NSU-Prozess


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277. Verhandlungstag, 20.4.2016 Will die Bundesanwaltschaft den Verfassungsschutz schützen?

Soll ein ehemaliger V-Mann als Zeuge geladen werden, der laut ARD-Recherchen den untergetauchten Uwe Mundlos in seiner Baufirma beschäftigt hat? Darüber haben heute Nebenklageanwälte und Bundesanwaltschaft heftig gestritten.

Von: Christoph Arnowski

Stand: 20.04.2016 | Archiv

BR-Reporter Christoph Arnowski | Bild: Julia Müller

20 April

Mittwoch, 20. April 2016

Grund für den heftigen Schlagabtausch: Der Beweisantrag vieler Nebenkläger, den ehemaligen V-Mann Ralf M. als Zeugen zu laden:

"Die Bundesanwaltschaft will offenbar den Verfassungsschutz schützen, das ist eine Aufkündigung des Aufklärungsauftrages."

Alexander Hoffmann, Opferanwalt

"Ich möchte aufs Schärfste zurückweisen, dass die Bundesanwaltschaft etwas blockt oder jemand schützt. Wir legen alle Beweise vor."

Herbert Diemer, Bundesanwalt

Arbeitete Uwe Mundlos in seiner Zeit im Untergrund bei einem V-Mann?

In der ARD-Dokumentation "Der NSU-Komplex" hatte vor wenigen Tagen ein Mann erklärt, dass Ralf M. in den Jahren 2002 bis 2002 den untergetauchten Uwe Mundlos in seiner Baufirma in Zwickau beschäftigt habe. Zu einer Zeit, als der NSU seine Mordtaten beging. Viele Nebenkläger haben seit langem unterstellt, dass das untergetauchte Trio Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe lokale Helfer hatte, die sie bei ihren Verbrechen unterstützten. Ein solcher Helfer könnte der V-Mann mit Decknamen "Primus" gewesen sein, der für den Verfassungsschutz tätig gewesen sein soll. Doch  Bundesanwalt Herbert Diemer hat sich heute dagegen ausgesprochen, Ralf M. als Zeugen zu laden.

Warum die Bundesanwaltschaft den Zeugen nicht laden will

Er begründete sein Nein damit, dass die Aussagen des Mannes  für die Beurteilung der Schuld der Hauptangeklagten Zschäpe und ihrer vier mitangeklagten mutmaßlichen Unterstützer keine Rolle spielten. Das gelte auch für den Fall, dass Mundlos tatsächlich von Primus beschäftigt worden sei, weil damit noch kein Zusammenhang mit den angeklagten Taten bewiesen werde. Zu Zschäpes angeblicher Mitarbeit in einem Szeneladen des Zeugen in Zwickau sagte Diemer, darüber gebe es außer Gerüchten keine belastbaren Hinweise.

Opferanwälte empört

Argumente, die die Nebenklagevertreter empören.

"Viele wichtige Fragen in diesem Prozess sind immer noch ungeklärt, wie etwa die Mordopfer ausgesucht wurden und dann wollen Sie nicht einen Zeugen laden, der dazu möglichweise Angaben machen kann."

Alexander Hoffmann, Opferanwalt

Und sein Kollege Eberhard Reinecke ergänzt, dass die Aussage des ehemaligen V-Mannes auch wichtig sein könnte, um die Glaubwürdigkeit der Einlassung der Hauptangeklagten Zschäpe zu überprüfen. Die hatte nämlich nichts von der in Rede stehenden beruflichen Tätigkeit von ihr und Mundlos für den V-Mann Primus erwähnt.

Das Gericht muss jetzt entscheiden

Argumente, die viel für sich haben. Demnächst muss das Gericht über diesen Antrag entscheiden. Folgt es der Bundesanwaltschaft, wäre das weiteres Wasser auf die Mühlen der Verschwörungstheoretiker. Die mutmaßen schon lange, dass die Bundesanwaltschaft nicht alle Karten auf den Tisch gelegt hat. Deren Argument, die Ladung des Zeugen Ralf M. verzögere das Verfahren, weil es im Ausland lebe, überzeugt im übrigen am allerwenigsten. Seit Wochen sind nahezu alle Verhandlungstage bereits mittags zu Ende. Auch der heutige dauerte gerademal zwei Stunden. Zeit, um den Zeugen Primus zu hören ohne den Prozess zu verlängern, gäbe es also genug. Danach könnte man dann auch auf sicherer Grundlage beurteilen, wer Recht hat: die Bundesanwaltschaft oder die Nebenkläger.


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