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Zeitstrahl Rückblick: Gurlitt. Die Chronologie eines Kunst-Krimis

Bereits 2010 gerät Cornelius Gurlitt ins Visier der Behörden. Die Staatsanwaltschaft beschlagnahmt 2012 seinen Kunstschatz in Schwabing, die Öffentlichkeit erfährt davon erst Ende 2013. Die Überraschungen haben damit kein Ende.

Stand: 29.11.2016

  • 22. September 2010
    Regionalverkehr der Bahn - Ein Mann steht am Münchner Ostbahnhof und schaut auf einen Regio-Zug der Südostbayernbahn: Wie sieht die Zukunft des Schienenverkehrs in Bayern aus? | Bild: picture-alliance/dpa

    22. September 2010

    Eine Bahnfahrt mit Folgen

    Am 22. September 2010 fährt Cornelius Gurlitt mit dem Zug von Zürich nach München. Zwischen Lindau und Kempten kontrollieren Zollfahnder den älteren Herrn. Er hat sich nichts zuschulden kommen lassen: Er führt 9.000 Euro mit sich, erst ab 10.000 Euro müssen Bargeldsummen angemeldet werden. Weil die Fahnder wissen, dass Steuerbetrüger Bargeld oft gestückelt über die Grenze bringen, ist Gurlitt jetzt im Fadenkreuz.

  • 28. Februar 2012
    Mietshaus Gurlitt | Bild: picture-alliance/dpa

    28. Februar 2012

    Razzia in Schwabing

    Eineinhalb Jahre später kommt die Geschichte richtig ins Rollen. Ermittler der Steuerbehörden schlagen auf Betreiben der Staatsanwaltschaft zu, stellen Gurlitts Wohnung auf den Kopf, finden 1.406 Kunstwerke. Der Fund wird geheim gehalten, die Berliner Expertin Meike Hoffmann mit der Erforschung der Herkunft beauftragt. Der Anwalt und Kunstspezialist Hannes Hartung - später Gurlitts Rechtsvertreter - vermutet, dass sich der Kunstschatz in drei Kategorien aufteilt: Rechtmäßig von Gurlitts Vater Hildebrand erworbene Bilder, 1938 von den Nazis zur Verwertung übereignete Werke und Raubkunst.

  • 3. November 2013
    Regierungssprecher Steffen Seibert spricht am 2.9.2016 in Berlin in der Bundespressekonferenz zu den Medienvertretern. | Bild: picture-alliance/dpa

    3. November 2013

    Die Titelstory

    Erst als das Nachrichtenmagazin Focus den Fall an die Öffentlichkeit bringt, gibt Regierungssprecher Steffen Seibert zu, dass die Bundesregierung "seit mehreren Monaten" informiert war. In den nächsten Tagen dreht sich alles um die Person Gurlitt. Der "große Unbekannte" lebte seit einem halben Jahrhundert zurückgezogen in einem Chaos aus selbstgebauten Holzregalen, in denen er mehr Meisterwerke der Kunstgeschichte hortete, als ein mittelgroßes Museum im Depot hat. Er ist amtlich nicht gemeldet, arbeitet nicht, bezieht keine Rente.

  • 11. November 2013
    Screenshot von "Lostart.de" (22.11.2016) | Bild: BR

    11. November 2013

    Meisterwerke im Netz

    Auf einer Pressekonferenz der Augsburger Staatsanwaltschaft Anfang November sind nur wenige der Kunstwerke zu sehen. Im In- und Ausland wächst die Kritik an der Geheimniskrämerei der Behörden. Endlich werden 25 Bilder auf der Plattform "lostart.de" veröffentlicht - hunderte weitere folgen. Eine Taskforce wird eingesetzt, um die Herkunft der Bilder zu ermitteln.

  • 12. Dezember 2013
    Gurlitt  gibt Interview | Bild: Bayerischer Rundfunk

    12. Dezember 2013

    Ein müder älterer Herr

    Die Polizei steht erneut vor Gurlitts Haustür. Ein Verwandter hatte sich Sorgen gemacht, weil er den alten Mann nicht erreichen konnte. Nachdem er auf Klingeln nicht reagiert, lassen die Beamten die Wohnungstür von der Feuerwehr öffnen. Gurlitt ist wohlauf: "Er hat geruht", sagt ein Polizeisprecher. Eine Woche später wird bekannt, dass Gurlitt unter Betreuung gestellt wird.

  • 28. Januar 2014
    Zeitungsausschnitt | Bild: Bayerischer Rundfunk

    28. Januar 2014

    Einigung in Sicht

    Die Taskforce gibt bekannt, dass nach einer ersten Sichtung 458 Werke aus Gurlitts Sammlung unter Raubkunst-Verdacht stehen. Nachdem Cornelius Gurlitt die Zusammenarbeit mit den Behörden lange verweigert hat, gibt sein Anwalt Hannes Hartung jetzt bekannt, sein Mandant sei inzwischen gesprächsbereit und an einer "fairen und gerechten Lösung" interessiert.

  • 13. Februar 2014
    Maximilianeum in München | Bild: picture-alliance/dpa

    13. Februar 2014

    Bayern entwirft "Lex Gurlitt"

    Die bayerische Staatsregierung plant Änderungen: Wenn der Besitzer wusste, dass es sich um Raubkunst handelt, soll er sie zurückgeben müssen. Nach dem Bundesrat sind jetzt Bundestag und Regierung am Zug.

