NSU-Prozess


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Zusammenfassung, 368. Tag, 20.6.17 Schlagabtausch um Psychiater und Gutachten

War Beate Zschäpes psychiatrischer Gutachter Professor Joachim Bauer befangen? Wird es ein weiteres forensisches Gutachten zu den beiden toten NSU-Terroristen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt geben? Diese Fragen standen im Mittelpunkt des 368. Verhandlungstages im NSU-Prozess.

Von: Thies Marsen

Stand: 20.06.2017 | Archiv

Der Freiburger Psychiater Joachim Bauer  | Bild: picture-alliance/dpa

Nebenklage und Bundesanwaltschaft sind im NSU-Prozess nur sehr selten einer Meinung. Anders ist das im Fall des Freiburger Psychiaters Joachim Bauer, den Zschäpes Verteidigung als psychiatrisch-forensischen Gutachter bestellt hat, um zu beweisen, dass die Hauptangeklagte nur bedingt schuldfähig ist.

Bauer hatte in seinem Gutachten ausgeführt, dass er Zschäpe vor allem als Opfer sieht. Sie sei quasi eine Gefangene von Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt gewesen, sei von diesen in "verschärfter Geiselhaft" gehalten worden, vermutlich sei sie von beiden sexuell missbraucht, in jedem Fall aber von Böhnhardt regelmäßig geschlagen worden.

Zschäpe, so Bauers Resümee, habe eine dependente Persönlichkeitsstörung, habe sich komplett untergeordnet, aus Angst von Böhnhardt verlassen zu werden, weshalb sie nur vermindert schuldfähig sei.

"Hexenprozess" gegen Beate Zschäpe?

Schon diese Einschätzungen waren von vielen Prozessbeteiligten und -beobachtern mit Kopfschütteln aufgenommen worden. Schließlich ließ sich Bauer aber auch noch dazu herab, sich dem stellvertretenden Chefredakteur der Tageszeitung "Die Welt" per E-Mail anzudienen und ihm eine "exklusive" Geschichte über Zschäpe anzubieten. In dem Schreiben, dass die "Welt" schließlich veröffentlichte, bezeichnet Bauer die Behandlung Zschäpes zudem als "Hexenprozess".

Diese Mail sowie Bauers Verhalten vor Gericht nahm die Nebenklage zum Anlass, ein Ablehnungsgesuch gegen den Sachverständigen einzubringen. Ein Ansinnen, dass auch die Bundesanwaltschaft unterstützt. Der Eindruck, der Gutachter habe nicht überparteilich sondern interessengeleitet gehandelt, sei nachvollziehbar, so Bundesanwältin Anette Greger in einer Stellungnahme. Zudem hätten sich bei der Aussage Bauers "methodische Unzulänglichkeiten" abgezeichnet.

Bauer seinerseits in einem ausführlichen Schriftsatz zu dem Ablehnungsgesuch Stellung genommen und den Vorwurf, befangen zu sein, energisch zurückgewiesen. Der Psychiater sieht sich vielmehr als Opfer einer "eifernden medialen Begleitung des Prozesses". Bestimmte Medien würden ihn  gezielt angreifen, "Falschmeldungen" über ihn verbreiten und sein persönliches Umfeld "ausforschen".

Die Psyche der toten Terroristen

Ob Bauer am Ende wegen Befangenheit abgelehnt wird, muss nun der Strafsenat entscheiden, ebenso, ob ein weiterer Sachverständiger damit beauftragt wird, ein psychiatrisches Gutachten über Böhnhardt und Mundlos zu erstellen. Das hat die Verteidigung von Ralf Wohlleben beantragt.

Sie will damit beweisen, dass die beiden unter einer psychopathischen Persönlichkeitsstörung litten und den mutmaßlichen NSU-Waffenlieferanten Wohlleben sozusagen verführt und über ihre wahren Absichten getäuscht hätten.

Die Bundesanwaltschaft hat der Erstellung eines solchen Gutachtens allerdings heute ausdrücklich widersprochen. Das letzte Wort hat auch in diesem Fall das Oberlandesgericht.


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