NSU-Prozess


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NSU-Prozess, 161. Tag V-Mann, Führungskader – und Friedensstifter?

Ein V-Mann des bayerischen Landesamtes für Verfassungsschutz ist erst auf Weisung der Behörde in die fränkische und dann in die bundesweite rechte Szene eingestiegen. Das hat jedenfalls Zeuge Kai D. heute im NSU-Prozess über sich ausgesagt. Danach hatte er enge Verbindungen zum Chef des Thüringer Heimatschutzes (THS) und anderen Führungskadern der deutschen Neonazi-Szene.

Von: Tim Aßmann

Stand: 19.11.2014 | Archiv

Verhandlungssaal NSU-Prozess Oberlandesgericht München | Bild: BR/Ernst Eisenbichler

Kai D. hat heute zum zweiten Mal auf dem Zeugenstuhl im Saal A 101 des Münchner Strafjustizzentrums Platz genommen. Nach seiner ersten Befragung vergangene Woche sind noch viele Fragen offen. Von seinem Dienstherren, dem Bayerischen Landesamt für Verfassungsschutz, hat er eine erweiterte Aussagegenehmigung mitgebracht. Heute darf er auch über die Gespräche mit seinen V-Mann-Führern sprechen.

Friedfertig und deeskalierend

Immer wieder lässt D. das Gericht wissen, wie friedfertig und deeskalierend er auf die zunehmende Radikalisierung des Thüringer Heimatschutzes gewirkt habe. Die immer stärker aufgeheizte Stimmung Mitte der 90er Jahre kann er zwar nicht mit Beispielen belegen, aber erklärt, dass dieses "leichte Anheizen der Situation" sich dann "verflüchtigt" habe, "auch mit meiner Tätigkeit dazu". Trotzdem ging aus dem THS ein paar Jahre später der Nationalsozialistische Untergrund hervor, auf dessen Konto zehn Morde, zahlreiche Sprengstoffanschläge und Raubüberfälle gehen.

Auf Weisung des Landesamtes

Anwältin Antonia von der Behrens stellt die zwei Schlüsselfragen: "Waren Sie in der fränkischen Neonazi-Szene auf Weisung des Landesamtes aktiv oder auf eigene Initiative?" D.s Antwort: "Auf Weisung des Landesamtes." "Waren Sie aus eigener Überzeugung beim THS?" – "Nein."

Nahm der Verfassungsschutz also operativen Einfluss auf die rechte Szene?

Nebenklage-Anwalt Sebastian Scharmer interpretiert D.s Aussage so, dass er "nicht als überzeugter Rechtsextremist, sondern als faktischer Mitarbeiter des Bayerischen Verfassungsschutzes in der Führungsebene der deutschen Neonaziszene" unterwegs gewesen sei. Der Verfassungsschutz habe in Person von Kai D. operativen Einfluss in der Szene genommen, aus der der NSU entstanden sei. Das sei ein Skandal.

D. wird zwar als Zeuge entlassen. Doch Fragen gäbe es noch viele an ihn und die zwielichtige Rolle des bayerischen Verfassungsschutzes. Als Wohlleben-Verteidigerin Nicole Schneiders nachhakt, ob D. von der bayerischen Behörde spezielle Aufträge für Thüringen gehabt hätte, antwortet er, er brauche dafür eine dritte, nochmals erweiterte Aussagegenehmigung. Dann könne er dazu Stellung nehmen.


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