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Als Priester verkleideter Attentäter Kirchenoberhaupt entgeht Selbstmordanschlag

Der Patriarch der syrisch-orthodoxen Kirche, Mor Ignatius Aphrem II, entging nur knapp einem Selbstmordattentat. Der Täter hatte sich als Priester verkleidet. Noch nie zuvor war dort ein Kirchenführer Ziel eines terroristischen Anschlags - bis jetzt.

Von: Stefan Meining

Stand: 20.06.2016

Mor Ignatius Aphrem II  mit Kind | Bild: picture-alliance/dpa

Ein Selbstmordattentäter versuchte am gestrigen Sonntag, den Patriarchen der Syrisch-Orthodoxen Kirche, Mor Ignatius Aphrem II, während eines Gottesdienstes in der Stadt Qamishli in Nordost-Syrien mit in den Tod zu reißen. Christlichen Sicherheitskräften gelang es, den Mann in letzter Minute aufzuhalten, bevor er in das Gebäude der Bruderschaft von Mor Gabriel eindringen konnte.

Als Priester verkleidet

Unmittelbar danach zündete der Attentäter die Bombe. Der Attentäter war laut Informationen der in Brüssel ansässigen "European Syriac Union" als Priester verkleidet. Wenig später wären aus einem Auto Schüsse abgefeuert worden.

Ein Toter, zehn Verletzte

Bei dem Anschlag kam ein Mann der christlichen Sicherheitskräfte "Sutoro" ums Leben; zehn weitere Sutoro-Männer wurden zum Teil schwer verletzt. In einer ersten Stellungnahme appellierte der Zentralrat Orientalischer Christen in Deutschland "an die internationale Staatengemeinschaft ihren Einfluss geltend zu machen, damit die Friedensverhandlungen schneller voranschreiten." Ansonsten bestehe die Gefahr, dass auch die letzten noch in der Region lebenden Christen ihr Heil in der Flucht suchen.

Patriarch weist im BR-Interview auf Gefahr hin

Der Anschlag stellt eine weitere Eskalation der Gewalt gegen Christen in Syrien dar. Nie zuvor war ein Kirchenführer offensichtliches Ziel eines Anschlags gewesen. Der Patriarch gilt als einer der bedeutendsten Persönlichkeiten der orientalischen Kirchen weltweit. Bereits wenige Monate nach seiner Amtseinführung hatte er in einem Exklusivinterview mit dem Bayerischen Rundfunk Ende 2014 auf die extrem schwierige Lage der orientalischen Christenheit hingewiesen.

Zu Feierlichkeiten angereist

Bislang gibt es noch keine Informationen zum Hintergrund des Täters oder zu seinem Umfeld. Patriarch Mor Ignatius Aphrem II war nach Qamishli gekommen, um dort mit hunderten Christen aus der ganzen Region ein Denkmal zur Erinnerung an den Völkermord von 1915 im damaligen Osmanischen Reich einzuweihen. Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges und dem Zusammenbruch des Osmanischen Reiches hatten sich zahlreiche überlebende Christen der unterschiedlichsten Konfessionen, darunter sehr viele Angehörige der syrisch-orthodoxen Kirche, nach Syrien gerettet.

Qamishli, das direkt an der Grenze zur heutigen Türkei liegt, wurde zu einem Zentrum der syrischen Christenheit mit einer starken christlichen Mehrheit. Seit dem Ausbruch des syrischen Bürgerkrieges und dem Vormarsch islamistischer Terrormilizen sind viele Christen aus Qamishli nach Deutschland und Europa geflohen.

Christen gegen Terrormiliz

Heute bilden die Christen in Qamishli nur mehr eine kleine Minderheit. Das ARD-Politmagazin "report München" hat in den letzten Jahren immer wieder über die schwierige Lage der orientalischen Christen berichtet. 2012 ist es einem Reporter des Politmagazins erstmals gelungen, in das umkämpfte Qamishli vorzudringen und von dort zu berichten. Inzwischen haben sich mehr als tausend Christen zu Milizen zusammengeschlossen und kämpfen mit kurdischen und arabischen Einheiten gegen die Truppen des sogenannten "Islamischen Staates".


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