in mehreren KZs als Lagerarzt eingesetzt; seine Frau Alice stirbt in Haft. Als er 1949 Chef der Offenbacher Frauenklinik werden soll, kommt es zum Eklat: Bürgermeister und Rat der Stadt lehnen ihn zunächst mit der Begründung ab, das "Rachegefühl eines KZlers" könne ihn an der Arbeit hindern.

  • 1969
    Galerie: Die Vorsitzenden des Zentralrats der Juden | Bild: picture-alliance/dpa

    1969

    Werner Nachmann

    Nachmann (Mitte) entstammt einer Karlsruher Kaufmannfamilie, die 1938 nach Frankreich emigriert und sich in der Resistance engagiert. Der konziliante CDU-Politiker leitet den Zentralrat in einer halbwegs ruhigen Phase: Nach den Eichmann-Prozessen 1961 haben sich Politik und Öffentlichkeit um eine konsequentere Vergangenheitsbewältigung bemüht, die auch die Aussöhnung voranbringt. 1971 weiht Nachmann in seiner Heimatstadt den ersten Synagogenneubau ein. Erst nach Nachmanns Tod 1988 wird bekannt, dass er knapp 30 Millionen Mark Zinsgelder aus der Wiedergutmachung in seine Firmen umgeleitet hat.

  • 1988
    Galerie: Die Vorsitzenden des Zentralrats der Juden | Bild: picture-alliance/dpa

    1988

    Heinz Galinski (2)

    Noch einmal muss der bald neunzigjährige Heinz Galinski ran - diesmal, um als moralische Instanz für Transparenz zu sorgen. Zum Jahrestag der Pogrome von 1938 soll Galinski auf Einladung der Grünen im Bundestag sprechen, was ihm Bundestagspräsident Jenninger verweigert. Dafür spricht er 1992 an einem Schreckensort des Judentums - dem zum Erinnerungsort umgestalteten Haus der Wannsee-Konferenz, wo 1942 der Holocaust beschlossen wurde. Anfeindungen folgen dem Mann, der das KZ und 1975 ein RAF-Attentat überlebte, über den Tod hinaus: Zweimal werden Sprengstoffanschläge auf sein Grab verübt.

  • 1992
    Galerie: Die Vorsitzenden des Zentralrats der Juden | Bild: picture-alliance/dpa

    1992

    Ignaz Bubis

    Vom Flüchtlings- und Ghettokind zum Selfmade-Man: Bubis ist profiliert und umstritten - nicht nur wegen seiner Arbeit im Zentralrat. Der Immobilienhändler und FDP-Stadtrat ist beteiligt, als in Frankfurt viele alte Gründerzeitvillen abgerissen werden, um Bürotürme zu bauen. 1985 wird der "Frankfurter Häuserkampf" Hintergrund des antisemitisch konnotierten Dramas "Die Stadt, der Müll und der Tod", gegen das auch Bubis demonstriert. Auf Auslandsreisen tritt er als Fürsprecher Deutschlands auf, lässt sich aber in Israel bestatten - "weil ich nicht will, dass mein Grab in die Luft gesprengt wird"

  • 2000
    Galerie: Die Vorsitzenden des Zentralrats der Juden | Bild: picture-alliance/dpa

    2000

    Paul Spiegel

    In seine Amtszeit fällt die Planung des Holocaust-Mahnmals (Foto: die Einweihung 2005) und der Umzug des Zentralrats von Bonn nach Berlin. Auch die Gemeinden selbst werden "östlicher": Nach 1989 bereichern Zuwanderer aus Osteuropa die jüdische Kultur in Deutschland, bringen aber auch neue Konflikte. Spiegel moderiert und organisiert - unter anderem die Ausbildung neuer Rabbiner. Und beschäftigt sich mit dem Web: "1996 gab es weltweit 32 Websites mit rassistischen Tendenzen, heute sind es über 330“, sagt er 2000 im BR-Gespräch. Es sind nicht weniger geworden.

  • 2006

    2006

    Charlotte Knobloch

    Charlotte Knobloch muss man in Bayern kaum mehr vorstellen. Geboren in München, vor den Nazis versteckt von der ehemaligen Hausangestellten ihres Vaters auf einem Bauerhof im fränkischen Arberg, seit 1985 Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde in München, für die sie 2006/2007 eine neue Synagoge und ein neues Gemeindezentrum mitten in der Stadt einweihen konnte. Als Vorsitzende des Zentralrats ist sie gewohnt kämpferisch - gibt aber von Anfang an zu erkennen, dass sie nach einer Wahlperiode den Weg für einen Generationswechsel freimachen wird.


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