NSU-Prozess


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99. Verhandlungstag, 27.3.2014 Wie ehrlich war der V-Mann?

Am 99. Verhandlungstag des NSU-Prozesses hat ein Ex-Verfassungsschützer detailliert über die Kooperation mit dem damaligen Neonazi-Anführer Brandt berichtet. Und die Wohlleben-Freundin hat weiter ausgesagt.

Stand: 27.03.2014 | Archiv

Hochsicherheitssaal fuer NSU-Prozess | Bild: Bayerischer Rundfunk

Der Ex-Verfassungsschützer hat Tino Brandt, den Gründer des Thüringer Heimatschutzes (THS), vor Gericht als wichtigen und zuverlässigen Informanten gelobt. Er sei sei "unheimlich kooperativ" gewesen, sagte sein V-Mann-Führer, der mittlerweile pensioniert Beamte Norbert W.. "Geldgierig" sei er aber auch gewesen. Und: Zum NSU-Trio habe er dann wenig Informationen geliefert.

Brandts Einsatz für den Verfassungsschutz

Norbert W. schilderte die Anwerbung Brandts. Er habe Flugblätter und Aufrufe zu Demonstrationen ausgewertet, vor allem zu Gedenkdemos für Rudolf Heß Mitte der 90er Jahre, "die politisch für Wirbel gesorgt haben". Dabei sei er auf den Namen Brandt gestoßen. Die Anwerbung sei unproblematisch verlaufen.

Es habe finanzielle Anreize gegeben. Geld blieb nach Einschätzung von W. auch bis zum Ende der Zusammenarbeit im Jahr 2001 das entscheidende Motivationsmittel. Dabei habe Brandt monatlich etwa 1.200 bis 1.500 Mark bekommen. Außerdem habe das Amt ihm Fahrtkosten und Auslagen erstattet. Er sei als Informant telefonisch rund um die Uhr erreichbar gewesen und jede Woche zu einem Treffen erschienen.

"Für Geld hätte er vermutlich 24 Stunden Dienst gemacht und gearbeitet"

, Ex-Verfassungsschützer Norbert W.

Norbert W. schilderte Brandts Aufgaben nach dem Abtauchen des Trios Zschäpe, Böhnhardt und Mundlos. Er sei damals gezielt eingesetzt worden, um den Aufenthalt der drei zu ermitteln. Er sollte die beiden mutmaßlichen Unterstützer Ralf Wohlleben und André K. ausspähen. Dabei habe Brandt aber so gut wie keine Informationen geliefert. Er habe aber Namen von weiteren Unterstützern gemeldet. Auch die Spur zu dem in München mitangeklagten Holger G. habe Brandt geliefert.

Pannen beim Verfassungsschutz

Mit seiner Aussage gewährte der Ex-Verfassungsschützer außerdem ungewöhnliche Einblicke in teils riskante, teils pannenreiche Abläufe seiner Behörde. Während der Suche nach dem Trio seien Beamte der Zielfahndung des Landeskriminalamts beim Verfassungsschutz ein- und ausgegangen und hätten sich an vielen Aktionen beteiligt. "Diese Zusammenarbeit hat fatale Folgen gehabt", so W. vor den Münchner Richtern. Informationen vertraulicher Quellen seien weitergetragen worden. Das hätten die Spitzen der Behörden zu verantworten gehabt.

Die Wohlleben-Freundin

Hochsicherheitssaal fuer NSU-Prozess | Bild: Bayerischer Rundfunk zum Video mit Informationen 98. Verhandlungstag, 26.3.2014 Freundin mit Widersprüchen und Erinnerungslücken

Im NSU-Prozess hat eine frühere Bekannte des Neonazi-Trios widersprüchliche Angaben zu ihrer Rolle beim Untertauchen der späteren mutmaßlichen Terroristen gemacht. [mehr]

Juliane W., eine Ex-Freundin des mitangeklagten Wohlleben, die am Vormittag weiter vernommen wurde, konnte - wie schon am Vortag - nur bruchstückhaft Aussagen machen. Auch die mutmaßliche frühere Helferin des Terrortrios sollte vom Verfassungsschutz auf Wohlleben und K. angesetzt werden. Deshalb erhofften sich die Richter hier mehr Informationen.

Die Rolle von Juliane W. beschäftigte im vergangenen Jahr auch den NSU-Untersuchungsausschuss im Bundestag. Unterlagen legen den Verdacht nahe, dass sie am Sommer 1998 Informationen an den Thüringer Verfassungsschutz gegeben haben könnte. Zehn Treffen sollen belegt sein, meldete damals der MDR. Damit hätte der Nachrichtendienst neben dem Thüringer Neonazi Tino Brandt eine weitere Quelle im unmittelbaren Umfeld der flüchtigen Jenaer Bombenbastler gehabt.


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