NSU-Prozess


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360. Verhandlungstag, 27.4.2017 Hat das Methode?

Der renommierte deutsche Gerichtspsychiater Prof. Saß hat das vom Gericht bestellte Gutachten über Beate Zschäpe erstellt. Deren Alt-Verteidiger wollen seine Schlussfolgerungen nicht hinnehmen. Doch ist die Methodenkritik durch einen eigenen Gutachter zielführend?

Von: Mira Barthelmann

Stand: 27.04.2017 | Archiv

Mira Barthelmann | Bild: BR

27 April

Donnerstag, 27. April 2017

Eine angenehme Stimme und eine angemessene Lese- beziehungsweise  Sprechgeschwindigkeit – selten genug zu hören im Zeugenstand des NSU-Prozesses. Was Prof. Pedro Faustmann heute allerdings dargeboten hat, glich fast schon einem Schauspiel – der gelebte Genuss des Wortes, die Liebe zur Artikulation. Das lässt hinhören – keine Frage!

Kein gutes Haar am Kollegen...

Besonders Herrn Prof. Saß dürften heute die Ohren geklungen haben – und zwar auf keine angenehme Weise. Faustmann ließ in seinem Gutachten kein gutes Haar am Gutachten seines Kollegen. Er beschränkte sich zwar auf eine sogenannte Methodenkritik, doch wenn man dieser folgen würde, würde Saß sein Handwerk grundsätzlich nicht verstehen.

Der 72-jährige Saß ist der vom Oberlandesgericht bestellte psychiatrische Gutachter des Verfahrens. Er hat den meisten der 360 Verhandlungstage in München persönlich beigewohnt und das Verhalten sowie die schriftlichen Einlassungen von Beate Zschäpe studiert.

Exploration war nicht möglich

Die Hauptangeklagte hatte sich über all die Jahre geweigert mit dem Gutachter zu sprechen – eine sogenannte Exploration war in diesem Fall also nicht möglich. Das kommt in Strafprozessen immer wieder vor, hindert den Sachverständigen aber nicht daran, ein Gutachten zu erstellen. Die Alt-Verteidiger von Zschäpe zweifeln die Möglichkeiten abseits der Exploration an. Sie sind der Auffassung, dass Saß‘ Gutachten nicht den wissenschaftlichen Standards entspräche.

Nicht weiter verwunderlich, wenn man die Schlussfolgerungen des forensischen Psychiaters betrachtet: Er attestiert Zschäpe volle Schuldfähigkeit und legt sogar eine Sicherheitsverwahrung nach der Haft nahe. Härter hätte die Begutachtung über die Hauptangeklagte nicht ausfallen können.

Ein fraglicher Gefallen

Doch ob Zschäpes Altverteidiger ihrer Mandantin mit der Präsentation des heutigen Zeugen einen Gefallen getan haben, ist äußerst fraglich. Der hat nämlich sogar die Zuständigkeit von Prof. Saß grundsätzlich in Zweifel gezogen. Ein Vorwurf, der auch das Gericht trifft – schließlich hat der Senat den Auftrag an Prof. Saß erteilt.


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