NSU-Prozess


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290. Verhandlungstag, 16.6.2016 Skurrile Szenen im NSU-Prozess

Am 290. Verhandlungstag brüllen sich der Richter und ein Nebenklageanwalt an, was der einen Zeugen fragen darf. Doch dieser, ein Verfassungsschützer - überdies in Tarnmontur -, will überhaupt nicht aussagen.

Von: Oliver Bendixen

Stand: 16.06.2016 | Archiv

Oliver Bendixen | Bild: Bayerischer Rundfunk

16 Juni

Donnerstag, 16. Juni 2016

Es geht um zehn Morde, zwei Bombenanschläge und über ein Dutzend Banküberfälle - und trotzdem bekommt der NSU-Prozess mitunter skurrile Züge; etwa wenn, wie heute, ein 63-jähriger Verfassungsschutzbeamter - getarnt mit Sonnenbrille und Kapuzenshirt - als Zeuge den Gerichtssaal betritt und sich einer der Nebenklageanwälte und der Senatsvorsitzende gegenseitig anschreien, was man nun den Mann eigentlich fragen darf.

Wobei der Beamte ohnehin immer nur antwortet: "Weiß ich  nicht!" Ab und an kommt zur Abwechslung bestenfalls ein "War ich nicht zuständig". In keinem Fall will der aus Potsdam angereiste Mann dafür verantwortlich gewesen sein, dass eine der heißesten Informationen im ganzen NSU-Komplex von seiner Behörde nicht an die Polizei weitergegeben wurde. Die Polizei suchte damals - 1998 - nach den beiden untergetauchten Uwes und ihrer gemeinsamen Braut Beate Zschäpe.

Behinderte Verfassungsschutz Fahndung nach NSU-Trio?

Unstrittig ist, was der von dem Verfassungsschützer geführte V-Mann "Piatto" aus der rechten Szene erfahren hatte. Drei untergetauchte "Skinheads", so hieß es damals, wollten sich bewaffnen und mit Banküberfällen das Geld für ihre Ausreise nach Südafrika beschaffen. Die Namen des Trios wurde dabei nicht genannt. Allerdings wäre der Polizei schnell klar gewesen, dass es sich um Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe handeln musste, nach denen bereits gefahndet wurde.

Es bleibt beim Konjunktiv. Nach allem, was jetzt bekannt ist, verhinderte der brandenburgische Verfassungsschutz nämlich die Weitergabe genau dieser Information, mit der die Polizei gezielte Fahndungsmaßnahmen hätte einleiten können. Grund: die Furcht, der in die Neonazi-Szene eingeschleuste V-Mann könnte enttarnt werden. So konnte der Spitzel ungehindert weiter bei den Rechten forschen - und das Trio im Untergrund bleiben. Einige Monate später beging der NSU den ersten der zehn Morde.


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