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Der Prediger Wenn sich Vogel-Zöglinge militarisieren

Pierre Vogel gilt als gemäßigter salafistischer Prediger. Seine Anhängerschaft will er auf den Pfad der Tugend führen – ein gottgefälliges Leben ohne Drogen und Disko. Aber dabei bleibt es nicht immer. Vogel-Zöglinge militarisieren sich.

Von: Joseph Röhmel

Stand: 06.03.2016 | Archiv

Umstrittener Prediger Pierre Vogel  | Bild: picture-alliance/dpa

Wenn sich Pierre Vogel von den Medien angegriffen fühlt, dann dauert es nicht lange, bis er via Youtube und Facebook den Gegenangriff startet. Auf Videos sieht man dann einen aufgeregten Pierre Vogel, der alles relativiert, was auf ihn einprasselt. Auch diesmal ist das nicht anders.  

"Ich hab sie dreimal in meinem Leben getroffen - fünf bis zehn Minuten", sagt Vogel. Er versucht dabei entspannt zu wirken, aber der aggressive Unterton ist unüberhörbar. Vogel meint Safia – die 15-Jährige, die vor einigen Tagen einem Bundespolizisten in Hannover ein Messer in den Hals gerammt hat. Vogel selbst hat das Mädchen zumindest ein bisschen gekannt. Internet-Videos zeugen davon. "Neues von Safia", heißt die Video-Reihe. Einige der Filme stammen wohl aus dem Jahr 2009.   

Damals ist Safia noch ein kleines Mädchen. Vogel spricht mit ihr über den Koran. "Mit deiner Mutter übst du ja immer", sagt Vogel. "Nicht immer", antwortet das Mädchen. Schon damals tritt Pierre Vogel als jemand auf, der seinen Glaubensbrüdern- und schwestern den richtigen Weg aufzeigen will. Vogel selbst ist zum Islam konvertiert - ein ehemaliger Boxer aus Frechen bei Köln. Er hat eine ganz klare Vorstellung, wie man sich Wissen aneignet.

"Natürlich ist es schön, wenn man den Koran lernt. Nur man sollte darauf achten, dass die Kinder den Koran mit den richtigen Regeln lernen. Weil wenn du ihn einmal falsch gelernt hast, hast du das irgendwann drin. Dann kriegst du das nicht mehr raus."

Pierre Vogel und Safia

"Sie ist unsere Schwester (...)"

Als Vogel spricht, lauscht Safia aufmerksam, blickt schüchtern zur Seite. Inzwischen hat das Mädchen seine Schüchternheit abgelegt, wie die Attacke in Hannover auf den schwer verletzten Bundespolizisten beweist. Offenbar war die Tat der Deutsch-Marakokkanerin islamistisch motiviert. Vogel hat sich immer wieder klar von Terrormilizen wie dem Islamischen Staat distanziert. Das tut er auch diesmal, als er in seiner Video-Stellungnahme Safias Angriff auf den Polizisten thematisiert:

"Natürlich sind wir gegen so eine Tat, wenn es sich wirklich so abgespielt hat, wie es gesagt wurde, dass grundlos in den Hals gestochen wurde, was wir bezweifeln. (...) Wir wollen sagen: Sie ist trotzdem unsere Schwester, sie ist 15 Jahre alt. Sie ist noch sehr jung. Es könnte sein, dass ihr irgendjemand seltsame Gedanken eingeflüstert hat."

Pierre Vogel

Vogel sagt, er habe das Mädchen viele Jahre nicht gesehen. Die Schuld an der Tat trägt aus seiner Sicht der von ihm häufig kritisierte Verfassungsschutz. Der verhindere seit Jahren, dass er in Hannover auftreten könne. Heißt im Umkehrschluss: Vogel meint es gut mit seinen Mitmenschen. Er will sie vom einzig wahren Glauben überzeugen – dem Islam. Wer nicht konvertiert, dem droht die Hölle. Das macht den Prediger zu einem Fundamentalisten. Aber sein Wirken ist ganz offensichtlich nicht darauf ausgerichtet, junge Menschen für Terrormilizen zu rekrutieren.

