NSU-Prozess


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424. Verhandlungstag, 9.5.2018 Etwas Neues im NSU-Prozess: Ein "Zeichen der Sühne"

Nach den teils äußerst polemischen Verteidiger-Plädoyers der letzten Wochen haben die beiden Anwälte des Mitangeklagten Holger G. ihren Schlussvortrag heute bewusst nüchtern gehalten. Für ihren Mandanten forderten die Verteidiger Stefan Hachmeister und Pajam Rokni-Yazdi eine milde Strafe. Die Bundesanwaltschaft sieht G. als einen wichtigsten Unterstützer des NSU.

Von: Eckhart Querner

Stand: 09.05.2018 | Archiv

Eckhart Querner | Bild: BR/Julia Müller

09 Mai

Mittwoch, 09. Mai 2018

Holger G. stellte den Untergetauchten Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe jahrelang einen Führerschein, Ausweispapiere und eine Krankenkassenkarte zur Verfügung, übergab ihnen eine scharfe Waffe und verbrachte mehrmals den Urlaub mit ihnen. Zu Beginn des NSU-Verfahrens legte er zu seiner Tatbeteiligung ein umfangreiches Geständnis ab.

Er wollte ihnen nur helfen, nicht gefasst zu werden

War G. der eiskalte Mitwisser der Morde und Sprengstoffanschläge, wie es die Bundesanwaltschaft sieht? Oder war er der harmlos naive Unterstützer, der seinen Freunden nur helfen wollte, damit sie nicht von der Polizei entdeckt wurden? Die Karlsruher Staatsanwälte betrachten G.s Umgang mit seinen Unterstützungstaten als "stümperhaften Selbstbetrug". In Wahrheit habe er nämlich erkannt, welche Gefahren von Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe ausgingen.

"Holger, wir machen keinen Scheiß damit"

Erwartungsgemäß zeichneten G.s Verteidiger Stefan Hachmeister und Pajam Rokni-Yazdi in ihrem Plädoyer heute ein ganz anderes Bild: G. habe nicht gewusst, dass Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe eine terroristische Zelle gegründet hätten, um politische Morde zu begehen. Für G. sei der politische Kampf der drei Flüchtigen nicht sichtbar gewesen. Heute fühle er sich deshalb getäuscht und missbraucht, den Tatvorwurf gegen ihn selbst – die Unterstützung einer terroristischen Vereinigung - habe er nach seiner Festnahme auch zunächst nicht verstehen können.

G. fühlte sich durch die Freundschaft des NSU-Kerntrios zu ihm aufgewertet. Und so glaubte er wohl auch den Beteuerungen von Böhnhardt, der mit Blick auf die geliehenen Ausweisdokumente sagte: "Holger, wir machen keinen Scheiß damit." Warum wusste G. angeblich nichts von den Mord- und Sprengstoffanschlägen des NSU? Seine Anwälte schildern den Angeklagten als einen unzuverlässigen Unterstützer, der als Mitwisser nicht dichtgehalten hätte, der ihm überlassenes Geld nicht aufbewahrt, sondern es für Drogen und Glücksspiele ausgegeben habe, der bereits seinen Ausstieg aus der rechten Szene bekundet hätte.

Angst vor dem 'Mir glaubt sowieso niemand'

G.s Verteidiger sind überzeugt: Von der Bundesanwaltschaft werde seine Einlassung immer im ungünstigsten Sinn ausgelegt, um eine Verurteilung zu erreichen. Viele Aspekte hätte die Karlsruher Anklagebehörde ausgeklammert. Ein Grund dafür sei der starke Öffentlichkeitsdruck während des fünfjährigen Maxiprozesses. Die Öffentlichkeit in Deutschland wolle eine Verurteilung der fünf Angeklagten. Ihr Mandant habe aber Angst davor, dass er als Sündenbock für das Verhalten der verstorbenen Täter herhalten müsse.

Er will für seine Tat gerade stehen

Aus Sicht des Prozessbeobachters ein durchaus klug konzipiertes Plädoyer, das einerseits nicht mit Kritik an der Bundesanwaltschaft spart, und andererseits die eigene Strategie nicht verhehlt: "Unsere Sichtweise bleibt subjektiv, auch wenn wir uns mehr als die Bundesanwaltschaft um Objektivität bemüht haben", räumte Anwalt Rokni-Yazdi am Ende des Schlussvortrags ein. G. will in jedem Fall für seine Tatbeteiligung Verantwortung übernehmen, seine Anwälte hat er gebeten, kein konkretes Strafmaß zu fordern, er sei aber bereit, „die für ihn angedachte Strafe zu akzeptieren“. Hachmeister wünscht sich für G. keinen Freispruch, aber ein mildes Urteil. Das ist mal was Neues im NSU-Prozess, ein "Zeichen der Sühne", wie es die Verteidiger nennen.


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