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Extremisten im Tarnanzug

Identitäre Bewegung Extremisten im Tarnanzug

Stand: 08.07.2016

Gleichzeitige Besetzung des Willy-Brandt-Hauses und des Kurt-Schumacher-Hauses. | Bild: Identitäre Bewegung Deutschland e.V.

Die sogenannte "Identitäre Bewegung" erhält immer mehr Zulauf in Deutschland. Ihr Trick: ethnisch ausgrenzen ohne offen rassistisch aufzutreten. Der Verfassungsschutz hält sie für rechtsextrem. Die Identitären unterhalten zur AfD enge Kontakte.

Von: Thies Marsen

Dass ein Türke weniger wert als ein Deutscher oder ein Afrikaner weniger als ein Europäer sei, würde selbst ein Bilderbuch-Neonazi nur noch im engsten Kameradenkreis behaupten. Mit einem derart plumpen Rassismus hätte er sich im allgemeinen politischen Diskurs selbst erledigt. Das gleiche gilt für offene Hitler-Verehrung oder eine Verherrlichung des Nationalsozialismus. Damit handelt man sich hierzulande nicht nur strafrechtliche Probleme ein, man katapultiert sich auch ins politische Abseits. Und auch Antisemitismus ist in Deutschland immer noch ein so großes Tabu, dass darüber selbst eine an Extremisten wahrlich nicht arme Partei wie die AfD zu zerbrechen droht. Das zeigt der aktuelle Skandal um den Stuttgarter AfD-Abgeordneten und antisemitischen Verschwörungstheoretiker Wolfgang Gedeon.

Der Fall zeigt aber auch: Natürlich gibt es immer noch haufenweise Antisemiten, genauso wie Hitler-Fans und Rassisten. Der Erfolg von Pegdia und AfD beschert diesen Leuten gerade großen Auftrieb. Doch angesichts der gesellschaftlichen und strafrechtlichen Tabus müssen sie ihre Ressentiments im Zaum halten bzw. verklausuliert zum Ausdruck bringen. Im Fall des Antisemitismus sind das klassischerweise die sogenannte "Israel-Kritik" bzw. der Antizionismus, die sich von links bis rechts durch alle politischen Lager ziehen: Man drischt auf Israel ein und meint damit eigentlich alle Juden bzw. "den Juden an sich".

"Kultur" ersetzt "Rasse"

Motto der Identitären: "Stoppt den großen Austausch" (gemeint ist: Stopp von Multikulturalismus).

Rassisten wiederum wenden seit einiger Zeit gerne den Trick an, dass sie Menschen nicht etwa wegen ihrer sogenannten "Rasse" abwerten, sondern wegen ihrer "Kultur" - wobei die Grundidee die gleiche ist: Es gibt eine naturgegebene Ungleichheit unter den Menschen und damit eine Ungleichwertigkeit, auch wenn diese nicht durch die Rasse bestimmt wird, sondern eben durch die "Kultur".

Import aus Frankreich

Entwickelt haben dieses modernisierte Rassimuskonzept vor einem halben Jahrhundert Vertreter der sogenannten "Nouvelle Droite" in Frankreich - die neuen Rechten, die auch gleich noch eine neue Strategie zur Durchsetzung ihrer kruden Thesen vorlegten: die Metapolitik. Noch vor einer politischen Machtübernahme geht es darum, eine rechte Kulturrevolution zu initiieren und an den Universitäten, in den Medien, in der Gesellschaft die Debatten zu bestimmen - Hegemonie im öffentlichen Diskurs. 50 Jahre nach seiner Erfindung ist dieses Konzept auch in Deutschland höchst populär - und wird insbesondere im Umfeld der AfD offen propagiert.

Ideen alter Männer für junge Leute

Wiederum aus Frankreich kommt nun eine Idee, wie man dieses alte Konzept, das - siehe AfD - vornehmlich von alten Männern propagiert wird, auch jüngeren Menschen nahebringen kann. Schon seit fast 15 Jahren agieren in Frankreich unter dem Label "identitaire" diverse Jugendorganisationen, insbesondere die "Génération Identitaire". Statt eines plumpen Nationalismus propagieren sie eine europäische Identität und einen sogenannten Ethnopluralismus - nach dem Motto: Es gibt verschiedene Ethnien und das ist auch gut so, die sollen aber bitte für sich bleiben. Das klingt allemal besser als "Ausländer raus". Die Bewegung ist bei jungen Menschen durchaus erfolgreich - dank ihrer Aktionsformen, ihrer ausgeklügelten Öffentlichkeitsstrategie und vor allem ihres professionellen Umgangs mit den neuen sozialen Medien.

Spektakuläre Aktionen

Über Österreich, das in Sachen Rechtsextremismus ja schon länger ganz weit vorn ist, wurde die "Identitäre Bewegung" inzwischen auch in Deutschland importiert, wo derzeit im Wochentakt neue Regionalgruppen entstehen und es kaum noch eine rechte Demonstration gibt, auf der nicht auch die auffälligen schwarz-gelben Fahnen geschwenkt werden. Das Erkennungszeichen der Identitären ist ein Kreis, in dem ein Keil nach oben ragt. Die Identitären versuchen gerne mit mehr oder weniger spektakulären Aktionen auf sich aufmerksam zu machen: Da werden nachts Plakate oder Transparente aufgehängt, Parteibüros der politischen Gegner besetzt oder Konzert- und Theaterbühnen gestürmt, wobei alles stets gefilmt und die Videos anschließend ins Netz gestellt werden.

Vom Verfassungsschutz beobachtet

Die Identitären unterhalten enge Kontakte zur AfD, teilweise gibt es auch personelle Überschneidungen. Zugleich ist die Bewegung Auffangbecken für Rechtsextremisten, teils aus verbotenen Neonazi-Organisationen. Inzwischen ist auch der Verfassungsschutz auf die Identitären aufmerksam geworden, in einigen Bundesländern, darunter auch Bayern, wird die Bewegung als rechtsextremistisch eingestuft und beobachtet. Von Seiten der klassischen Neonazis werden die Identitären teils mit Misstrauen, teils durchaus mit Wohlwollend betrachtet. Zwar veranstalte die neue Bewegung einen "Eiertanz um Rassismus und Nationalsozialismus", hieß es unlängst in einem einschlägigen Internetforum, grundsätzlich gebe es aber viele Gemeinsamkeiten zwischen Nationalsozialisten und den meisten Identitären.

"Die Identitäre Bewegung bleibt für uns letztlich nur eine legale Vorfeldorganisation und ein Rekrutierungsbüro."

Zitat aus einschlägigem Internetforum

Dem ist eigentlich wenig hinzuzufügen.