NSU-Prozess


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334. Verhandlungstag, 11.1.2017 Ein sehr gelassener Gutachter

Mit Fragen an einen Psychiater will die Wohlleben-Verteidigung Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Kronzeugen Carsten S. säen. Der Gutachter jedoch lässt sich nicht aus der Ruhe bringen.

Von: Tim Aßmann

Stand: 11.01.2017 | Archiv

Tim Aßmann | Bild: BR

11 Januar

Mittwoch, 11. Januar 2017

Norbert Leygraf ist einer der renommiertesten und erfahrensten Gerichtsgutachter der Republik. Dem forensischen Psychiater eilt der Ruf voraus, im Zeugenstand auch bei kritischen und bohrenden Fragen immer gelassen zu bleiben. Diesem Ruf wurde Leygraf nun im Prozess gerecht. Die Wohlleben-Verteidiger Klemke, Schneiders und Nahrath bissen sich am Sachverständigen Leygraf die Zähne aus.

Wohlleben juristisch mit dem Rücken zur Wand

Leygraf hatte ein Gutachter über den Angeklagten Carsten S. erstellt, den Kronzeugen der Bundesanwaltschaft gegen den Mitangeklagten Ralf Wohlleben. Carsten S. hatte vor Gericht erklärt, der Jenaer Ex-NPD-Funktionär Wohlleben habe die Beschaffung jener Ceska-Pistole in Auftrag gegeben und finanziert, mit der neun von zehn NSU-Morden begangen wurden. Diese Aussage von Carsten S. steht weiterhin und wird Ralf Wohlleben voraussichtlich eine Verurteilung wegen Beihilfe zum Mord in neun Fällen einbringen und damit eine lange Zeit hinter Gittern.

Carsten S. erscheint weiter glaubwürdig

Um das abzuwenden, versuchen die Wohlleben Verteidiger alles, um den Kronzeugen gegen ihren Mandanten zu diskreditieren. Sie stellten in den Raum, Carsten S. leide unter einer psychischen Erkrankung und sei paranoid. Der Psychiater Leygraf allerdings erklärte nun, bei Carsten S. keinerlei Anhaltspunkte dafür entdeckt zu haben. Er hatte S. daraufhin untersucht, ob eine sogenannte Reifeverzögerung bei ihm vorliegt. Aus Sicht von Leygraf liegt sie vor. Bei Carsten S. käme für das Gericht also eine Verurteilung nach Jugendstrafrecht in Frage. Die Wohlleben-Verteidiger scheiterten nun mit dem Versuch, dem Sachverständigen im Zeugenstand Äußerungen zu entlocken, die die Glaubwürdigkeit von Carsten S. in Frage stellen könnten.

Gutachten über Zschäpe verzögert sich weiter

Norbert Leygrafs Kollege Henning Saß kam heute einmal mehr nicht dazu, sein Gutachten über Beate Zschäpe im Gerichtssaal vorzustellen. Das Gericht muss zuvor noch über einen Antrag der Zschäpe-Verteidigung entscheiden. Sie fordert eine Tonaufzeichnung der Befragung von Gutachter Saß. Hintergrund: Die Zschäpe-Verteidiger Heer, Stahl und Sturm haben einen eigenen psychiatrischen Experten eingeschaltet, der aber aus terminlichen Gründen nicht an der Befragung von Henning Saß teilnehmen kann und möchten ihm die Tonaufnahmen später vorspielen bzw. eine Abschrift für ihn erstellen. Das Gericht wird die Tonaufzeichnung aber voraussichtlich ablehnen.


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