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Waidhaus: 25 Jahre Grenzöffnung Gasthof Biehler bewirtete Genscher und Dienstbier

Bei der Grenzöffnung im Jahr 1989 in Waidhaus spielte auch der Landgasthof Biehler eine Rolle. Die Familie organisierte in Windeseile ein festliches Menu für Genscher und Dienstbier mit Begleitern - und weitere notwendige Dinge.

Von: Silke Droll

Stand: 23.12.2014 | Archiv

Im Jahr 1989 überschlugen sich die Ereignisse: Erst reisten immer mehr DDR-Bürger über Ungarn und die damalige Tschechoslowakei in die Bundesrepublik aus, dann fiel die Mauer in Berlin - und schließlich auch der Eiserne Vorhang, der Europa jahrzehntelang getrennt hatte. Das historische Datum für Bayern und Böhmen ist dabei der 23. Dezember.

Anruf vom Außenministerium am 21. Dezember

Der damalige Außenminister Hans-Dietrich Genscher und sein tschechischer Amtskollege Jiri Dienstbier durchschnitten damals mit einem Bolzenschneider den Stacheldraht in Nové Domky (Neuhäusl), unweit des Grenzübergangs Waidhaus / Rozvadov (Roßhaupt). Für die Menschen in Waidhaus kam damals der wichtigste Tag in ihrer jüngeren Geschichte vollkommen überraschend. Auch der Gasthof Biehler, der die Feier zur Grenzöffnung ausrichtete, wurde erst sehr kurzfristig informiert. Der Sohn der damaligen Wirtsleute, Peter Biehler, damals 28 Jahre alt, erinnert sich mit Gänsehaut an die aufregenden Ereignisse.

"Am 21. Dezember klingelte das Telefon und das Bundesaußenministerium, aus Bonn damals noch, war dran. Da hat sich ein Protokollchef, ein Herr Schneider angekündigt, der dann am 22. bei uns erschienen ist - mit einem Riesen-Protokoll und einem Aufgabenplan."

Peter Biehler

Auf einmal spielte der kleine Landgasthof seiner Eltern eine Nebenrolle in den weltpolitischen Umwälzungen. Wichtigste Aufgabe: In Windeseile ein erlesenes Menü für die Politiker-Riege von rund 50 Personen zu organisieren. Eine Riesen-Herausforderung war das für die Biehler - noch dazu kurz vor Weihnachten. Peter Biehlers Bruder Heiner, der heute den Gasthof führt, schlug als Hauptgang Rehrücken vor, den konnte er über Kontakte am schnellsten organisieren. Für die begleitenden Weine verlangte der Protokollchef damals nach speziellen Anbaugebieten - auch das wurde gelöst. Die Bewirtung war aber nicht die einzige Aufgabe.

Zum informellen Flaggentausch an die Grenze

Die Biehlers sollten helfen, schwarze Limousinen für die Staatsgäste bereitzustellen. Das Autohaus Ach in Weiden staunte nicht schlecht, als Peter Biehler mit diesem Wunsch auftauchte. Ohne zu wissen, wofür eigentlich, wurden die Autos organisiert. Für das historische Ereignis wurden unbedingt auch Flaggen gebraucht - und zwar tschechische auf deutscher Seite und deutsche auf tschechischer Seite. Nach 40 Jahren Trennung gab es die nicht einfach so auf Vorrat im Nachbarland. Das war die Gelegenheit für eine erste Annäherung mit den Tschechen. Für den Flaggentausch drückten die Grenzer schon mal vor der offiziellen Öffnung ein Auge zu. Der damalige Bürgermeister von Waidhaus, Gustl Reichenberger, traf sich dort mit seinem Amtskollegen.

"Ich bin mit dem damaligen Bürgermeister, Gustl Reichenberger, Ohne Visum, ohne alles, über die Grenze. Die deutschen Grenzer haben uns den Schlagbaum geöffnet. Da tauschten wir mit den Tschechen Flaggen aus. Das haben wir mit Wodka begossen."

Peter Biehler

An ein weiteres Detail dieser Tage erinnert sich Peter Biehler mit einem kleinen Schmunzeln. Er erinnert sich an mehrere Anrufe des Büros von Edmund Stoiber, damals bayerischer Innenminister, beim Protokollchef Schenider. Offenbar wollte Stoiber bei dem historischen Ereignis unbedingt dabei sein. Doch Schneider blieb hart. "Herr Genscher wünscht ihre Teilnahme nicht", habe er immer wieder gesagt.

Vier-Augen-Gespräch im Wohnzimmer

Trotz der kurzfristigen Vorbereitung klappte schließlich alles wunderbar. Zum festlichen Mittagessen nach der Grenzöffnung servierten die Biehlers als Vorspeise Forellenfilet mit Sahnemerrettich, als Hauptgang Rehrücken mit Pfifferling-Rahmsauce und als Nachspeise selbstgemachtes Fürst-Pückler-Eis mit Früchten und Sahne. Danach zogen sich Genscher und Dienstbier zum Vier-Augen-Gespräch zurück - und zwar in die weihnachtliche Atmosphäre des privaten Wohnzimmers der Biehlers. Dort waren schon Krippe und Christbaum aufgebaut. Peter Biehler bediente die beiden Politiker und erfuhr so nebenbei weitere spannende Neuigkeiten.

"Das war für mich brandheiß, was man da alles gehört hat. Mittlerweile ist das alles Geschichte. Dass zum Beispiel zum 1.Juli 1990 die Visumspflicht aufgehoben werden sollte. Für uns als Grenzbürger war das ja damals noch ganz normal, dass wir erstmal unsere Pässe nach Bonn geschickt haben ins Konsulat, dann haben wir unsere Visa erhalten und dann durften wir erst einreisen."

Peter Biehler


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