NSU-Prozess


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Tageszusammenfassung, 340. Tag, 25.01.17 Nazipropaganda im Gerichtssaal

Die Zschäpe-Verteidigung versucht weiter, das psychiatrische Gutachten des Sachverständigen Professor Henning Saß anzugreifen – und setzt vor allem auf Verzögerung. Doch heute standen auch die Mitangeklagten Carsten S. und Ralf Wohlleben im Fokus.

Von: Thies Marsen

Stand: 25.01.2017 | Archiv

Ralf Wohlleben mit seiner Verteidigerin Nicole Schneiders (Archiv) | Bild: picture-alliance/dpa/Joerg Koch

Gestern hatte bereits Zschäpes Wahlverteidiger Hermann Borchert versucht, zentrale Aussagen des Gutachtens infrage zu stellen. Und sogar die Angeklagte selbst hatte sich dabei zu Wort gemeldet. Heute Vormittag waren nun ihre sogenannten Alt-Verteidiger an der Reihe, von denen sich Zschäpe mittlerweile weitgehend distanziert hat.

Und die Fragetechnik von Rechtsanwältin Anja Sturm machte von Anfang an deutlich, dass es ihnen vor allem um Verzögerung  geht. Substantielle Fragen waren die Ausnahme, meist erschöpften sich die Ausführungen Sturms darin, dass sie wissen wollte, wie sich denn der Sachverständige in die Akten eingearbeitet habe, worauf dieser teils durchaus sarkastische Antworten lieferte wie: "Durch Lesen."

Streit ums Fragerecht

Die Zschäpe-Verteidiger wollen zudem erreichen, dass der Gutachter seine persönlichen Notizen offenlegt. Da er das ausgeschlossen hat, wollen sie ihn nun dazu verpflichten, dass er diese Unterlagen (knapp 800 Seiten handschriftliche Notizen) in den Prozess mitbringt, um dann die Verhandlungstage "von Tag eins an" durchzugehen.

Nachdem der vorsitzende Richter Manfred Götzl zunächst Anstalten machte, darauf einzugehen, intervenierte schließlich die Bundesanwaltschaft sowie mehrere Nebenkläger. "Es ist vom Fragerecht der Verteidigung nicht umfasst, einen Zeugen oder Sachverständigen mit Hausaufgaben nach Hause zu schicken", so Bundesanwalt Jochen Weingarten. Noch hat der Senat jedoch nicht entschieden, wie er mit der Angelegenheit umgeht.

Wie bestimmend war Beate Zschäpe?

Auch ob das Oberlandesgericht eine Beweisanregung des Nebenklagevertreters Yazuf Narin aufnimmt, ist noch nicht entschieden. Narin würde gerne einen Zeugen laden lassen, der offenbar im Jahr 2011 per Mail und Skype Kontakt zu Uwe Mundlos unterhalten hat, vor allem, um sich über Computerspiele auszutauschen. Mundlos firmierte offenbar unter dem Alias-Namen Max Burkhardt. Nach Angaben des Zeugen wurde ihm das Skypen mit dem Zeugen jedoch schließlich von seiner Freundin verboten. Narin schlussfolgert, dass es sich bei dieser Freundin um Beate Zschäpe gehandelt haben muss und dass diese offenbar direkten Einfluss auf die persönliche Kommunikation von Mundlos genommen habe. Dies decke sich nicht mit dem Selbstbild Zschäpes als unterwürfige Persönlichkeit.

Am frühen Vormittag hatten zudem ein Staatsschutzbeamter der Kriminalpolizei Jena ausgesagt. Er sollte eigentlich über Ralf Wohllebens Aktivitäten in der Neonaziszene aussagen, war dazu allerdings genauso wenig in der Lage wie zwei seiner Kollegen, die gestern geladen waren.

Die Reifeverzögerungen des Carsten S.

Carsten S. (Archiv)

Am Nachmittag sagte dann erneut der Essener Forensiker Norbert Leygraf zur Persönlichkeit des Angeklagten Carsten S. aus, des mutmaßlichen Waffenlieferanten des NSU. Dabei geht es insbesondere um die Frage, ob dieser in der Entwicklung seiner Persönlichkeit zurückgeblieben war, als er seine Taten beging. Davon ist abhängig, ob Carsten S. nach Jugendstrafrecht behandelt wird und damit mit einer geringeren Strafe rechnen kann. Gutachter Leygraf bescheinigte ihm heute erneut zumindest Reifeverzögerungen in Teilen seiner Persönlichkeit.

Verschwörungstheorien der rechtsextremen Szene

Unterdessen nutzte die Verteidigung des Angeklagten Ralf Wohlleben den NSU-Prozess heute einmal mehr unverhohlen für Nazi-Propaganda. Sie beantragte die Befragung eines Demoskopen im Gerichtssaal, um zu beweisen, dass den Deutschen angeblich der Volkstod drohe. Unlängst erst hatte die Wohlleben-Verteidigung beweisen wollen, dass der Hitler-Stellvertreter Rudolf Hess von den Alliierten im Gefängnis ermordet worden sei – auch das eine typische Verschwörungstheorie der rechtsextremen Szene.

Nebenklage-Anwalt  Mehmet Daimagüler bezeichnete die Ausführung denn auch als "Nazijargon". Sollte es noch irgendeinen Zweifel an der ideologischen Einstellung des Angeklagten Wohlleben gegeben haben, so seien diese nun beseitigt.


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