Votrag verhindert

Trotzdem: Experten halten den Prediger für einen geistigen Brandstifter, der schon seit vielen Jahren aktiv ist. Als er im Jahr 2007 in einem kirchlichen Zentrum in München einen "öffentlichen Vortrag über Religionen" halten will, funkt das Erzbischöfliche Ordinariat München dazwischen. Der Vortrag findet nicht statt.

"Unverzüglich zu dieser Person eingeleitete Nachforschungen ergaben, dass Pierre Vogel unter anderem auch dadurch bekannt ist, dass er christliche Positionen so darstellt, dass die Botschaft des Christentums verzerrt und entstellt wird. So zitiert er laut Zeitungsberichten das Alte und Neue Testament, um zu beweisen, dass im Gegensatz zum Koran Juden und Christen sehr wohl einen grausamen und rächenden Gott hätten. Eine solche agitatorische Position ist sachlich falsch. Sie dient nicht dem friedlichen Dialog, sondern fördert Polarisierung und Aggression."

Auszug aus der Stellungnahme des Erzbischöflichen Ordinariats 

Weg von der Straße

Von Vogels Art gibt es mehrere in Deutschland. Die salafistischen Prediger kommen aus Hamburg, Berlin und München, haben eigene Youtube-Kanäle und wirken auch direkt vor Ort. Sie holen die Jugendlichen weg von Drogen und Alkohol.

Er habe ihn irgendwann verloren, sagt ein Prediger aus Bayern über einen jungen Mann, der derzeit in Untersuchungshaft sitzt, weil er offenbar nach Syrien ausreisen wollte, um sich dort einer Terrormiliz anzuschließen. Der Prediger aus Bayern holte ihn vor einigen Jahren von der Straße, lehrte ihm den Islam. Es gibt Fotos im Internet, die zeigen den Prediger gemeinsam mit diesem jungen Mann. Die Fotos sind ein paar Jahre alt. Jetzt steht auf der Facebook-Seite des Mannes:

"Viele sind jene, die beschlossen haben zu leben, um zu sterben. Ich aber habe beschlossen, zu sterben, um zu leben!"

Facebook-Zitat

Der junge Mann träumt offensichtlich vom Märtyrer-Tod. Sein einstiger Lehrmeister, der Prediger aus Bayern, ist gegen Terror im Namen Allahs. Umso mehr hat er Angst, seinen Namen zu nennen. Denn er ist jetzt selbst eine Zielscheibe. Immer wieder bedrohen ihn ehemalige Schützlinge, denen er einst den Islam näher brachte.

Die jungen Männer halten den Prediger für lasch, für verweichlicht. Für sie ist er ein Gegner des Dschihad und damit des Islam. Was hat er falsch gemacht? Ist die salafistische Ideologie der Nährboden für eine Radikalisierung? Die Ideologie lehnt Demokratie und Andersgläubige ab. 

Die Suche nach sich selbst

Es hat den Anschein, als wären Vogel und andere Prediger eine Art Einstiegsdroge in den militanten Salafismus. Pädagogen, die in der sogenannten Deradikalisierungsarbeit aktiv sind, und auch Menschen betreuen, die sich vom Islamischen Staat angezogen fühlen, bringen es auf den Punkt: "Pierre Vogel meint es vielleicht gut, aber irgendwas macht er falsch. Ansonsten kann ich mir nicht erklären, wieso sich viele meiner Klienten Videos von Pierre Vogel ansehen."   

Ein gläubiger Muslim sein, keinen Alkohol trinken, fünfmal am Tag beten und andere Regeln – das wird irgendwann eintönig. Diese jungen Menschen haben vielleicht psychische Probleme, sind auf der Suche nach sich selbst. Irgendwann wollen sie wieder mehr Action  in ihrem Leben – und suchen sich dann noch radikalere Zugänge, heißt es aus Sicherheitskreisen.

Eine Islamische Jugend

Blick nach Aschaffenburg: Mitten in einer Radikalisierung steckt ein junger Mann aus Aschaffenburg, als der Bayerische Rundfunk mit ihm im Herbst 2015 telefoniert.

"Seit es die Trennung von Staat und Kirche gibt, können wir kein politisches System der Welt mehr akzeptieren, weil das mit Unglauben verbunden ist, den der Koran nicht zulässt. Das einzige, was wir akzeptieren können, ist ein Kalif, der von Gott eingesetzt ist. Nur solche Gesetze akzeptieren wir."