  • 26. März 2014
    Der Fall Gurlitt | Bild: picture-alliance/dpa

    26. März 2014

    Gurlitt lenkt ein

    Macht der 81-Jährige jetzt reinen Tisch? Am 26. März gibt sein Anwalt bekannt, dass der Kunstsammler bereit ist, sich von den Raubkunststücken seiner Sammlung zu trennen - als erstes die "Sitzende Frau" von Henri Matisse, die er den Nachfahren des Kunstsammlers Paul Rosenberg zurückerstatten will. Doch erst 14 Monate später, am 15. Mai 2015, findet die Übergabe an die Familie statt.

  • 7. April 2014
    Vertrag zwischen Gurlitt, der Bundesrepublik Deutschland und dem Freistaat Bayern | Bild: BR

    Auszug aus dem Vertrag

    7. April 2014

    Gurlitt ermöglicht Herkunftsforschung

    Gurlitt teilt mit, dass er alle Werke für eine weitere Herkunftsrecherche zur Verfügung stellt. Dies wird in einem Vertrag zwischen der BRD, dem Freistaat Bayern und Gurlitt besiegelt: Unbelastete Werke erhält er zeitnah zurück. Die Task-Force soll die Herkunft der übrigen Bilder innerhalb eines Jahres recherchieren. Kunstwerke, für die innerhalb dieses Jahres die Recherche nicht abgeschlossen wurde, werden an Gurlitt herausgegeben. Er muss sie allerdings den Experten weiter für die Herkunftsrecherche zugänglich machen.

  • 6. Mai 2014
    Der Fall Cornelius Gurlitt | Bild: picture-alliance/dpa

    6. Mai 2014

    Die Todesnachricht

    Am späten Vormittag des 6. Mai stirbt Gurlitt mit 81 Jahren in seiner Münchner Wohnung.Der Kunstsammler ist 81 Jahre alt geworden. Einen Tag später ergibt die Obduktion keine Anzeichen auf Fremdeinwirkung, Gurlitt hat sich nicht mehr von einer schweren Herzoperation erholt. Dann wird das Testament eröffnet - mit unerwartetem Ergebnis: Gurlitt vermacht seine spektakuläre Kunstsammlung einem Museum in Bern.

  • 24. November 2014
    Kunstmuseum in Bern | Bild: picture-alliance/dpa

    24. November 2014

    Bern übernimmt

    Lange zögern die Schweizer, ob sie das brisante Erbe annehmen wollen. Ende November die Entscheidung: Das Kunstmuseum Bern übernimmt über 1.000 Meisterwerke der Sammlung. Zugleich erklärt man, sich in jedem Fall an die Bestimmungen der Washingtoner Erklärung zur Rückgabe von NS-Raubkunst halten zu wollen.

  • 14. Dezember 2014
    Der Fall Cornelius Gurlitt | Bild: picture-alliance/dpa

    14. Dezember 2014

    Task Force bei der Arbeit

    Die Berliner Taskforce macht sich daran, die Herkunft der Bilder zu klären. Hier untersucht die wissenschaftliche Koordinatorin Andrea Baresel-Brand eine Renaissance-Tafel aus der Sammlung. Stimmt der Titel "Neptun und Coenis"? Stammt es aus NS-Beständen? Fragen über Fragen harren ihrer Beantwortung.

  • 1. Januar 2015
    Der Fall Cornelius Gurlitt | Bild: picture-alliance/dpa

    1. Januar 2015

    Ermittlungen im Depot

    Unterdessen machen sich immer mehr deutsche Museen daran, ihre Bestände auf mögliche Hehlerware und andere Ungereimtheiten zu durchforsten. Im Bild: ein Inventarbuch des Kölner Wallraf-Richartz-Museums, das dem Thema 2015 eine Ausstellung widmet. Aufgeschlagen ist der Kaufvermerk eines Bildes von Hildebrand Gurlitt.

  • 4. Oktober 2015
    Der Fall Cornelius Gurlitt | Bild: picture-alliance/dpa

    4. Oktober 2015

    Das Drama kommt auf die Bühne

    Ab Oktober ist Cornelius Gurlitt, der Schattenmann, von dem es kaum Fotos gibt, leibhaftig zu besichtigen - verkörpert von Udo Samel in einem Theaterstück von Ronald Harwood. Das zwiespältig aufgenommene Stück beschäftigt sich mit dem Opfermythos, den Cornelius Gurlitt um seinen Vater Hildebrand strickt, der seiner jüdischen Großmutter wegen von den Nazis zur Unperson erklärt wurde. Lassen sich seine Handlangerdienste für Göring & Co. als eine Art Notwehr deuten? "Vergesst mich nicht nicht!", ruft der greise Cornelius Gurlitt am Ende seinem Publikum zu - jedenfalls die Bühnenversion.

  • 14. Januar 2016

    14. Januar 2016

    Vieles bleibt schleierhaft

    Der Abschlussbericht der Task Force Anfang 2016 ist ernüchternd. Nach zwei Jahren mit 1,7 Millionen Euro geförderter Forschungsarbeit lässt sich bei gerade einmal fünf der 499 raubkunstverdächtigen Werke klar Nazi-Unrecht nachweisen. "Eine Blamage", befinden Grüne und Linke. Und vor allem die Opfer sind enttäuscht. Die Taskforce habe die Aufklärung nicht genügend vorangetrieben und damit die Rückgabe von Raubkunst - anders als von den Überlebenden der Shoah und ihren Erben erwartet - nicht zügig erledigt, kritisiert die Opfervertretung Jewish Claims Conference.


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