NSU-Prozess


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118. Verhandlungstag "Ich konnte weder schreien noch reden"

Im NSU-Prozess hat eine Deutsch-Iranerin, die 2001 Opfer eines Sprengstoffanschlags - vermutlich des NSU - wurde, von damals berichtet. Sie habe massivste Schmerzen gehabt, habe aber nicht schreien und nichts sehen können.

Stand: 04.06.2014 | Archiv

Die deutsch-iranische Zeugin und Opfer eines Bombenanschlags kommt am 04.06.2014 durch einen Nebeneingang im Oberlandesgericht in München (Bayern) zum NSU-Prozess.  | Bild: dpa-Bildfunk

Die junge Frau schilderte, wie sie im Geschäft ihrer Eltern in Köln nichtsahnend eine Christstollendose öffnete und dadurch die Bombe zur Explosion brachte.

"Da war ein lauter Knall, helles Licht, dann wurde alles dunkel."

Opfer des Sprengstoffanschlags

Probsteigasse kurz nach dem Anschlag

Das Verbrechen in der Probsteigasse wird - neben zehn Morden und dem Nagelbombenanschlag 2004 in der Kölner Keupstraße - der Terrorzelle NSU zugerechnet. Uwe Mundlos oder Uwe Böhnhardt soll den in einer Christstollendose versteckten Sprengstoff kurz vor Weihnachten 2000 in dem Geschäft der deutsch-iranischen Familie zurückgelassen haben.

Polizist: "Bilder des Grauens"

Ein Polizist schilderte die Verletzungen als "Bild des Grauens". Er sagte vor dem Münchner Oberlandesgericht über seinen ersten Besuch bei der damals 19-Jährigen im Krankenhaus, "dieses Bild hat sich in meine Seele eingeprägt, das werde ich nie vergessen". Gesicht und Unterarme seien völlig verbrannt gewesen.

Wochenlang auf der Intensivstation

Der Tatort in Köln am 19. Januar 2001.

Die Schülerin, die damals kurz vor dem Abitur steht, erleidet im Gesicht und an der rechten Hand Verbrennungen zweiten Grades. Herumfliegende Splitter verursachen viele Schnittverletzungen an ihrem Körper. Splitter übersäen ihre Haut. Ihre Trommelfelle platzen. Das Schwarzpulver brennt sich wie Tätowierungen in die Haut ein. Die damals 19-Jährige liegt wochenlang auf der Intensivstation. Ihr Gesicht wird von plastischen Chirurgen wiederhergestellt. Doch die Narben bleiben.

"Die sind alle noch sichtbar, wenn ich abgeschminkt bin. ... Man wird tagtäglich darauf angesprochen: Was ist denn mit dir passiert? Und dann steht man da und weiß nicht, was man darauf antworten soll."

Die Überlebende des Sprengstoffanschlags

Wäre die junge Frau einen Meter näher an der Bombe gewesen, hätte sie die Explosion wohl nicht überlebt. Mittlerweile hat sich die Frau ins Leben zurückgekämft und arbeitet als Ärztin.

Deutschland verlassen? Nein, jetzt erst recht!

Ob sie daran gedacht habe, Deutschland zu verlassen, fragt ein Anwalt. Das sei schon der erste Gedanke gewesen, räumt sie ein. Andererseits habe sie sich "so viel Mühe gegeben", sei "ein Muster an Integration". Zudem hätten die Täter genau das gewollt: dass sie geht. Da habe sie gedacht: "Jetzt erst recht. Ich werde mein Leben fortführen, ich werde darum kämpfen."

Das Geschäft hätten die Eltern aufgegeben, obwohl es die Einnahmequelle der Familie war. Die Mutter habe es nicht mehr betreten wollen.

Erst seit dem Auffliegen des NSU im November 2011 wissen die Ermittler um die Hintergründe der Tat. Im Brandschutt der letzten Wohnung des Trios fanden sich entsprechende Hinweise.


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