NSU-Prozess


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304. Verhandlungstag, 1.8.2016 Erwartung tendiert gegen Null

Im NSU-Prozess steht die vierte Sommerpause bevor. Wer die Hoffnung hegte, dass Beate Zschäpe davor noch Stellung zum 300-Fragen-Komplex bezieht, wurde - wieder einmal - enttäuscht. Die Erwartung, dass sie überhaupt noch etwas zur Aufklärung des NSU-Terrors beitragen werde, tendiert inzwischen gegen Null.

Von: Oliver Bendixen

Stand: 01.08.2016 | Archiv

Oliver Bendixen | Bild: Bayerischer Rundfunk

01 August

Montag, 01. August 2016

Seit drei Jahren und vier Monaten wird nun im Münchner Strafjustizzentrum in Sachen NSU verhandelt. Und damit wird das Oberlandesgericht am 2. August 2016 - also nach dem 305. Verhandlungsstag - zum vierten Mal in die sommerlichen Gerichtsferien gehen. Die Hoffnung, vor der mehrwöchigen Unterbrechung noch einige Erklärungen der Hauptangeklagten zu den mittlerweile über 300 an sie aufgelaufenen Fragen zu bekommen, zerstob heute in einer Flut von Beanstandungen, Gegenvorstellungen, neuen Beweisanträgen und prozessualen Verbalattacken.

Wohlleben-Verteidigung attackiert erneut Bundesanwaltschaft

Wohlleben-Verteidiger Olaf Klemke

Unter anderem warf Olaf Klemke, der Anwalt des angeklagten Ralf Wohhlleben, der Bundesanwaltschaft vor, Zeugenaussagen selektiv in das Verfahren einzuführen, um die Anklage damit zu stützen. Der Protest der drei Sitzungsvertreter des Generalbundesanwalts gegen diese Unterstellung ließ erwartungsgemäß nicht lange auf sich warten und wird sich wohl noch in einer längeren Erwiderung niederschlagen. Fazit: Es zieht sich weiter in die Länge. Die Festlegung weiterer Verhandlungstage nun bis September 2017 durch den Senatsvorsitzenden könnte sich als äußerst umsichtig erweisen - und nicht als voreilig, wie manche Kritiker meinten.

50 Fragen an Zschäpe beanstandet

Zschäpe-Verteidiger Wolfgang Heer

Ob Beate Zschäpe nun zu allen anstehenden Fragen schriftlich Stellung nehmen wird, ist ohnehin ungewiß. Heute Vormittag beanstandete nämlich Wolfgang Heer - einer der drei Verteidiger der Hauptangeklagten, aus der Anfangszeit des Prozesses und immer noch als Pflichtverteidiger bestellt - gut 50 von über 300 Fragen der Opferanwälte. Nahezu ausnahmlos ging es dabei um Fragen, die von den Nebenklageanwälten an Zschäpe gerichtet worden waren. Schlag auf Schlag bezeichnete Heer eine Frage nach der anderen wechselweise als "unbegründet" oder "unzulässig " - und im Idealfall als beides zusammen.

Wann lässt die Hauptangeklagte antworten?

Man darf gespannt sein, ob der morgige Verhandlungstag ausreicht, um die Gegenvorstellungen der Fragesteller in das Verfahren einzubringen. Dann muss das Gericht entscheiden, ob die Hauptangeklagte mit dem einen Fragenkomplex konfrontiert werden darf und eventuell mit dem anderen nicht. Dann kommt, mit Sicherheit nach der der Sommerpause, der Augenblick, in dem Zschäpe huldvoll entscheidet, ob sie antworten lassen möchte - oder eben nicht. Der Gleichmut, mit dem der Senatsvorsitzende das alles hinnimmt, spricht Bände. Die Erwartung, dass die Hauptangeklagte noch etwa zur Aufkläung des NSU-Terrors beitragen wird, ist wohl bei Null angelangt.


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