NSU-Prozess


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366. Verhandlungstag, 30.5.2017 Gutachter bleibt dabei: Zschäpe voll schuldfähig

Gutachter Henning Saß hält Beate Zschäpe weiter für voll schuldfähig. Kritik an seinen Schlussfolgerungen wies der vom Gericht bestellte Sachverständige zurück. Damit geht der Streit um das psychiatrische Gutachten in die letzte Runde. Das Ende der Beweisaufnahme verzögert sich weiter.

Von: Ina Krauß

Stand: 30.05.2017 | Archiv

Verhandlungssaal NSU-Prozess Oberlandesgericht München | Bild: BR/Ernst Eisenbichler

30 Mai

Dienstag, 30. Mai 2017

Es ging gleich am Vormittag los mit Unterbrechungen. Im Zwanzig-Minuten-Takt kündigte der Vorsitzende Richter Pausen an. Der Grund: Zschäpes Alt-Verteidiger Heer, Stahl und Sturm wollten zunächst verhindern, dass Saß sein Gutachten ergänzt. Er gehe mit seinen Einlassungen, die der Verteidigung bereits schriftlich vorlagen, über seinen Auftrag hinaus. Doch um 11.25 Uhr war es dann doch soweit. Saß ergänzte sein Anfang des Jahres eingebrachtes Gutachten und reagierte auf die Kritik der Verteidigung.

Kritik an der Methodenkritik

Die Verteidiger Sturm, Heer und Sturm hatten ein methodenkritisches Gutachten in Auftrag gegeben. Grob zusammengefasst bezweifelte der von ihnen beauftragte Pedro Faustmann, dass die Qualifikation und die Methoden des forensischen Psychiaters Saß überhaupt geeignet sind. Auch bei nochmaliger kritischer Durcharbeitung seines Gutachtes sieht Saß aber keinen Anlass, seine Einschätzungen zu ändern.

Gutachter: Zschäpe nicht psychisch krank

Härter ging Saß mit dem Gegen-Gutachten von Joachim Bauer ins Gericht. Bauer wurde von Zschäpes Verteidigern Mathias Grasel und Hermann Borchert beauftragt, Zschäpe in einem persönlichen Gespräch zu explorieren und zu begutachten. Mit Saß wollte Zschäpe nicht sprechen. Bauer diagnostizierte nach sieben Besuchen in der Justizvollzugsanstalt und 14 Stunden Gespräch eine Persönlichkeitsstörung bei Zschäpe und hält sie für vermindert schuldfähig. Diese Diagnose mag Saß nicht nachvollziehen. Zschäpe sei zwar auffällig in ihrem Verhalten aber nicht krank. Saß kritisiert, dass Bauer für sein Gutachten nur wenige, ausgewählte Zeugenaussagen verwendet. Wichtig sei aber ein Gesamtbild. Zschäpe erfülle nicht ein einziges der zahlreichen Kriterien einer dependenten, also abhängigen Persönlichkeitsstörung. Darum ändert auch dieses Gutachten nichts an Saß' Einschätzung, dass Zschäpe voll schuldfähig und unter Umständen weiter gefährlich ist.

Neun Unterbrechungen und kein Ende in Sicht

Als es dann Gelegenheit gab, Fragen an den Sachverständigen zu stellen, kam es zu vielen weiteren Unterbrechungen der Hauptverhandlung. Insgesamt wurde neun Mal unterbrochen, einmal sogar für zwei Stunden. Der Verteidigung Zschäpes sollte Gelegenheit gegeben werden, Fragen auszuarbeiten. Doch Sturm, Heer und Stahl wollen zunächst Faustmann konsultieren und dann ein "Fragekonzept" entwerfen. Sie wissen wohl, dass Saß in den nächsten Tagen nicht am NSU-Prozess teilnehmen kann. Seine Befragung wird am 29. Juni fortgesetzt.

Weitere Verzögerungen

Auch die Verteidigung von Ralf Wohlleben sorgt für lange Unterbrechungen. Nach der Ablehnung zweier Beweisanträge durch den Senat kündigten Wohllebens Verteidiger einen neuen Befangenheitsantrag für morgen Mittag an. Wer mit einem schnellen Ende der Beweisaufnahme gerechnet hat, wird also enttäuscht. Ein Urteil noch vor der Sommerpause wird immer unwahrscheinlicher.


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