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Unter Salafisten Eltern aus Bayern vermissen ihre Tochter

Eine 18-jährige Schülerin aus Bayern konvertiert zum Islam, verhüllt sich und haut von zu Hause ab. Jetzt möchte sie einen Salafisten heiraten. Eine Fachstelle für Radikalisierung will die Schülerin zurückholen. 60 Fälle werden derzeit betreut.

Von: Joseph Röhmel

Stand: 06.09.2016 | Archiv

Verschleierte Frau | Bild: colourbox.com

Mitten auf dem Land in Bayern ist es passiert: Die 18-jährige Sabine (Name geändert) konvertiert zum Islam und verhüllt sich. Dann lernt Sabine einen Salafisten kennen. Er ist einer, der mit Terrorgruppen sympathisiert. Sie haut von zu Hause ab, lebt jetzt bei diesem Mann in einem anderen Bundesland und will ihn heiraten. Erst vor wenigen Wochen wenden sich die Eltern der Schülerin an die Sicherheitsbehörden. Der Fall landet bei Holger Schmidt vom Bayerischen Landeskriminalamt.  

"Das ist ein Fall, der uns bestürzt macht. Wenn man sich vorstellt, welche Panik innerhalb der Familie entsteht, wenn plötzlich die Tochter auf diesem Weg verloren geht."

Holger Schmidt, Bayerisches Landeskriminalamt

Wohin können sich Eltern wenden?

Kompetenzzentrum für Deradikalisierung:

Seit gut einem Jahr gibt es in Bayern das sogenannte Kompetenzzentrum für Deradikalisierung im Landeskriminalamt. "Unsere Aufgabe ist es insbesondere, deradikalisierende Ansätze zu koordinieren, um eine Eigen- und Fremdgefährdung durch religiös motivierte radikalisierte Personen zu verhindern.", teilt das Zentrum auf seiner Internetseite mit.

Es hat eine Hotline eingerichtet (werktags erreichbar: 08.00 bis 16.00 Uhr): 089 - 12 12 1999

Violence Prevention Network:

Der Verein Violence Prevention Network arbeitet mit dem Kompetenzzentrum Deradikalisierung zusammen. Fachkräfte kümmern sich vor Ort und im Direktkontakt um betroffene Familien.

Das Violence Prevention Network hat folgende Telefonnummer: 089 - 4613 93 119.

BAMF:

Im Jahr 2012 hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge eine Beratungsstelle für Radikalisierung eingerichtet. Unter anderem Angehörige und Lehrer können sich an diese Stelle wenden. Von Beratern erhalten sie Tipps, wie sie auf radikales Verhalten reagieren sollen. Eventuell vermitteln Berater Kontakt zu Selbsthilfe-Initiativen oder anderen Kooperationspartnern (siehe Karte unten).

Beratungsstelle Radikalisierung (Montag bis Freitag von 09.00 bis 15.00 Uhr). Telefon: 0 911- 943 43 43

Ein Appell an die Eltern

Holger Schmidt ist Polizist. Aber irgendwie ist er jetzt auch Pädagoge. Er leitet das vor einem Jahr gegründete Kompetenzzentrum Deradikalisierung im Landeskriminalamt. 400.000 Euro investiert der Freistaat in das Zentrum.

Ein Psychologe, ein Islamwissenschaftler und Polizisten arbeiten hier. Sie wollen verzweifelten Eltern helfen, wenn der konvertierte Sohn seine Eltern als Ungläubige beschimpft, den Islamischen Staat verherrlicht oder die Tochter zu einem radikalen Salafisten zieht. Die Mitarbeiter erarbeiten diverse Hilfestellungen für Eltern, Lehrer und Institutionen, um den gefährlichen Kreislauf der drohenden Radikalisierung von Kindern, Jugendlichen und Heranwachsenden zu durchbrechen. Der Fall Sabine beschäftigt sie. Vor allem, dass sich die Eltern so spät gemeldet haben.

"Deswegen auch der Appell von unserer Seite: Man sollte frühestmöglich mit uns in Kontakt treten. Wir wollen niemanden kriminalisieren. Wir haben ein Hilfsangebot und dieses Hilfsangebot wollen wir möglichst zeitnah an die betroffenen Familien heranbringen. Je früher wir die Möglichkeit haben einzugreifen, desto höher sind die Erfolgsaussichten."

Holger Schmidt, Bayerisches Landeskriminalamt

Bei der 18-jährigen Sabine gibt es noch Hoffnung. Schmidt sagt, der Kontakt zwischen ihr und der Familie dürfe nicht abbrechen. Fachkräfte würden gerade versuchen, an die junge Frau heranzukommen.

Droht eine Ausreise nach Syrien zum IS? "Wir haben derzeit keine konkreten Anhaltspunkte, aber es ist schwer vorhersehbar, wie sich so ein Fall in einem halben Jahr entwickelt. Deswegen ist es wichtig, in diesem frühen Stadium noch dranzubleiben", berichtet der Leiter des Kompetenzzentrums Deradikalisierung.  

