NSU-Prozess


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NSU-Prozess: 425. Verhandlungstag "Unschuldig" – Verteidiger von Wohlleben fordern Freispruch

Die Verteidiger von Ralf Wohlleben haben im NSU-Prozess scharfe Kritik am Staatsschutzsenat des Münchner Oberlandesgerichts und der Bundesanwaltschaft geübt. Für ihren Mandanten forderten sie Freispruch.

Von: Christoph Arnowski

Stand: 15.05.2018 | Archiv

Angeklagter Ralf Wohlleben (links), Rechtsanwalt Olaf Klemke | Bild: pa/dpa/Peter Kneffel

"Ich bin überzeugt, dass Ralf Wohlleben unschuldig ist." Gleich zu Beginn Ihres Plädoyers macht Verteidigerin Nicole Schneiders klar, dass sie die Rolle ihres Mandanten völlig anders bewertet  als die Bundesanwaltschaft. Die Anklagebehörde  sieht gestützt auf die Beweisaufnahme und vor allem auf das Geständnis des Mitangeklagten Carsten S. als erwiesen an, dass sich Wohlleben der Beihilfe zum Mord in neun Fällen schuldig gemacht habe. Die Bundesanwaltschaft forderte deshalb 12 Jahre Haft für den 43-jährigen. Ihrer Überzeugung nach hat Wohlleben zusammen mit Carsten S. die Ceska 83 beschafft. Die Tatwaffe, mit der Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos neun Menschen ausländischer Herkunft ermordeten.

Vorwurf der Vorverurteilung

Doch für die Verteidiger des früheren NPD-Funktionärs ist das längst nicht erwiesen. Schneiders und ihr Kollege Olaf Klemke erheben in ihren Schlussvorträgen schwere Vorwürfe. Das Urteil habe in diesem Prozess von vorneherein festgestanden, der Senat sei nicht an der "Aufklärung der Verbrechen interessiert gewesen, sondern nur daran, die Anklage zu bestätigen". Zum Beleg für diese These führen Schneiders und Klemke an, dass das Gericht viele ihrer Beweisanträge abgelehnt habe, mit denen sie nachweisen wollten, dass die Tatwaffe auch auf ganz anderem Weg zu Böhnhardt und Mundlos gelangt sein könnte.

Ganz nebenbei stellen die Anwälte von Wohlleben im Rahmen ihrer Schlussplädoyers erneut mehrere Beweisanträge in diese Richtung, ohne diese im Einzelnen zu begründen. Befürchtungen, dass dies den Prozess erneut aufhalten können, zerstreuen Vertreter der Nebenklage in einer Verhandlungspause. Das Gericht, so sagen sie, könne diese Anträge auch erst im Rahmen des Urteils ablehnen.

"Beweislage nicht ausreichend"

Scharfe Kritik üben die Verteidiger  von Wohlleben auch an der Berichterstattung der Medien. Schneiders spricht von "Vorverurteilung" und "Hetze", Klemke von den Massenmedien, die "nicht ohne Grund als Lügenpresse" bezeichnet würden. Schwere Vorwürfe erheben sie auch gegen die Verfassungsschutzbehörden. Sie kritisieren, dass eine Woche nach dem Selbstmord von Böhnhardt und Mundlos und dem damit verbundenen Bekanntwerden des NSU und seiner Verbrechen ein Beamter des Bundesamtes für Verfassungsschutz in Köln zahlreiche Akten vernichten ließ. "War der NSU gar ein Konstrukt staatlicher Behörden?", fragt Schneiders. Alle Verbrechen des NSU hätten verhindert werden können, gibt sie sich überzeugt, weil die Strafverfolgungsbehörden die untergetauchten Neonazis frühzeitig festnehmen hätten können. "Die Beweislage reicht für eine Verurteilung nicht aus, ich beantrage Ralf Wohlleben freizusprechen," schließt Schneiders ihr Plädoyer.

Ähnlich argumentiert Verteidiger Klemke. Er wirft der Bundesanwaltschaft vor, dass gar nicht erwiesen sei, ob Carsten S. Böhnhardt und Mundlos die Tatwaffe übergeben habe. Der Mitangeklagte habe selbst gesagt, dass es die Waffe "gewesen sein könnte", betont der Wohlleben-Verteidiger. Auch er hat zuvor das Gericht scharf angegriffen, von Anfang an habe er die Überzeugung, dass die Richter "befangen, parteilich und voreingenommen" seien. Weil sein Mandant über Konzentrationsschwierigkeiten und Kopfschmerzen klagt, muss Klemke seinen Schlussvortrag unterbrechen. Der Vorsitzende Richter Manfred Götzl vertagt am frühen Nachmittag den NSU-Prozess auf morgen.


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