NSU-Prozess


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279. Verhandlungstag, 27.4.2016 Der verschlungene Weg der Mordwaffe

Wie kam die Ceska 83 in die Hände des NSU? Diese Frage kann bis heute nicht lückenlos beantwortet werden. Wie mühsam es für das Gericht ist, die Spur der wichtigsten Mordwaffe des NSU nachzuverfolgen, wurde im Laufe des heutigen Verhandlungstages deutlich. Das öffentliche Interesse an dem Verfahren vor dem Oberlandesgericht (OLG) München hat unterdessen deutlich nachgelassen. 

Von: Ina Krauß

Stand: 27.04.2016 | Archiv

Ina Krauß | Bild: BR/Julia Müller

27 April

Mittwoch, 27. April 2016

Noch nie war die Zuschauertribüne im NSU-Prozess so spärlich besetzt. Am Vormittag waren nicht einmal ein Dutzend Zuschauer anwesend, am Nachmittag nur noch zwei. Die leeren orangefarbenen Sitzreihen auf der Empore fielen sogar den Richtern auf, denn das öffentliche Interesse am NSU-Prozess eigentlich ungewöhnlich hoch - gemessen an der langen Verfahrensdauer. Aber auch die Pressebank war fast leer. Nur sieben Journalistinnen und Journalisten verfolgten den Verhandlungstag. Das mag auch daran gelegen haben, dass parallel im OLG das Verfahren gegen die mutmaßlich rechtsterroristische "Oldschool Society" eröffnet wurde.

Im NSU-Prozess war nur ein Zeuge geladen: ein Richter, der seine Eindrücke der Vernehmung von Brigitte G. in der Schweiz schilderte. Sie war im Rahmen eines Rechtshilfeersuchens in der Schweiz mit den Fragen des Senats, der Bundesanwaltschaft, der Verteidigung und der Nebenkläger konfrontiert worden. Er habe den Eindruck gehabt, dass es der Zeugin nicht ganz recht gewesen sei, dass sie noch einmal "mit der ganzen Sache" behelligt worden war, sagte der als Zeuge geladene Richter. Sie habe sehr einsilbig geantwortet und gab oft an, sich nicht erinnern zu können. Die "ganze Sache" betrifft die Beschaffung der Waffe, mit der neun Menschen kaltblütig ermordet worden sind.

Ceska-Erwerb: illegal und über mehrere Mittelsmänner

Die Ceska 83 wurde vom Ehemann von Brigitte G. 1996 legal in der Schweiz erworben. Er besaß einen Waffenerwerbsschein, den er angeblich an seinen Motorrad-Kumpel Hans-Ulrich M. verscherbelte. M. verkaufte die Ceska 83 weiter illegal nach Deutschland. Dort gelangte sie über Mittelsmänner und schließlich über den ebenfalls im NSU-Prozess angeklagten Carsten S. in die Hände von Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos. Sie erschossen damit zwischen 2000 und 2006 insgesamt neun Menschen.

Um den genauen Weg der Mordwaffe zu ermitteln, wurden die Wohnungen von potenziellen Mittelsmännern durchsucht. Die entsprechenden Dursuchungsbeschlüsse wurden am Nachmittag verlesen - kein sehr spannender Prozessstoff. Der heutige Verhandlungstag dokumentiert einmal mehr die Mühen der Ebene in diesem Mammutverfahren - die manchmal sehr mühsame Suche des Gerichts nach der Wahrheit.


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