NSU-Prozess


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349. Verhandlungstag, 21.2.2017 Kurz und wichtig

Nur 90 Minuten Verhandlung, aber die hatten es in sich: Richter Manfred Götzl führt die neuen Zschäpe-Verteidiger vor. Die Hauptangeklagte muss einen neuen Beweisantrag fürchten. Der Mitangeklagte Carsten S. dagegen kann mit einer milden Strafe rechnen.

Von: Christoph Arnowski

Stand: 21.02.2017 | Archiv

Christoph Arnowski | Bild: Bayerischer Rundfunk

21 Februar

Dienstag, 21. Februar 2017

Der einzige Zeuge des Tages: ein Mitarbeiter der Jugendgerichtshilfe Düsseldorf. Das klingt nicht sehr spannend. Für Carsten S, im NSU-Prozess als Waffenbeschaffer wegen Beihilfe zum Mord angeklagt, war dessen Aussage aber heute extrem wichtig.

Carsten S.

Denn wie schon der Sachverständige Professor Leygraf kam auch der Mitarbeiter von der Jugendgerichtshilfe zum Schluss: Carsten S., zum Tatzeitpunkt 19 Jahre alt, war damals noch in seiner sittlichen, geistigen und seelischen Entwicklung einem Jugendlichen gleichstehend. Damit ist klar: Das Gericht wird bei Carsten S. das Jugendstrafrecht anwenden.

Dieses bedeutet im konkreten Fall: egal wie das Urteil am Ende für Carsten S. lautet, es wird im Strafmaß deutlich unter dem liegen, das bei der Anwendung des Erwachsenenstrafrechts angemessen wäre. Und die Strafe könnte erheblich sein. Immerhin hat ja Carsten S. nach eigenem Geständnis die Ceska-Pistole besorgt, die Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos nach allen vorliegenden Erkenntnissen bei neun der zehn dem NSU zugerechneten Morden benutzt haben.

Carsten S. kann dennoch auf Bewährung hoffen

Nach Erwachsenenstrafrecht wäre also lebenslang möglich, nach Jugendstrafrecht aber könnte das Urteil allenfalls auf 15 Jahre, in der Regel aber nur auf maximal 10 Jahre lauten. Doch auch davon dürfte Carsten S. weit entfernt sein. Als einziger der fünf Angeklagten hat er sich glaubhaft von seinen früheren Taten im Neonazi-Millieu distanziert, hat schon zum Prozessauftakt ein umfangreiches Geständnis abgelegt und durch seine Aussagen wichtige Punkte in der Anklage gestützt. Dies alles mit dem Jugendstrafrecht zusammengerechnet, das ohnehin einen besonderen Schwerpunkt auf Besserung und Resozialisierung legt, könnte am Ende durchaus eine Bewährungsstrafe für Carsten S. herauskommen.

Neuer Beweisantrag könnte Zschäpe weiter belasten

Davon ist Zschäpe nach dem bisherigen Prozessverlauf, man möchte fast sagen, Lichtjahre entfernt. Und heute hat Nebenklageanwalt Eberhard Reinecke einen simplen Beweisantrag gestellt, der die Hauptangeklagte weiter in die Defensive bringen könnte.

NSU-Anschlag in der Kölner Probsteigasse

In ihrer ersten Einlassung im Dezember 2015 hatte Zschäpe behauptet, von dem NSU-Sprengstoffanschlag in Kölner Probsteigasse zum Jahreswechsel 2000 damals erst "aus der Presse" erfahren zu haben. Reinecke will jetzt einige Journalisten als Zeugen laden lassen. Die werden seinen Angaben zufolge erklären, dass zu damaligen Zeitpunkt nur in der Kölner Lokalpresse über den Anschlag berichtet wurde. Wenn das zuträfe, hätte Zschäpe vor gut einem Jahr gelogen. Eine Vermutung, die viele Nebenklageanwälte und Prozessbeobachter schon lange haben, bisher aber an keinem Punkt konkret nachweisen konnten.

Kein guter Tag auch für Zschäpeverteidiger

Doch nicht nur deswegen wird Zschäpe-Neuverteidiger Matthias Grasel diesen Verhandlungstag in wenig guter Erinnerung behalten. Noch mehr dürfte ihn ärgern, dass ihn der Senatsvorsitzende Manfred Götzl heute regelrecht vorgeführt hat. Als Grasel erneut einen von ihm und Zschäpes neuem Verteidiger Borchert angekündigten Beweisantrag nicht stellte und auch nicht sagen wollte, wann er soweit sei, macht der Staatsschutzsenat nach kurzer Beratungspause kurzen Prozess. "Morgen wird als Zeugin die Justizvollzugsangestellte geladen, die in Stadelheim für Frau Zschäpe zuständig ist", verkündete Götzl trocken.

Das ist genau das, was Grasel und Borchert eigentlich vor hatten, aber, aus welchen Gründen auch immer, hinaus zögerten. Das haben sich Götzl und sein Senat nicht länger bieten lassen und die Justizangestellte kurzerhand selbst als Zeugin geladen. Obwohl das Gericht erst gestern vorsorglich Termine bis Januar 2018 offiziell verfügt hat, macht es damit deutlich: Wir wollen hier endlich zum Schluss kommen.


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