NSU-Prozess


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NSU-Prozess, Plädoyers am 424. Verhandlungstag Holger G. - der gute Freund des NSU-Trios

Am 424. Verhandlungstag werden die Verteidiger-Plädoyers voraussichtlich fortgesetzt. Das Wort haben die Anwälte von Holger G., der sich im NSU-Prozess teilweise geständig zeigte. Die Bundesanwaltschaft wirft ihm Unterstützung einer terroristischen Vereinigung vor. Der Angeklagte traf das NSU-Trio auch im Untergrund immer wieder und fuhr sogar mit ihm in den Urlaub. Von den Taten will er nichts gewusst haben.

Von: Ina Krauß

Stand: 09.05.2018 | Archiv

Der Angeklagte Holger G. sitzt am 06.06.2013 im Gerichtssaal des Oberlandesgerichts in München (Bayern) und verbirgt sein Gesicht hinter einer Akte. | Bild: picture-alliance/dpa

Der mutmaßliche NSU-Unterstützer Holger G. ist auf freiem Fuß. Der 43-Jähirge reist jede Woche aus Niedersachsen an, um in der letzten Reihe der Anklagebank Platz zu nehmen. Oft ist er als erster da und liest in einem E-Book. Er wirkt tiefenentspannt. Am Anfang des Prozesses war das noch anders. Hastig liest er am 7. Verhandlungstag eine schriftliche Aussage vom Blatt ab. Er gibt darin zu, Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe unter anderem Ausweis-Papiere und seinen Führerschein überlassen zu haben. Von den Terrorakten der Neonazi-Kameraden im Untergrund will er dagegen nichts gewusst haben. Sein Anwalt Pajam Rokni Yasdi verteidigt Holger G.s Aussage damals so:

"Sie dürfen nicht vergessen, wir reden alle über das Ausmaß dieser Taten aus heutiger Sicht. Aus der damaligen Sicht war weder in den Medien noch sonstwo bekannt, dass es solche Taten gibt, und er hat einfach auch gesagt, dass er mit den Dreien befreundet gewesen ist und er diesen Freunden, die er als Freunde bezeichnet hat ,nicht zugetraut hat, dass die solche Taten begehen."

Pajam Rokni Yasdi, Verteidiger von Holger G.

Opferanwälte halten Holger G. für nicht glaubhaft

Der Rechtsterrorist Uwe Böhnhardt lebte 13 Jahre im Untergrund unter dem Namen Holger G. Kurz nachdem der echte Holger G. ihm Anfang 2004 seinen Führerschein überlassen hatte, fuhren Böhnhardt und Mundlos nach Rostock und töteten Mehmet Turgut, das fünfte Opfer der rassistischen Ceska-Mordserie des NSU. Es folgten weitere Morde und Bombenattentate. All das will der ehemalige Rechtsextremist G. seinen Freunden nicht zugetraut haben, obwohl er ihnen bereits zuvor auf Geheiß des mutmaßlichen NSU-Unterstützers Ralf Wohlleben eine scharfe Waffe überbracht hatte. Und obwohl er aus früheren Richtungsdiskussionen wusste, dass Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe sich für den bewaffneten Kampf ausgesprochen hatten. Opferanwälte halten G.s Geständnis für wertvoll, seine Ausflüchte aber für wenig glaubhaft.

"Er hat versucht, sich rauszureden. Wenn man die kennt, die im Untergrund leben, denen man eine scharfe Waffe bringt - das kann man nicht glauben."

Sebastian Scharmer, Nebenklage-Anwalt

Für Bundesanwalt Herbert Diemer war Holger G. dennoch seit Beginn der NSU-Ermittlungen sowohl ein Beschuldigter als auch ein wichtiger Belastungszeuge.

"Da hat der Angeklagte Holger G. im Ermittlungsverfahren bekundet, dass - wenn es ums Geldausgeben ging - das Geld immer von der Angeklagten Zschäpe kam, dass sie die Finanzen im Griff hatte. Außerdem hat er Zschäpe als durchsetzungsstark und gewaltbereit bezeichnet und als gleichberechtigtes Mitglied."

Herbert Diemer, Bundesanwalt

Anklage gegen Zschäpe stützt sich sehr auf G.s Aussage

Die Anklage gegen Beate Zschäpe wegen Mittäterschaft beruht in wesentlichen Teilen auf der Aussage von Holger G. und die Bundesanwaltschaft sieht diese durch zahlreiche Zeugenaussagen bestätigt. Demnach war Beate Zschäpe gleichberechtigtes Mitglied im NSU.

"Das ist ein ganz wichtiger Gesichtspunkt für uns. Er hat in seiner Einlassung immer von den Dreien gesprochen, und die hat er vorher namentlich identifiziert: Gemeint hat er eindeutig Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe, das war für uns entscheidend."

Herbert Diemer

Denn damit stützt Holger G.s Aussage die umstrittene These der Bundesanwaltschaft, beim NSU habe es sich um ein von der Szene abgeschottetes Trio gehandelt. G. selbst will sich 2004 von der rechtsextremen Szene gelöst haben und traf sich doch immer wieder mit seinen alten politischen Weggefährten, auch noch nachdem der NSU aufgeflogen war. Wegen seiner Aussagebereitschaft kommt er in den Plädoyers der Bundesanwaltschaft relativ glimpflich davon. Die Karlsruher Staatsanwälte fordern wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung eine Verurteilung zu fünf Jahren Haft. Holger G.s Anwälte haben angekündigt für ihr Plädoyer einen Tag zu brauchen und werden vermutlich bestreiten, dass ihr Mandant ahnen konnte, welche Taten mit seiner Hilfe begangen wurden.


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