NSU-Prozess


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NSU-Prozess, 171. Tag Wie Neonazis ihre Rolle herunterspielen

Das Münchner Oberlandesgericht hat weiter versucht, die Frühphase des NSU auszuleuchten. Es geht um die Jahre 1998 bis 2000 als Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe zunächst in Chemnitz untertauchten.

Von: Thies Marsen

Stand: 16.12.2014 | Archiv

Justizbeamte, die Angeklagte Zschäpe und deren Verteidiger im Gerichtssaal des NSU-Prozesses (Archiv) | Bild: dpa-Bildfunk

In Chemnitz sollen sie Unterstützung aus der dortigen Neonaziszene erhalten haben, insbesondere aus dem rechtsextremen Musiknetzwerk „Blood and Honour“ - konkret sowohl konspirative Wohnungen als auch Waffen und Ausweise. Heute war der langjährige Betreiber mehrerer Neonaziläden, Michael P. geladen. Er und seine damalige Frau Antje sollen bei „Blood and Honour“ mitgemischt haben, Antje P. soll Beate Zschäpe ihren Ausweis für eine geplante Flucht nach Südafrika angeboten haben.

Neonazis als „Patrioten mit Hang zur Romantik“

Wie schon in der vergangenen Woche seine Ex-Frau versuchte auch Michael P. heute seine Rolle weitgehend herunterzuspielen. Er habe zwar ein wirtschaftliches Interesse an "Blood an Honour" gehabt, um bei den Mitgliedern seine CDs und Klamotten verkaufen zu können. Ansonsten habe er davon wenig gehalten und auch das Engagement seiner damaligen Frau habe er kritisch gesehen. Sie sei jedoch „der Typ Mensch, der nicht alles hinterfragt“, so der Zeuge. Sie habe aber sicherlich keine wichtige Rolle gespielt. Überhaupt habe es sich bei "Blood and Honour" lediglich um einen Verein gehandelt für „patriotische junge Menschen mit Hang zur Romantik“. Über die Musik habe man die „Herzen der Leute“ erreichen wollen.

Waffen oder Gewalt sei zu keinem Zeitpunkt Thema gewesen, so der Zeuge weiter. Die Ausführungen von Michael P. waren teils derart grotesk, dass im Publikum immer wieder Unruhe aufkam.

Wie die mutmaßliche Mordwaffe zum Trio kam

Seine Befragung wurde am späteren Vormittag kurzzeitig unterbrochen, um einen Richter des Bundesgerichtshofs als Zeugen zu vernehmen. Ralph Bünger war es, der den Mitangeklagten Carsten S. nach dessen Verhaftung Ende Januar 2012 erstmals vernahm. Dabei offenbarte Carsten S. auch, dass er im Auftrag des Angeklagten Ralf Wohlleben sowie des Jenaer Neonazis André K. telefonischen Kontakt zu den untergetauchten Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe gehalten hatte, dass er im Auftrag Wohllebens in einem Jenaer Neonaziladen eine Waffe besorgt, sie gemeinsam mit Wohlleben begutachtet und schließlich an das Trio geliefert habe. Bei der Vernehmung wurden Carsten S. damals schwarz-weiß Fotos von Waffen vorgelegt, darunter auch ein Bild der Tatwaffe Ceska, er konnte sich jedoch nicht mehr genau daran erinnern, welche Waffe er damals geliefert hatte.

Carsten S. – der einzige der ausgepackt hat

Carsten S. habe sich bei der Vernehmung überraschenderweise umfassend aussagebereit gezeigt, so der Bundesrichter. Auch über seine eigene Rolle, seinen Weg in die Naziszene und wieder heraus habe er bereitwillig Auskunft gegeben. Carsten S. ist damit eine absolute Ausnahmeerscheinung. Kein anderer Angeklagte und auch keiner der zahlreichen Neonazizeugen hat so umfassend und selbstkritisch ausgesagt. Ganz zu schweigen von dem rechtsextremen Geschäftemacher Michael P. Dessen Befragung wird am Nachmittag fortgesetzt.


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