Woran erkennt man eine Radikalisierung

Wenn eine Person ihre Lebensweise (zum Beispiel Ess- und Schlafgewohnheiten, Hobbys) deutlich ändert und die vorherige als verwerflich darstellt, den Kontakt mit dem bisherigen Umfeld einschränkt oder gar aufgibt. Außerdem kann es sein, dass sich die Person neuen Freundschaften, Internetseiten oder Predigern zuwendet, die erkennbar extremistische Ansichten vertreten.

Weitere Informationen:

Schlechte Vorbilder

Erst seit Mitte 2014 entwickeln die Bundesländer eigene Beratungsangebote, beispielsweise Hessen oder Nordrhein-Westfalen. Das Problem wurde bundesweit lange unterschätzt. Dabei leben rund 8.000 Salafisten in Deutschland. Wer konvertiert, hat Vorbilder, etwa den Prediger Pierre Vogel, der einst selbst zum Islam fand und als "geistiger Brandstifter" gilt. Ein weiterer Konvertit ist Vogels Freund Sven Lau, der seit Dienstag vor Gericht steht. Er soll eine Terrororganisation unterstützt haben.

Der Staat versucht jetzt gegenzusteuern – mit allen Mitteln. Denn derzeit gelten Salafisten als die besseren Sozialarbeiter. Radikalisierung ist ein gesamtgesellschaftliches Phänomen. Der Akademiker-Haushalt kann genauso betroffen sein wie die alleinerziehende Mutter.

Ein Programm speziell für Mädchen?

Allein im Freistaat werden rund 60 Fälle betreut. Bei etwa 30 wurden konkrete Maßnahmen zur Deradikalisierung initiiert. Die Jungs sind vorwiegend Muslime, die Mädchen vor allem Konvertiten. Warum es diese Unterschiede gibt, ist unklar.

Einige der Betreuten, Holger Schmidt spricht von einer "Zahl im mittleren einstelligen Bereich", haben sich tatsächlich von der Salafisten-Szene entfernt.

Katharina Schulze, innenpolitische Sprecherin der Grünen-Landtagsfraktion, freut sich über ein erfolgreiches Programm. Sie wünscht sich aber eine weitere Verbesserung. Sie will mehr Forschung über Salafismus und ein Angebot speziell für Mädchen. "Das Problem von Frauen und Mädchen ist, dass gerade die Radikalisierung dort sehr lange im Verborgenen stattfindet", sagt Schulze. "Lange erfahren die Familie, die Freunde, die Schule gar nicht, dass sich das Mädchen radikalisiert -  bis es im wahrsten Sinne des Wortes zu spät ist."      

Im Mai hat Schulze ihre Idee, ein Angebot für Mädchen, in den Landtag eingebracht. Ihr Vorschlag wurde nicht angenommen. Die Staatsregierung hält das Programm für ausreichend.

Gründe für Radikalisierung unterschiedlich

Warum aber fühlen sich junge Menschen von der ultrakonservativen Strömung Salafismus angezogen? Warum trifft es auch Konvertiten aus katholischem Elternhaus? Auf der Suche nach Antworten ein Gespräch mit Thomas Mücke. Er leitet das Violence Prevention Network  - ein Verein, der sich im süddeutschen Raum auf die Arbeit mit radikalisierten Menschen spezialisiert hat. Vor allem Jugendliche und junge Erwachsene werden betreut.

Mücke sagt, Radikalisierungsgeschichten seien individuell. Er spricht davon, dass Mädchen im Teenageralter eine gewisse Abenteuerlust verspürten. Andere hätten sich mit ihren Eltern zerstritten, wollten sich nicht mehr dem autoritären System der Eltern unterordnen. "Es kann auch der Punkt sein, dass sie auf der Suche sind, sich an irgendetwas festhalten, um Gemeinschaft zu verspüren. Es ist ein Alter, was leicht beeinflussbar ist, und es ist ein Alter, was extrem schutzbedürftig ist", sagt Mücke.

Mückes Verein ist unter anderem in Hessen und seit einem Jahr in Bayern aktiv – als Partner des Kompetenzzentrums Deradikalisierung im Landeskriminalamt. Inzwischen hat der Verein schon drei Mitarbeiter im Freistaat, die sich vor Ort und im Direktkontakt um radikalisierte Jugendliche kümmern. Mücke ist froh darüber. Und er sagt auch: "Wir müssen dafür Sorge tragen, dass die Beratungsstelle noch bekannter wird, damit wir alle erreichen, die Bedarf haben an Unterstützung."


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Kommentieren

Ehrenwerter, Mittwoch, 07.September 2016, 11:01 Uhr

20. Umfeld, Polizei und Familien strampeln sich ab

Und für was? - Mit wenig Erfolg.

Warum werden solche Salafistenbestrebungen nicht als verfassungsfeindlich eingestuft und verboten?
Das ist keine Religion und diese Bestrebungen haben doch nur die Destabilisierung des Rechtsstaates im Sinn.

