NSU-Prozess


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292. Verhandlungstag, 29.6.2016 "Bitte nur die Wahrheit"

Spitzelte der ehemalige Neonazi-Anführer Marcel D. für den Verfassungsschutz? Zweimal bestritt er das schon vor Gericht. Nun wich er der Frage aus, wird sich ihr aber bald erneut stellen müssen.

Von: Tim Aßmann

Stand: 29.06.2016 | Archiv

Tim Aßmann | Bild: BR/Tim Aßmann

29 Juni

Mittwoch, 29. Juni 2016

Eigentlich ist Marcel D. im NSU-Prozess schon eine Art Stammkunde im Zeugenstand. Heute war aber doch etwas anders: D. kam nicht alleine. Er brachte einen Rechtsanwalt als Zeugenbeistand mit und die Absicht dahinter war bald erkennbar. Marcel D., ehemals ranghoher Funktionär in der rechtsextremen Organisation "Blood & Honour" in Thüringen, mag zu der Frage, ob er außerdem auch Informant des Verfassungsschutzes war,  gar nicht mehr befragt werden. Sein Anwalt brachte nun ein Auskunftsverweigerungsrecht ins Spiel. Hintergrund ist, dass die Staatsanwaltschaft München I offenbar gegen Marcel D. wegen des Verdachts der Falschaussage im NSU-Prozess ermittelt.

Nun möchte D. also gar keine Angaben zum Thema Verfassungsschutz mehr machen, weil er sich ja sonst selbst belasten könnte, argumentierte heute sein Rechtsbeistand. Hintergrund der Zeugenbefragung von D. ist seine Rolle bei "Blood & Honour". Mitglieder der später verbotenen Organisation hatten das NSU-Trio im Untergrund unterstützt.

Zeuge hat kein Auskunftsverweigerungsrecht

Zu Beginn des heutigen Verhandlungstages hatte der Vorsitzende Richter den Zeugen D. ausführlich über seine Pflichten als Zeuge belehrt und dabei noch eine kleine Ergänzung angefügt: "Bitte nur die Wahrheit", sagte Manfred Götzl zum Zeugen. Möglicherweise hatte Götzl dabei die bisherigen Auftritte von Marcel D. in Erinnerung. Mehrmals bestritt er V-Mann gewesen zu sein.

Zwei ehemalige Verfassungsschützer erklärten als Zeugen allerdings, D. sei unter dem Decknamen "Hagel" Informant des Thüringer Landesamtes für Verfassungsschutz gewesen. Die Behörde erteilte ihrem ehemaligen V-Mann Marcel D. sogar eine Aussagegenehmigung für den NSU-Prozess. Heute verneinte er die Frage nach einer V-Mann-Tätigkeit dann auch nicht mehr, sondern verweigerte dazu die Aussage. Darüber, ob ihm dieses Recht überhaupt zu stehe, diskutierten die Prozessbeteiligten dann kurz. Das Gericht entschied schließlich: Nein. Marcel D. muss die Fragen beantworten. Er bekommt aber noch etwas Vorbereitungszeit und ist für den 20. Juli erneut als Zeuge geladen. Dann gilt wieder, was ihm der Vorsitzende Richter heute bereits riet: "Bitte nur die Wahrheit!"


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