NSU-Prozess


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313. Verhandlungstag, 29.9.2016 "Zschäpe redet, ohne etwas zu sagen"

Es war eine Riesen-Überraschung. Beate Zschäpe ergreift im NSU-Prozess erstmals selbst das Wort. Danach bleibt aber die Frage: Warum? War es ein Akt der Verzweiflung? Der Auftritt wirkte wenig glaubwürdig. Von Tim Aßmann

Stand: 29.09.2016 | Archiv

Tim Aßmann | Bild: BR/Tim Aßmann

29 September

Donnerstag, 29. September 2016

Verzweiflung kann sich sehr unterschiedlich Bahn brechen. Im Saal A 101 des Münchner Strafjustizzentrums genügten nur wenige Sätze, um die juristische Ausweglosigkeit der Beate Zschäpe überdeutlich zu machen. Nach 312 Verhandlungstagen brach Zschäpe ihr Schweigen im Prozess also auch im wörtlichen Sinne. Letztlich redete sie aber nur, ohne etwas zu sagen.

Inhaltlich nichts Neues

Zu ihrer politischen Einstellung hatte die Hauptangeklagte bereits schriftlich Stellung genommen und auch von den Morden und Anschlägen, die Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt verübt hatten, hatte sich Zschäpe schon im vergangenen Jahr schriftlich distanziert. Wirklich neu in der dürren Stellungnahme, die sie verlas, war nur, dass Zschäpe auch das eigene Fehlverhalten verurteilt. Aber was meint sie damit? Dazu gab es keine konkreten Angaben, mal wieder. Wie schon die schriftlichen Einlassungen zuvor, zeigte auch die mündliche Erklärung keinerlei Aufklärungswillen Zschäpes.

Zschäpe bleibt unglaubwürdig

In ihren bisherigen Angaben verstrickte sich Zschäpe in Widersprüche. Sie konnte zum Beispiel nicht plausibel erklären, warum sie die DVDs verschickte, in denen sich der NSU zu seinen Morden bekannte, obwohl sie selbst die Bluttaten doch angeblich so sehr ablehnte. Auch ihre Erklärungsversuche, warum es ihr über einen Zeitraum von 13 Jahren nicht gelang, sich von ihren mordenden Gefährten Mundlos und Böhnhardt zu trennen, sind nicht glaubwürdig.

Zschäpe zeichnet von sich selbst das Bild der fremdbestimmten Mitläuferin. Doch in rund dreieinhalb Jahren Beweisaufnahme kristallisierte sich ein ganz anderes Bild heraus – das einer selbstbewussten, durchsetzungsstarken Person. Als solche zeigte sich Zschäpe ja nicht zuletzt im Dauerstreit mit einigen ihrer Strafverteidiger. 

Juristisch mit dem Rücken zur Wand

Das Gericht hat, das haben Nachfragen an die Hauptangeklagte deutlich gemacht, massive Zweifel an Zschäpes Version, deshalb droht ihr eine Verurteilung im Sinne der Anklage – als Mittäterin bei allen zehn NSU-Morden. In dieser Situation, konfrontiert mit dem bevorstehenden Ende der Beweisaufnahme, ergriff Zschäpe nun also das Wort.

Das Ziel konnte nur darin bestehen, juristisch etwas herauszuholen. Aber wie sollte das mit so wenig Inhalt gelingen? Nur wenn Zschäpe umfassend Angaben macht, Fragen aller Prozessbeteiligten zulässt, auf diese Art glaubwürdig Aufklärungswillen demonstriert und Reue zeigt, kann sie in eigener Sache vielleicht noch etwas erreichen.

Zschäpe gut verteidigt?

Das müsste eigentlich auch den zwei Verteidigern klar sein, die aktuell Zschäpes Vertrauen genießen und die sie beraten. Zuletzt hatte das Gericht extra zwei Verhandlungstage abgesetzt, um den Verteidigern Zeit zu geben, sich mit Zschäpe zu besprechen. Der Inhalt von Zschäpes mündlicher Stellungnahme wirft die Frage auf, wozu Verteidiger und Mandantin diese Zeit eigentlich genau genutzt haben.


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