Es ist doch wie mit dem von der Polizei aufgegriffenen Drogenjunkie. Mal kurz festgenommen und schon wieder auf freiem Fuß. Da müssen grundsätzliche gesetzliche Wege gefunden werden. Sonst artet das nur in einen kostenintensiven Ringelpiez aus. Familie frustriert, Polizei frustriert und der Bürger beim Zusehen frustriert.

Ich erwarte mehr Handlungsfähigkeit des Staates ganz ohne rechtspopulistischen Parteieinfluss. Denn die sind auch nicht besser als Salafisten.

thorie, Dienstag, 06.September 2016, 21:41 Uhr

19. diese diskussion passt zu bayern...

isses doch oft schon eine todsünde wenn ne katholikin nen protestanten heiraten will!!!

Wanda, Dienstag, 06.September 2016, 21:26 Uhr

18.

1. Das Mädel ist 18 Jahre alt. Da könnt Ihr machen was ihr wollt...
2. Kümmert Euch lieber um die minderjährigen Musliminen, die von älteren Männern unter Berufung auf ihre Religion, Sitten und Bräuche in unserem Land und gegen unsere Gesetze verheiratet werden. Oder haben die keine Lobby (...)? Dieser Kommentar wurde von der BR-Redaktion entsprechend unseren
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Dr. Halef, Dienstag, 06.September 2016, 20:00 Uhr

17. 18 Jahr...blondes Haar...

mit 18 ist man und frau volljährig.
Man darf Autofahren
man darf wählen
man darf von daheim weg gehen
man darf heiraten
man ist für sich selbst verantwortlich.
Es gilt das Jugendstrafrecht?
Vielleicht liegt es ja daran, dass man mit 18 Autofahren können darf und muß und alles andere muß halt mit ertragen und von anderen getragen werden.
Ist schon komisch, das christliche Abendland...

  • Antwort von Barbara, Dienstag, 06.September, 20:40 Uhr

    "komisch, das christliche Abendland"? Nein. Komisch ist nur Ihre Schreibweise! "weggehen" schreibt man als ein Wort! Dagegen schreibt man "radfahren", "autofahren" klein und zusammen, weil es Verben (Tätigkeitswörter) sind. Wenn Sie aber das Auto fahren oder mit dem Rad fahren, dann schreibt man "Rad" und "Auto" groß, weil das Wort substantiviert ist! Soviel zum christlichen Abendland und der klaren Rechtschreibung!

  • Antwort von Udo Pablitschko, Dienstag, 06.September, 22:49 Uhr

    @ "hl, Barbara

    Also, "Frau" Barbara,
    an einen guten Kommentar interssiert mich erst mal der Inhalt !

    Ihr beleeerendes "Oberlehrergeschwätz", die deutsche Rechtschreibung betreffend, finde ich deshalb(oder muß ich besser "daher sagen?) etwas ALBERN !

  • Antwort von campesina, Mittwoch, 07.September, 01:18 Uhr

    @Udo Pablitschko
    Nein Udo, es ist absolut nicht albern, wenn sich jemand darüber aufregt, dass die deutsche Rechtschreibung mehr und mehr verloren geht.. Auch ich störe mich immer wieder daran, dass die heutige Jugend (und ich zähle Sie dazu) nicht mehr in der Lage ist, Fehler zu erkennen und sie zu berichtigen. Dabei stammen die Rechtschreibfehler, die Barbara beanstandet, von "Dr. Halef". Nun, wenn einer sich schon Doktor nennt, also suggeriert, er habe promoviert, dann sollte man schon voraussetzen können, er sei der deutschen Rechtschreibung mächtig.

  • Antwort von thorie, Mittwoch, 07.September, 07:23 Uhr

    willkommen beim "klugsch....-award"

Gretchen, Dienstag, 06.September 2016, 17:47 Uhr

16. Wo ist das Problem?

Wo ist denn die Grenze? Ist das Problem, dass ein Mädchen Muslima wird? Ist es ein Problem, wenn sie sich mit Salafisten einläßt? Der Salafismus ist meines Wissens die vorherrschende Richtung des Islam in unserem hochgeschätzten, mit Waffen reichlich belieferten Bundesgenossen Saudi Arabien und in anderen befreundeten Golfstaaten. Ist er problematisch, aber die Partnerschaft mit seinem Mentor ist es nicht?
Oder ist es ein Problem, wenn sie einen Muslim heiratet und in sein Land zieht?

Schon seltsam, sonst wird der Islam als friedfertig und zu Deutschland gehörig beschrieben und wenn dann eine Volljährige Bürgerstochter einen Muslim heiratet bricht Panik aus?

Ich fühle mich schlecht informiert und bin verwirrt.

  • Antwort von Robert, Dienstag, 06.September, 20:00 Uhr

    Ihr Sarkasmus ist hier aber fehl am Platz!!! Jeder weiß, dass man mit 18 Jahren in Deutschland zwar volljährig ist, aber noch lange nicht eine geistige Reife erreicht hat! mfG

  • Antwort von thorie, Dienstag, 06.September, 21:47 Uhr

    @robert
    sry, aber ich kann in gretchens keinen sarkasmus erkennen. stimmt doch alles.