NSU-Prozess


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126. Tag im NSU-Prozess Eklat nach Aussage von Ex-"Hammerskin"

Als "Affentheater" hat ein mutmaßlich ausgestiegenes Mitglied der militanten "Hammerskins" den NSU-Prozess heute im Oberlandesgericht München bezeichnet. Auch Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth folgte dem Prozesstag.

Stand: 10.07.2014 | Archiv

Die Angeklagte Beate Zschäpe betritt am 10.07.2014 den Gerichtssaal im Oberlandesgericht in München | Bild: dpa-Bildfunk

Die Bundestagsvizepräsidentin saß heute zusammen mit den beiden türkischen Generalkonsuln aus Berlin und München auf der Zuschauertribüne. Schon jetzt gingen von diesem Prozess 2wei wichtige politischen Signale aus, erklärte Roth: "Wir müssen den bei uns lebenden Menschen  mit Migrationshintergrund das Gefühl geben, dass Deutschland ihre Heimat ist, in der sie sicher und ohne Angst leben können."

Neue Erkenntnisse

Oliver Bendixen | Bild: Bayerischer Rundfunk zum Artikel 126. Verhandlungstag, 10.7.2014 Ein Stück deutscher Geschichte

Für Claudia Roth, heute Gast auf der Zuschauertribüne, wird mit dem NSU-Prozess ein Stück deutscher Geschichte aufgearbeitet. Wie dabei Neonazi-Gesinnung eine Rolle spielt, demonstrierte heute ein Zeuge auf bizarre Weise. [mehr]

Im Zentrum der Verhandlung stand am 126. Verhandlungstag zunächst die Bankraubserie, mit der sich der "Nationalsozialistische Untergrund" zwischen 1998 und 2011 finanzierte. Ein Ermittler des BKA schilderte, wie seine Behörde mehrere Überfälle den beiden mutmaßlichen Haupttätern Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt zuordnen konnte. Als Beweisstücke dienten Fundstücke aus dem abgebrannten Wohnmobil von Mundlos und Böhnhardt in Eisenach sowie aus der zerstörten Fluchtwohnung in Zwickau, die mit Bildern der Überwachungskamera abgeglichen wurden. Außerdem fanden sich in Wohnmobil und Fluchtwohnung Geldscheine und Banderolen aus mehrere Überfällen.

Schwere Vorwürfe

Zuvor hatte das Gericht zwei Ermittler zu einer Begegnung mit Uwe Mundlos' Vater befragt. Dieser hatte demnach schwere Vorwürfe geäußert und erklärt, ohne die beiden Gründer des "Thüringischen Heimatschutzes", Tino Brandt und den Mitangeklagten Ralf Wohlleben, wären die Taten nicht möglich gewesen. Dem Staat habe der Vater die finanziellen Zuwendungen an Tino Brandt für dessen V-Mann-Tätigkeit vorgehalten. Sein Sohn und die beiden anderen Mitglieder des NSU-Trios seien auf professionelle Weise "zu einer Mörderbande" gemacht worden. Die Verteidigung Wohllebens protestierte gegen diese Aussage mit dem Hinweis, es handele sich nur um Vermutungen des Vaters.

Grundlegende Fragen

Bundestagsvizepräsidentin Roth sagte am Rande der Verhandlung, es sei bis heute unerklärlich, wie die Verbrechensserie auch mit Geld des Verfassungsschutzes vorbereitet werden konnte. Gesetzgeber und Regierung müssten daraus Konsequenzen ziehen. Der türkische Generalkonsul Basar Sen kritisierte, nach wie vor sei nicht umfassend geklärt, wie die Mordserie des NSU jahrelang unentdeckt bleiben konnte. Mit einem Gerichtsverfahren sei das schwer zu klären. Für ihn sei immerhin erwiesen, dass der NSU, der zehn Morde und zwei Sprengstoffanschläge begangen haben soll, nicht nur aus drei Tätern bestanden habe.

Aussage eines Ex-"Hammerskins"

Am Nachmittag sollte ursprünglich Zschäpes Großmutter als Zeugin auftreten, doch die 90-jährige meldete sich krank und legte ein Attestet vor. Die Seniorin gilt als enge Bezugsperson der Hauptangeklagten des NSU-Prozesses.

Gewaltbereiter Geheimbund

Die "Hammerskins" sind eine Art Neonazi-Geheimbund: gewaltbereit, mit strengen Ritualen und Schweigeverpflichtungen. Sie gelten als wichtige Unterstützung für den "Nationalsozialistischen Untergrund", der zehn Morde und zwei Sprengstoffanschläge begangen haben soll.

Stattdessen wurde erneut ein Mann befragt, der früher Mitglied der militanten Gruppierung "Hammerskins" gewesen sein soll. Bei seiner letzten Vernehmung hatte er sich geweigert, über die Gruppierung auszusagen. Am 126. Prozesstag sorgte er für einen Eklat. Der Zeuge, der nach eigener Aussage Kontakt mit Ralf Wohlleben und einem weiteren mutmaßlichen NSU-Unterstützer pflegte, bezeichnete den Prozess als "Schande" und "Affentheater". Auf die Frage eines Nebenkläger-Anwalts, seine Aussagen zu präzisieren, erwiderte er: "Ich denke, dass der Prozess nicht hätte stattfinden dürfen." Erneut verweigerte der Zeuge Antworten zu allen Fragen über die militante Organisation "Hammerskins". Der soll er nach Aussage seiner früheren Freundin angehört haben. Er werde auch keine Namen nennen. Das würde ihm sein "Wertesystem" untersagen.

Der Konflikt mit dem Gericht sei ihm bewusst, eine Strafe nehme er in Kauf, sagte der Mann. Der Vorsitzende Richter Manfred Götzl bestellte ihn schließlich ein drittes Mal ein. Bis dahin will das Gericht prüfen, ob es eine Ordnungsstrafe gegen den Ex-"Hammerskin" verhängen kann.


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