NSU-Prozess


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NSU-Prozess, 162. Tag „Scheiße. Nun glaubt man mir nichts mehr"

Eine sogenannte Szene-Zeugin verstrickt sich in Widersprüche und wird bei einer Lüge ertappt. Unabsichtlich liefert die Frau aber einen möglichen Hinweis auf die NSU-Finanzierung.

Von: Tim Aßmann

Stand: 20.11.2014 | Archiv

Angeklagte Beate Zschäpe mit ihren Verteidigern am 14.10.14 im Gerichtssaal in München | Bild: dpa-Bildfunk

Die 40 Jahre Jahre alte Erzieherin aus dem sächsischen Aue war in den 1990er-Jahren Mitglied des rechtsextremen Blood & Honour-Netzwerks und ist nun im Gerichtssaal erkennbar bemüht, ihre eigene Rolle herunter zu spielen. Ob sie den Angeklagten Andre E. kenne, fragte der Vorsitzende Richter die Zeugin. Die schaute kurz zu dem mutmaßlichen NSU-Helfer auf der Anklagebank hinüber und der schüttelte leicht den Kopf. „Nein“, sagte die Zeugin dann. Richter Manfred Götzl konfrontierte sie daraufhin mit einer alten Vernehmung durch die Polizei. Da hatte sie angegeben, Andre E. sehr wohl zu kennen. „Was sagen Sie dazu“, fragte der Richter die Zeugin. „Scheiße“ antwortete diese und ergänzte: „Nun glaubt man mir nichts mehr“.

Mögliche NSU-Helferin?

Ein V-Mann des Verfassungsschutzes hatte die Frau schwer belastet. Er gab 1998 an, sie sei in die Hilfe sächsischer Neonazis für das untergetauchte Terrortrio aus Thüringen eingebunden, wolle Beate Zschäpe sogar einen Pass für eine mögliche Flucht nach Südafrika zur Verfügung stellen. Das stimme nicht, erklärte die Frau nun im Gerichtssaal. Sie kenne weder Zschäpe noch Uwe Mundlos oder Uwe Böhnhardt. Auf einem alten Foto ist sie aber zu sehen, wie sie auf einer Party direkt neben Mundlos steht.

Konzerteinnahmen für die Terrorzelle?

Die sächsische Sektion von Blood & Honour, zu der die Zeugin gehörte, veranstaltete zahlreiche Konzerte rechtsextremer Bands. Einmal hätte nach einem solchen Konzert die Abendkasse mit rund 20.000 D-Mark gefehlt, erklärte die Zeugin nun wie nebenbei und gab dem Gericht damit möglicherweise einen wichtigen Hinweis auf die Finanzierung des untergetauchten Terrortrios. Ein anderer Rechtsextremer habe damals versucht, das Fehlen der Abendkasse herunter zu spielen und vom Tisch zu wischen, sagte die Zeugin. Dieser Mann ist den Ermittlungsbehörden bekannt. Er gehört zum Kreis der NSU-Helfer.

Wortkarge Zeugin

Blood & Honour wurde im Jahr 2000 offiziell verboten. Im NSU-Prozess sagte die Zeugin nun, in dem Netzwerk sei es nur um Musik gegangen. Was denn inhaltlicher Schwerpunkt gewesen sei, wollte der Vorsitzende Richter Manfred Götzl von der 40 Jahre alten Erzieherin aus Aue wissen. „Weiß ich nicht, wie Sie das meinen“, antwortete die Zeugin. „Meine Fragen sind klar und Sie sagen mir dass, was der Wahrheit entspricht. Hoffe ich zumindest“, entgegnete Manfred Götzl. Später räumte die Zeugin dann ein, dass rassistische Inhalte wie „der Erhalt der weißen Hautfarbe“ durchaus eine Rolle spielten. Die Vernehmung der Frau forderte dem Gericht viel Geduld ab. Sie antwortete nur stockend und wortkarg auf die Fragen und versuchte, die politische Orientierung der Gruppe herunter zu spielen. Die Zeugin tue so, als sei Blood & Honour nur eine „Krabbelgruppe“ gewesen, erklärte Richter Götzl. Die Erzieherin ergänzte daraufhin, es sei „ein Stück weit um rechtes Gedankengut“ gegangen. Nach rund fünf Stunden Vernehmung wurde die Zeugin entlassen. Für heute. Am 10. Dezember soll ihre Vernehmung fortgesetzt werden.

Ceska einwandfrei wieder erkannt

Am Vormittag hatte das Gericht zunächst einen Beamten des Bundeskriminalamts befragt, der Ermittlungen rund um die mutmaßliche Haupttatwaffe des NSU durchführte. Der Angeklagte Carsten S. übergab Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos nach eigenen Angaben jene Ceska-Pistole, mit der neun der zehn Morde begangen worden sein sollen, die dem NSU zur Last gelegt werden. 2012 legte das BKA Carsten S. dann eine ganze Reihe von Pistolen, mit und ohne Schalldämpfer, vor und S. erkannte eine Ceska 83 als den Waffentyp, den er lieferte. Die Beamten hatten Carsten S. allerdings nicht gebeten, die Pistole zu beschreiben, bevor sie ihm die unterschiedlichen Waffen zeigte. Dieses Vorgehen wurde nun von der Zschäpe-Verteidigung stark kritisiert. Die Vorlage der Vergleichswaffen sei dilettantisch abgelaufen, erklärte Zschäpe-Anwalt Wolfgang Stahl.


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