Worte eines Salafisten aus Aschaffenburg

Der junge Mann gehört zur "Islamischen Jugend Aschaffenburg" – einer Gruppe, die der Bayerische Verfassungsschutz beobachtet. Die Gruppe steht noch im Herbst 2015 unter dem Einfluss von Sven Lau, einem engen Freund Pierre Vogels. Lau kommt immer wieder nach Aschaffenburg, hält dort Vorträge.

Inzwischen sitzt Lau in Untersuchungshaft. Die Bundesanwaltschaft ermittelt gegen ihn, weil er als verlängerter Arm der in Syrien aktiven Terrororganisation "Jaish al-muhajirin wa-l-ansar" (JAMWA) tätig gewesen sein soll. Nach der Spaltung der JAMWA Ende 2013 schloss sich der von Lau unterstützte Flügel dem "Islamischen Staat Irak und Großsyrien" (ISIG) an.

Pierre Vogel und die Flüchtlinge

Noch im letzten Jahr haben Vogel und Sven Lau ein gemeinsames Video gedreht. In diesem sprechen sie über die anhaltende Flüchtlingskrise. Sie fordern ihre Glaubensbrüder- und schwestern dazu auf, sich um die Flüchtlinge zu kümmern – mit ihnen zu sprechen, Kleider zu spenden. Verfassungsschützer sind alarmiert, sie fürchten, vor allem junge Flüchtlinge auf der Suche nach Halt und Orientierung könnten sich von der salafistischen Ideologie angezogen fühlen.

Im Blick der Verfassungsschützer ist wieder die Islamische Jugend Aschaffenburg. Die schaltet im Herbst ein eigenes Video auf ihrer Facebookseite, wirbt um Flüchtlingshelfer. Die Angehörigen der Gruppe versuchen, mit den Flüchtlingen in Kontakt zu kommen. Sie haben keinen Erfolg, heißt es. Außerdem ist die Islamische Jugend Aschaffenburg laut bayerischem Verfassungsschutz seit einiger Zeit nicht mehr in Erscheinung getreten.

Trotzdem: Deutschlandweit bleiben Salafisten hartnäckig dran und versuchen sich an Flüchtlinge ranzumachen. Offiziell registriert wurden laut Medienberichten etwa 130 Anwerbeversuche aus dem salafistischen Spektrum. Diese seien mitunter sehr niedrigschwellig in Form von Essens- oder Kleiderspenden. Längst wird der Versuch unternommen, die salafistische Gemeinschaft zu vergrößern - auch dank eines Aufrufs von Pierre Vogel, von dem niemand sagen kann, wie gefährlich oder harmlos er wirklich ist.         

Begriff Salafismus:

Salafisten berufen sich auf die Gemeinschaft Muhammads (Sahaba) und die darauf folgenden zwei Generationen. Sie interpretieren den Koran in der Tradition der frühen islamischen Bewegung. Daher lehnen Demokratie ab.

Die salafistische Bewegung ist keinesfalls homogen. Zu den Hauptgruppen zählen Puristen, politische Salafisten und die jihadistisch orientierte Bewegung. Nur ein kleiner Teil der Salafisten gilt jedoch als gewaltbereit. Doch da die unterschiedliche Strömungen häufig Berührungspunkte miteinander haben, bereitet die salafistische Bewegung nicht nur Sicherheitsbehörden sondern auch Pädagogen Sorgen.


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M.Zöltsch, Sonntag, 20.März 2016, 11:20 Uhr

7. Schutz der Bevölkerung Deutschlands vor aggressiven Religionen

Sagt mal - ganz realistisch und objektiv:
WARUM, wie ist es möglich, daß sich zunehmend aggressiv und offen gegen jegliches, in Jahrhunderten gewachsenes, religiöses Miteinander und unsere "Staatsordnung" hetzenden Extremisten in diesem LAND immer noch so völlig unbekümmert zwischen uns bewegen können ? Warum kassiert NIEMAND solche gegen die normale, mitteleuropäische Kultur kriminalisierenden HETZER und Rebellen ?
Schaut nach Rußland, Türkei, Ägypten, Syrien, Ungarn, . . . kennt man dort religiöse Gefährder der Zivilordnung?
Und in diesem "Staat" ? Wo bleibt der Schutz der normalen, zivilisierten Bevölkerung vor diesen immer selbstbewußter auftretenden, in einem religiösen Fanatismus agierenden GOTTESKRIEGERN ?

