NSU-Prozess


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NSU-Prozess, 164. Tag Ein Neonazi mit Interesse für "Brauchtum"

War ein heute 40-Jähriger aus Hohenstein-Ernstthal ein NSU-Unterstützer? Nein, beteuert der Mann vor Gericht. Zweifel daran werden schon zu Beginn seiner Aussage deutlich.

Von: Christoph Arnowski

Stand: 25.11.2014 | Archiv

Angeklagte Beate Zschäpe mit ihren Verteidigern am 14.10.14 im Gerichtssaal in München | Bild: dpa-Bildfunk

Der einzige Zeuge des Tages ist öffentlichkeitsscheu. Auf dem Weg in den Gerichtssaal verdeckt Ralph H. sein Gesicht mit einem Aktenordner. Und sein Zeugenbeistand sagt dem wartenden ARD-Team, dass auch er selbst nicht gefilmt werden möchte. Während der Vernehmung durch Richter Götzl wird schnell klar, warum die beiden keinen Wert auf große Publicity legen. Ralph H. gehörte Ende der 1990er-Jahre zur Chemnitzer Neonazi-Szene, nahm an einschlägigen Demos teil. Nach Aussagen Dritter auch an solchen, bei denen auch Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt mitmarschierten. Etwas später habe ihn Thomas S., ein führendes Mitglied aus der Szene, zweimal angesprochen, ob er jemand in seiner Wohnung vorübergehend aufnehmen könne. Beim ersten Treffen seien zwei Männer in Kapuzen dabei gewesen, die er aber, so der Zeuge, nicht erkennen habe können. Und angeblich wollte er auch gar nicht wissen, um wen es ging. Er habe noch bei seinen Eltern gewohnt, so H., deshalb die Anfrage abgelehnt und sich nicht weiter dafür interessiert.

Aussage wirft immer neue Fragen auf

Eine Aussage, die nicht nur den Vorsitzenden Richter Götzl staunen lässt und die viele Prozessbeobachter für unglaubwürdig halten. Schließlich war es die Zeit, als das NSU-Trio Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe gerade in den Untergrund abgetaucht war. Doch Ralph H. bleibt trotz vieler Nachfragen bei seiner Darstellung. Räumt lediglich ein, dass er sich damals schon „rechte Gedanken“ gemacht habe. Als der Richter wissen will, was er konkret damit meint, nuschelt der Zeuge etwas von „Brauchtum“, das „man“ gepflegt habe. Und schließlich: „Asylpolitik war schon ein Thema“.

Hartnäckige Befragung

Die Nebenkläger, die die Ladung dieses Zeugen beantragt haben, werden wohl den ganzen Nachmittag hartnäckig weiter nachfragen. Schließlich wurde der Personalausweis von Ralph H. im Brandschutt der Zwickauer Frühlingsstraße gefunden, der letzten Wohnung von Beate Zschäpe. Laut Anklage soll sie diese 2011 in Brand gesteckt haben, als ihre mutmaßlichen Komplizen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt nach einem missglückten Banküberfall Selbstmord begingen. Wie der Personalausweis dorthin gekommen ist, wurde bisher nicht erörtert. Ralph H. gab allerdings an, dass ihm der Ausweis Jahre zuvor gestohlen worden sei. Mit dem Ausweis wurden dann Waren, wie zum Beispiel ein Nachsichtgerät, an eine Adresse geordert, die unter Vorlage des Ausweises von Ralph H. angemietet worden war.


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