NSU-Prozess


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NSU-Prozess, 142. Verhandlungstag Warnung der alten Dame?

Für die Verteidigung ist es eine Schlüsselfrage im NSU-Prozess: Hat Beate Zschäpe ihre Nachbarin gewarnt, als sie die Wohnung des NSU-Trios anzündete? Eine Antwort darauf gibt es nicht. Sind daran auch die Ermittler schuldig?

Stand: 23.09.2014 | Archiv

Zwickauer Terrorzelle: Das Haus, in dem die Mitglieder des NSU, Zschäpe, Böhnhardt und Mundlos, gewohnt hatten, wenige Tage nach der Explosion | Bild: picture-alliance/dpa

Im Münchner NSU-Prozess haben die Verteidiger der Hauptangeklagten Beate Zschäpe den Ermittlungsbehörden vorgeworfen, eine mögliche Entlastungszeugin unzureichend vernommen zu haben. Es handelt sich um die hochbetagte Nachbarin, die in Zwickau bis 2011 direkt neben dem NSU-Trio wohnte. Zschäpes Anwalt Wolfgang Stahl sprach vor dem Münchner Oberlandesgericht von einer unterbliebenen und fehlerhaften Vernehmung. Sein Kollege Wolfgang Heer kündigte dazu eine umfassende Erklärung für kommende Woche an.

Versuchter Mord oder Sprengung mit Ansage?

Dahinter steht die Frage, ob Zschäpe ihre Nachbarin Charlotte E. im November 2011 warnte, als sie die letzte Wohnung des NSU-Trios in Zwickau in Brand setzte. Das würde den Vorwurf des versuchten Mordes entkräften. Ein Polizist, der E. befragt hatte, blieb auch in seiner Aussage vor Gericht bei seinem persönlichen Schluss von damals: Zschäpe habe tatsächlich bei der Nachbarin geklingelt und sie warnen wollen. Die Anklage wirft Zschäpe dagegen vor, den Tod der Frau billigend in Kauf genommen zu haben.

Nachbarin stark demenzkrank

Die genauen Abläufe sind nach wie vor unklar. Nach Aussage des Beamten gab E. damals tatsächlich an, dass jemand bei ihr an der Wohnungstür geklingelt habe. Als sie aus dem Fenster geschaut habe, habe sie aber niemanden gesehen. Allerdings gab auch einer von zwei Handwerkern, die damals in dem Haus beschäftigt waren, an, bei der alten Frau geklingelt zu haben. Inzwischen leidet die Nachbarin derart unter Demenz, dass zwei weitere Befragungsversuche - einmal per Videoschalte durch das Münchner Gericht, einmal durch einen Zwickauer Amtsrichter - erfolglos blieben.

Der Zwickauer Amtsrichter berichtete von der Befragung der Frau im Mai in einem Pflegeheim. Demnach konnte E. die Frage nach ihrem Alter nicht beantworten. Auch an den Brand in ihrem Wohnhaus konnte sie sich nicht erinnern. Auf die Frage, ob es ein Feuer oder ein anders Unglück gegeben habe, habe sie mit Nein geantwortet, sagte der Richter. Auch zu Zeiträumen habe sie keinerlei Angaben machen können. Man habe sich schließlich einvernehmlich darauf verständigt, die Befragung abzubrechen.

Zschäpes letzter Auftrag

Laut Anklage steckte Zschäpe die letzte gemeinsame Wohnung des NSU-Trios in Brand, nachdem sie vom Selbstmord ihrer mutmaßlichen Komplizen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt erfahren haben soll. Dem "Nationalsozialistischen Untergrund" werden zehn Morde zugerechnet. Zschäpe ist die einzige Überlebende des Trios.

Der V-Mann Tino Brandt

Der frühere thüringische Neonazi-Anführer Tino Brandt hat nach eigener Aussage auch nach seiner Enttarnung als V-Mann Kontakte zum Unterstützer-Umfeld des NSU gehalten. Dem als Unterstützter mitangeklagten Ralf Wohlleben habe er später noch eine Versicherung verkaufen wollen, sagte er im Zeugenstand.

Brandt enthüllte zudem, er habe einem "Führungskameraden" von seinem "Anwerbegespräch" beim Verfassungsschutz berichtet, der, wie sich herausstellte, allerdings selber ein V-Mann war. Er habe aber nie die Seiten gewechselt und sich immer der "rechten Szene" zugehörig gefühlt. Das Geld, das er aus der Staatskasse erhalten habe, habe er bewusst für die Propagandazwecke ausgegeben. Berichtet habe er nur Sachverhalte, die er als "unproblematisch" eingeschätzt habe. Für Straftaten habe sich der Verfassungsschutz nicht interessiert, sondern nur für Veranstaltungen und personelle Strukturen.


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