Wo soll das noch hinführen ? Mit welcher PETITION müssen wir gemässigten, friedliebenden Bürger die "Staatsführung" aufwecken, daß endlich KONSEQUENTE Maßnahmen ergriffen werden, um unsere eigene Kultur vor fremdreligiösen Zwängen zu schützen ?

I.S., Sonntag, 20.März 2016, 09:44 Uhr

6. Salafist> Rassist

Salafisten und Islamisten sind nichts anderes als Rassisten nur im umgekehrten Sinne.Da gehört auch Piere Vogel dazu Jeder der unsere Freiheit einschränken will ,vor allem die von Frauen, ist ein Pharisäer. Sozialarbeiter einfach lächerlich ohne Studium sowieso nicht. Der Koran ist genau wie die Bibel ein Buch und Papier ist geduldig. Es gibt viele Lehren und Bücher nur wie leben es die Menschen ,das ist die Frage und nur das ist entscheidend. Da wo ich andere um ihre Freiheit beraube ist die Grenze von Religion erreicht . Wenn sie so Leben wollen ,es gibt genügend Länder wo der Islam und Salafismus eine Staatsreligion sind. Uns braucht niemand bekehren wir haben ein Grundgesetz.Aber genau das ist das Ziel sie wollen die ganze Welt bekehren...das wollte ein Mann vor 70 Jahren auch schon.Der Rest ist leider Geschichte.
Gottseidank kann bei uns Frau und Mann seine freie Meinung sagen ohne eingebuchtet zu werden, Rassistische Äußerungen ausgeschlossen.

Votan, Sonntag, 06.März 2016, 23:27 Uhr

5.

Er ist ein typ der junge Menschen Gehirnwäsche verpasst, wenn was passiert dann sagt er der Verfassungschutz wäre schuld. Warum leben solche Menschen bei den Ungläubigen wen es denen so schlecht geht in Deutschland? Wegen ihm sind einige nach Syrien gereist um für IS zu kämpfen. Er redet sich immer wieder heraus das er damit nichts zu tuen hatte.

Tommy, Sonntag, 06.März 2016, 20:27 Uhr

4.

Er ist kein Sozialarbeiter. Sozialarbeiter sind Akademiker, die Soziale Arbeit/Sozialpädagogik studiert haben. Und das hat er nicht.
Er ist ein islamistischer Prediger, mehr nicht. Er sagt zwar, er ist gegen Zwangsehe, Ehrenmorde oder Terroranschläge, wollte aber ein öffentliches Totengebet für Osama bin Laden abhalten oder trägt Shirts vom IS.
"Natürlich sind wir gegen so eine Tat, wenn es sich wirklich so abgespielt hat, wie es gesagt wurde, dass grundlos in den Hals gestochen wurde, was wir bezweifeln." "... was wir bezweifeln ..." Er verhöhnt den Bundespolizisten, der Opfer eines versuchten Mordes wurde.
Er ist der typische Wolf im Schafspelz.

Günter Blaschczok, Sonntag, 06.März 2016, 19:49 Uhr

3. Pierre Vogel

Ich bin sicherlich kein Gutmensch und werde auch nicht ins Paradies kommen das sich bekanntlich ja im Himmel befinden soll . Also bleibt für meine Person nur die Hölle , aber wo soll sich diese denn befinden ?

  • Antwort von Schlaufuchs, Donnerstag, 17.März, 15:17 Uhr

    Wenn man hört, der Islam sei der einzige Weg ins Paradies, dann gibt es ja prinzipiell zwei Möglichkeiten: Entweder es stimmt, oder eben nicht. Wenn es stimmt, was ja möglich ist (objektiv, logisch betrachtet), dann bedeutet dies, dass man in die Hölle kommt, nimmt man den Islam nicht an. Warum also, wenn es diese Möglichkeit prinzipiell gibt, geht man der Frage nicht einfach nach, liest den Koran, hört sich was an und denkt etwas nach, um sich zu überzeugen: entweder davon, dass der Islam wirklich die einzige Wahrheit ist, und nimmt ihn dann an; oder, dass er es eben nicht ist, und nimmt ihn eben nicht an?