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Horst Seehofer Der Umtreiber und Getriebene

Wenn er ganz bei sich sein will, steigt Horst Seehofer in seinem Ferienhaus im Altmühltal hinunter in den Keller, zur Modelleisenbahn. Auch bei klassischer Musik gelingt es ihm abzuschalten von seiner eigentlichen Leidenschaft, der Politik. Sie strapaziert ihn, befriedigt aber auch. Als Kind schien das alles unerreichbar.

Von: Veronika Beer

Stand: 15.03.2012 | Archiv

Horst Seehofer | Bild: picture-alliance/dpa

Seehofer, geboren 1949 in Ingolstadt, stammt aus armen Verhältnissen und hat sich hochgearbeitet - wie sein Bruder Dieter, der heute die Ingolstädter Sparkasse leitet. Auch für den Älteren ist es ein langer Weg bis zum Ziel: dem Amt des bayerischen Ministerpräsidenten.

Als Bub trägt er Zeitungen aus, schreibt kleine Sportmeldungen für den Donaukurier, finanziert sich so ein Fahrrad sowie das Handball- und Tennisspielen. Ein wirklicher Teamplayer aber sei er nie gewesen, sagen Kameraden aus der Jugend. Offenbar gibt Seehofer schon damals das Alphatier. Niederlagen wegzustecken, gehört da noch nicht zu seinen Stärken.

"Bei mir sind Beethoven, Mozart, Haydn und Brahms zu Hause, und ich habe eine bunte Mischung auf meiner Festplatte, die ich über Kopfhörer höre."

Seehofer über sein Hobby klassische Musik

Erst für die Gemeinschaft, dann für die Sache

In der Schule zählt Seehofer zu den Besten. Sein Ehrgeiz verschafft ihm eine Ausbildungsstelle im Landratsamt Ingolstadt. Zum Studieren bleibt zunächst kein Geld. Doch die Behörde ist Seehofer auf Dauer nicht genug. Er spart - und schließt an der Münchner Wirtschaftsakademie sein Studium zum Diplom-Verwaltungswirt ab.

Die Politik kommt eher zufällig dazu. Im Jahr 1969 tritt Seehofer der Jungen Union bei, 1971 der Christlich-Sozialen Union (CSU). Mehr um der Gemeinschaft Willen, für Urlaube und Kegelabende im Kreis der Freunde - und weniger, um die Welt zu verändern.

Der Polit-Junkie auf der Intensivstation

Doch irgendwann packt den jungen Mann der Eifer. Er ist infiziert von der Macht, Probleme nach eigenen Vorstellungen zu lösen, wird zum Polit-Junkie. Als 30-Jähriger schafft er als Abgeordneter den Sprung in den Bundestag. Er arbeitet von 6.00 Uhr früh bis Mitternacht, informiert sich über Gesundheits- und Sozialpolitik, will weiterkommen. Auch dann noch, wenn es viel zu viel ist.

Die eigene Gesundheit aber stellt Seehofer hinten an. 2002 wird er nach einer verschleppten Grippe mit einer Herzmuskelentzündung auf die Intensivstation gebracht. Seehofer überlebt mit Glück und wegen seiner Kämpfernatur, sagen die Ärzte. Doch er kommt nur allmählich wieder zu Kräften. Sein Verstand sagt ihm, er solle kürzer treten, doch sein Naturell lässt das nicht zu. Genau diese Eigenschaft ist es schließlich auch, die ihn im Freistaat ganz nach oben bringt: Den Posten des bayerischen Ministerpräsidenten nennt er 2008 "den größten Moment in meinem politischen Leben".

Und dann, im Februar und März 2012, wird Seehofer als Bundesratspräsident nach dem Wulff-Rücktritt auch noch kommissarischer Bundespräsident und damit erster Mann im Staat. Er nimmt es gelassen - und nimmt sich für die Zeit danach fest vor, über den Dingen zu stehen und nicht mehr auf jede parteipolitische Keilerei im Freistaat anzuspringen.

Privates eingestehen, Politisches aussitzen

Privat läuft vieles komplizierter. Die erste Ehe mit seiner Jugendliebe Christel scheitert. Am Landratsamt Eichstätt lernt er Karin kennen, die für ihn die gemeinsamen drei Kinder Ulrike, Andreas und Susanne erzieht. Im Ingolstädter Vorort Gerolfing, wo sie zusammenleben, hält er sich selten auf. Das liegt am Beruf, aber da ist noch mehr: Seehofers zweite Lebensgefährtin, die 2007 in Berlin seine Tochter Anna-Felicia zur Welt bringt. Er bekennt sich zu dem Mädchen, entscheidet sich am Ende aber für seine Familie in Bayern.

Dort ist der CSU-Chef, der zwischenzeitlich in Karl-Theodor zu Guttenbergs Schatten zu fallen drohte, medial so präsent wie keiner. Er ist der wiederentdeckte Hoffnungsträger der Christsozialen, der sich auf Comebacks versteht.

Stehaufmännchen kehrt heim

Denn politisch wird er in seiner Karriere mehrfach für tot erklärt. Vor allem 2004, als er sich im Streit über die Kopfpauschale bei der Gesundheitsreform die CDU-Chefin Angela Merkel zur Feindin macht. Auch mit Edmund Stoiber (CSU) gerät Seehofer in politischen Fragen vielfach aneinander. Kurz darauf verliert er seinen Posten als Unionsfraktionsvize im Bundestag und beschließt, als Vorsitzender des Sozialverbands VdK gegen Stoibers umstrittene Reformen in Bayern vorzugehen. Doch lange hält es ihn nicht auf dem Posten. Er kämpft sich zurück auf die politische Bühne, seine Heimat.

"Alles, was mich an Filmen und Literatur interessiert, lege ich zur Seite, und es kommt bei mir Zuhause, in Ingolstadt-Gerolfingen, in einen Schrank."

Seehofer über seine Pläne für den Ruhestand


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