NSU-Prozess


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Mammutverfahren läuft seit fünf Jahren NSU-Prozess: Wie gehen die Nebenkläger mit den langen Verzögerungen um?

Der NSU-Prozess tritt seit vielen Monaten auf der Stelle. Die Nebenkläger sind Kummer gewöhnt und sehen auch neue Versuche der Verteidigung, den Prozess zu torpedieren, mit einer gewissen Gelassenheit.

Von: Ina Krauß

Stand: 17.04.2018 | Archiv

Die Nebenkläger Abdulkerim Simsek, Sohn des erschossenen Enver Simsek und die Schwiegermutter Adile Simsek des Verstorbenen im Oberlandesgericht München | Bild: picture-alliance/dpa

Susann E. steht in hellblauer Frühlingsbluse auf dem Vorplatz des Münchner Oberlandesgerichts. Sie raucht gemütlich eine Zigarette - gemeinsam mit ihrer Schwiegermutter und einem verurteilten Rechtsterroristen aus München.

Geduldsprobe für die Hinterbliebenen

Susann E.s Mann, der mutmaßliche NSU-Unterstützer André E., hat gerade im Gerichtssaal einen Punktsieg erreicht. Er stellte Befangenheitsanträge gegen den gesamten Senat - und so musste der NSU-Prozess vergangenen Mittwoch wieder einmal unterbrochen werden. Wieder verzögert sich der lang erwartete Start der Verteidiger-Plädoyers. Es hatte sich bereits am Vortag abgezeichnet. Nebenkläger Abdulkerim Simsek, der Sohn des ersten Mordopfers des NSU, ist deshalb längst abgereist. Er musste schon oft Geduld beweisen in dem seit fast fünf Jahre dauernden Verfahren, zuletzt als die Plädoyers der Nebenklage ständig von Verteidigern unterbrochen wurden.

"Seit fünf Jahren warten wir, auf ein zwei drei Tage, auf einem Monat kommt es nicht an, ja. Im Endeffekt, 2000 wurde mein Vater ermordet, die gesamte Zeit haben wir gewartet."

Abdulkerim Simsek, Nebenkläger im NSU-Prozess

Im NSU-Prozess sind insgesamt 93 Nebenkläger vertreten. Sie sind Angehörige der zehn Mordopfer oder Opfer der Bombenanschläge und Raubüberfälle des NSU. Besonders die Familien der Mordopfer mussten viele Jahre abwarten, bis klar war, dass Rechtsterroristen hinter den Taten steckten. Davor waren die Opfer und ihre Familien selbst kriminalisiert worden, sagt Nebenklage-Anwalt Yavuz Narin, der die Witwe und die Töchter des ermordeten Theodorus Boulgarides vertritt. 

"Das heißt, das Schlimmste für die Opfer, für die Hinterbliebenen, ist schon überstanden, und dass die Mühlen der Justiz nun mal langsam mahlen können in einem Rechtsstaat und die Angeklagten mit ihren Verteidigern erstmal alle Rechte ausschöpfen werden, ist selbstverständlich."

Yavuz Narin, Anwalt der Nebenklage

Juristische Schachzüge blockieren das Verfahren

Doch was in den letzten Wochen und Monaten im NSU-Prozess passiert, ist juristischen Laien kaum zu vermitteln. Der Angeklagte Ralf Wohlleben stellt aussichtslose Beweisanträge - und André E. stellt zuerst eine Serie von Befangenheitsanträgen, jetzt will er kurz vor Ende des Verfahrens plötzlich einen neuen Pflichtverteidiger. Die Bundesanwaltschaft spricht von Prozess-Destruktion. Nebenklage-Anwältin Doris Dierbach, die die Familie des ermordeten Halit Yozgat vertritt, fürchtet, dass das Mammutverfahren verwässert wird.

"Ein Prozess kann sich ja immer ziehen aufgrund irgendwelcher unvorhergesehener Ereignisse, die eintreten, das liegt in der Natur der Sache. Aber faktisch passiert hier ja überhaupt nichts, es werden an den Haaren herbeigezogene Befangenheitsanträge gestellt, ausschließlich um den Prozess zu zerstören, das ist der einzige Grund, inhaltliche Gründe gibt es nicht, und das ist etwas, was für die Vertreter der Nebenklage und sicher auch die Nebenklage selbst außerordentlich lästig ist."

Doris Dierbach, Nebenklage-Anwältin

Nebenkläger Abdulkerim Simsek ist also weiter dazu verdammt abzuwarten. Doch am Ende wird es ein Urteil geben und Beate Zschäpe sowie Ralf Wohlleben und André E. müssen mit hohen Haftstrafen rechnen.

"In höchstem Maße sollen sie bestraft werden, sie sollen das Höchste bekommen, was es gibt. Das ist mein Recht."

Abdulkerim Simsek, Nebenkläger im NSU-Prozess


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